Zagato – Eine erfolgreiche Familiengeschichte

Aston Martin DBZ Centenary Collection (1)

Kürzlich feierte die Carrozzeria Zagato ihren 100. Geburtstag. Was ohnehin schon ein beachtliches Jubiläum ist, wird noch bedeutender angesichts der Tatsache, dass die Firma unverändert erfolgreich auf dem Markt ist und mittlerweile in dritter Generation vom Urenkel des Gründers, Andrea Zagato, und seiner Frau Marella Rivolta-Zagato geführt wird.

1919 gründete Ugo Zagato im Alter von 29 Jahren die Carrozzeria Zagato in Mailand. Von Kindesbeinen an musste er früh Verantwortung übernehmen und arbeiten. Bereits vor seiner Geburt als jüngster von sechs Brüdern verstarb der Vater. In den ärmlichen Verhältnissen aufwachsend blieb ihm nichts anderes übrig, als bereits im Alter von 15 Jahren einen Beruf zu ergreifen.

Zunächst ging er als Gastarbeiter in eine Gießerei in Köln, für den Militärdienst kehrte er 1909 nach Italien zurück, um im Anschluss beim Karosseriebauer Varesina im norditalienischen Varese zu arbeiten. Dort lernte er das Handwerk des Baus von Bus- und Lastwagenaufbauten. Parallel studierte er Industriedesign in Mailand.

Noch während des ersten Weltkrieges wechselte er zum Flugzeughersteller Officine Aeronautiche Ansaldo-Pomilio. Für seinen weiteren Werdegang sollte ihm diese Etappe prägendes Wissen an die Hand geben, bekam er doch durch die Beschäftigung in der Luftfahrtindustrie Einblick in die Methoden des Leichtbaus und der Aerodynamik.

Alfa Romeo 1750 GS Zagato
Alfa Romeo 1750 GS Zagato

Leicht und windschnittig – Die ersten Fahrzeuge für Alfa Romeo

Spätestens seit der Gründung seiner eigenen Karosseriefirma konnte er dieses Fachwissen erfolgreich einbringen. Schon mit den ersten Fahrzeugen, die er für Alfa Romeo umbaute, setzte er konsequent auf Leichtbau, geringen Luftwiderstand und niedrigen Schwerpunkt.

Gerade für Sportwagen war dies eine gute Mischung, so verwundert es nicht, dass Zagato auf Alfa Romeo 6C und 8C Chassis erfolgreiche Rennwagen konstruierte, die mehrfach die Mille Miglia gewinnen konnten und dem Namen Zagato Ruhm und Bekanntheit einbrachten.

Von Ruhm und Ehre allein kann man aber bekanntlich keine Angestellten bezahlen, es müssen schon mehr Aufbauten als nur diese Einzelstücke verkauft werden, daher war Zagato spätestens in den 30er Jahren ein wenig in finanzieller Schieflage. Aber getreu Ugo Zagatos Motto „lieber ein kleines Unternehmen besitzen, als ein wichtiger Angestellter sein“, trieb er mit Nachdruck den Erfolg seines Unternehmens voran. So erschloss sich Zagato neben Alfa Romeo neue Kunden. FIAT, Lancia und Isotta Fraschini gaben Einzelstücke in Auftrag, vor allem leichte, windschnittige sportliche Wagen.

Der Zweite Weltkrieg war natürlich auch für die Carrozzeria ein Bruch. Direkt nach Kriegsende startete das Unternehmen aber durch. Ein wichtiger Mosaikstein dabei war der Einstieg von Ugo Zagatos ältestem Sohn Elio, der 1921 geboren wurde. Seine Motorsport- und Auto-Begeisterung ließen ihn sein angedachtes Medizinstudium zurückstellen und stattdessen in seines Vaters Fußstapfen treten.

Ferrari 250 MM Zagato
Ferrari 250 MM Zagato

Frischer Wind war auch dringend nötig, denn die Entwicklung weg von der Rahmenbauweise hin zur selbsttragenden Karosserie machte dem Großteil der Karosseriebauer zu schaffen. Es ging also weg von reinen Aufbauten, hin zu Sonderanfertigungen.

In diesem Zusammenhang war es wieder von großem Vorteil, auf der Rennstrecke Erfolge einzufahren. Elio Zagato als begeisterter und erfolgreicher Rennfahrer war gewissermaßen als Repräsentant auf der Strecke die beste Visitenkarte, getreu dem alten Motto „Win on Sunday, sell on Monday“. Auch beispielsweise Bentley nutze diese Möglichkeit der Publicity, sonntags erfolgreich bei Rennen teilzunehmen und den Beobachtern dieser Siege tags darauf ein Fahrzeug zu verkaufen. In den 50er Jahren waren unter anderem der Maserati A6G2000, Ferrari 250 GTZ und Alfa Romeo 1900 SSZ mit dem markanten Z auf der Karosserie erfolgreich.

Lancia Flaminia Sport Zagato
Lancia Flaminia Sport

Richtig auf den Wandel reagieren

Mit Einzelstücken erfolgreich teilnehmen ist das eine, für den nachhaltigen Erfolg der Firma waren aber viel mehr Aufträge und Verkäufe nötig. Mit einer Branche im Wandel und Herausforderungen auf allen Ebenen musste Zagato den Spagat schaffen, die Eigenständigkeit als Familienunternehmen zu wahren, aber gleichermaßen Investoren und weitere Hersteller zu gewinnen, die Fahrzeuge bei ihnen in Auftrag gaben. Bestenfalls nicht nur ein oder zwei Prototypen, sondern zumindest eine Kleinserie.

Von der Lancia Fulvia Sport wurden in den 60er- und 70er-Jahren in zwei Serien und mit verschiedenen Motorisierungen beispielsweise mehr als 7.000 Exemplare gebaut.

Maserati Mostro Zagato
Maserati Mostro Zagato

Die Fulvia fällt ohnehin in eine der prägendsten und produktivsten Epochen von Zagato, die ganz eng mit dem Namen Ercole Spada verbunden ist. Von 1960 bis 1969 war Spada Chefdesigner bei Zagato. Unter anderem der Alfa Romeo Junior Zagato oder der 2600 SZ gehörten in diese Ära.

Aber auch der nur 19 Mal gebaute Aston Martin DB4 GT Zagato. Um dem DB4 ein wenig Gewicht zu ersparen, schickte man ihn zu Zagato, wo man ihm aus Aluminium ein neues Kleid verpasste. Aufgrund des deutlich höheren Preises gegenüber DB4 und selbst gegenüber DB4 GT blieben die Verkäufe aber unter den Erwartungen.

Mit Aston Martin verbindet Zagato eine langjährige Zusammenarbeit bis heute – mit einigen schöpferischen Pausen dazwischen. Man denke an den V8 Zagato, der sowohl als Coupé als auch als Volante erhältlich war. Oder der V12 aus dem Jahr 2011, mit dem man beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring teilnahm.

Mit anderen Herstellern sollte es nicht so recht klappen. Für Lamborghini entwarf man einen Nachfolger für den Diablo. Als Lamborghini aber dann von Volkswagen übernommen wurde, wurden die Pläne nicht weiterverfolgt.

Auch als Hersteller trat Zagato mitunter in Erscheinung, allerdings anders, als man vielleicht vermuten sollte. 1972 im Zuge der Ölkrise präsentierte man das elektrisch angetrieben Mikro-Auto Zele. Er wurde nicht zum Wegbereiter der Elektromobilität, aber zeigte, dass man sich bei Zagato auch mit Dingen über das reine Design hinaus Gedanken machte.

Andrea Zagato Adrian van Hooydonk BMW
Andrea Zagato (li.) und Adrian van Hooydonk (BMW)

Das italienische Kerngeschäft

Das Kerngeschäft blieb aber die Arbeit mit italienischen Fabrikaten. Vorneweg natürlich die enge Verbindung zu Alfa Romeo, die von den ersten Fahrzeugen bis heute bestand hat.

Dabei sind Meilensteine entstanden, nicht nur für Zagato, sondern auch für Alfa Romeo. Man denke an die Giulietta Sprint Zagato von Ende der 50er Jahre und an die verschiedenen Variante der Tubolare Zagato (TZ) Modelle.

Oder die beiden Modelle SZ (für Sprint Zagato) oder RZ (Roadster Zagato), die zwischen 1989 und 1993 in kleiner Stückzahl in Handarbeit in Rho gefertigt wurden. Ein Auto mit einem Design, für das das Wort „eigenständig“ wohl am besten passt. Nicht alle fanden den SZ/RZ ausgesprochen schön, aber es war auch nie der Anspruch von Zagato, einfach nur gefällige Karosserien zu entwerfen. Kontroversen hervorrufen, auch mal anecken, das war durchaus im Bereich des Möglichen oder gar gewünscht. Der Vollständigkeit halber sollte man aber auch erwähnen, dass RZ/SZ keine „reinen“ Zagato-Entwürfe sind. In der Entstehung waren die Designabteilungen von Alfa Romeo, dem FIAT-Mutterkonzern und Zagato beteiligt.

Bei extravaganten Modellen der 90er darf der Lancia Delta Hyena nicht fehlen. Nur 24 Exemplare der Zagato-Interpretation eines Delta HF Integrale Evoluzione wurden gebaut. Als letztes Modell in den eigenen Produktionsanlagen und vor dem Rückzug von Elio und Bruder Gianni aus dem operativen Geschäft.

Mit Andrea Zagato in die Zukunft

Seither liegt es an Andrea Zagato, den klangvollen Namen fit und widerstandsfähig für die Zukunft zu machen. Unterstützung bekam er wieder aus der Familie. Seine Ehefrau Marella Rivolta entstammt der gleichnamigen anderen großen Automobil-Familie und investierte nicht nur finanziell, sondern auch als kongenialer Partner mit Rat und Tat in das Unternehmen.

Die beiden zeigen seitdem, dass Zagato gut damit beraten war, das Unternehmen breiter aufzustellen und als Designbüro auch über den automobilen Tellerrand hinausblicken zu lassen und Design für alle Lebenslagen und alle kleinen und großen Dinge entwickeln zu können.

Wenn Sie beispielsweise mal in Mailand in die Tram steigen, schauen sie ruhig genau hin, vielleicht sitzen Sie im 2001 prämierten Modell der Bombardier Eurotram, die von Zagato entworfen wurde.

Was den Automobilsektor betrifft, hat Andrea Zagato bewiesen, dass man als Hersteller auch ohne eigene Produktionsanlagen bestehen kann, wenn man denn die richtigen Einzelstücke und Kleinstserien entwirft.

Mit dem Aston Martin DB7 Z von 2002, dem Spyker C12 von 2007 oder dem Bentley Continental GTZ von 2008 schuf man Fahrzeuge, die Sammler ansprechen und für Zagato und den jeweiligen Hersteller gleichermaßen einen Erfolg darstellen.

So gesehen blickt man in Rho zuversichtlich in die Zukunft, weiterhin als letztes verbliebenes Familienunternehmen großes Design auf die Straße bringen zu können.

Fotos BMW AG, ZED Milano s.r.l.

Autor: Paolo Ollig

Paolo Ollig schreibt als Chefredakteur regelmäßig über alle Raritäten und Meilensteine der Automobil- und Motorrad-Geschichte. Traum-Klassiker: Lamborghini Countach und Mercedes-Benz 300 SL. Eigener Klassiker: Mercedes-Benz 230 CE (W123) von 1981.

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