Bentley – 100 sportliche Jahre

1925 Bentley 6½ Litre [3]

Von den zahlreichen Automobilherstellern, die in den Anfangstagen schon am Start waren, sind viele im Laufe der Zeit auf der Strecke geblieben. Nach 100 bewegten Jahren behauptet sich Bentley wieder unbestritten im Luxus-Segment, wenn auch nicht mehr ganz so rein britisch und rein sportlich wie am Anfang.

1919 gründet Walter Owen Bentley seine Firma Bentley Motors Ltd. Zuvor hatte er bereits mit seinem Bruder einen Handel für Fahrzeuge des französischen Herstellers DFP betrieben. Mit einem Kriegsveteranen-Kredit eröffnet sich für W.O. Bentley, wie er anerkennend genannt wird, die Möglichkeit, sich seinen Wunsch zu erfüllen und eigene Autos zu bauen.

Race on Sunday sell on Monday

Von Beginn an ist Bentley angetrieben von der Motorsportbegeisterung der Macher. Der Leitspruch „Race on Sunday, sell on Monday“ wird W.O. Bentley zugeschrieben. Die Rennwagen sollten am Wochenende auf den Rennstrecken Erfolge einfahren, damit die Kundschaft sie tags darauf gleich kauft. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass das Rennsportprogramm ein Vermögen verschlang und von der Einnahmeseite nicht aufgefangen werden konnte.

1924 LeMans Winning 3 Litre Bentley
Frank Clement, W.O. Bentley und John Duff (v.li.) gewinnen mit ihrem 3 Litre in Le Mans 1924.

So ist das erfolgreichste Modell der „reinen Bentley-Jahre“ 1919-1931 der 3 Litre. Insgesamt 1622 Chassis werden gefertigt und mit unterschiedlichen Aufbauten von den gängigen Stellmachern wie Vanden Plas versehen. Der Vierzylinder-Motor mit 16 Ventilen und drei Litern Hubraum erweist sich als leistungsstark und robust. Die drei Liter-Maschine ist zudem Ausgangspunkt für alle weiteren Motoren der frühen Ära: Er wird zu einem 4 1/2 Liter-Aggregat aufgebohrt, zwei Zylinder werden zur 6 1/2 Liter-Maschine hinzugefügt, die wiederum zum Prunkstück, dem 8 Liter modifiziert werden. Auch wenn es W.O. ein Graus ist, Motoren durch Kompressoren aufzuladen, geschieht dies unter anderem beim 4 1/2 Liter Blower.

Bentley 4 1/2 Litre Birkin Blower
4 1/2 Litre Blower.

Es ist in den Anfangsjahren irgendwie das Dilemma, aber auch die Rettung Bentleys gleichermaßen, dass sie sich auf straßentaugliche Rennwagen fokussieren. Noch bevor Schlagworte wie Markenbildung Einzug in den Marketing-Sprech von Herstellern Einzug halten, sorgen die Boliden für Tatsachen auf den Rennstrecken.

Die glamourösen Bentley Boys

Allerdings ist der Käuferkreis doch sehr überschaubar. Das erfolgreichste Jahr in den Anfängen ist 1924 mit 462 verkauften Chassis, danach geht es bergab. Ein fixer Abnehmerkreis sind die sogenannten „Bentley Boys“. Ein Kreis von sehr reichen, motorsportbegeisterten jungen Männern, die Fahrzeuge mit mit den B im Logo kaufen, um Rennen zu bestreiten.

Einer davon ist Woolf Barnato, der allein dreimal mit einem Bentley bei den 24 Stunden von Le Mans antritt – und dreimal gewinnt. Nicht nur deshalb ist Barnato vermutlich der berühmteste Bentley Boy. Da ist beispielsweise die berühmte Wette um 200 Pfund, dass er mit seinem Speed Six schneller sei als der Luxuszug Train Bleu, der von Cannes nach London fuhr. Er gewinnt tatsächlich und verpasst seinem Auto damit den Beinamen Blue Train.

Aber auch unabhängig von extravaganten Hobbies ist Barnato ganz maßgeblich am Überleben Bentleys beteiligt. In den Jahren 1927 bis 1930 rettet Barnato die britische Marke durch mehrere Finanzspritzen das Überleben.

1931 ist aber Schluss mit der weiteren finanziellen Unterstützung. Vielleicht auch, weil innerhalb der Bentley Boys manch einer sein gesamtes Vermögen für die Automobilleidenschaft durchbringt. So ergeht es Tim Birkin, der mit dem Aufbau eines 4 1/2 Litre Blower zwar prestigeträchtige Siege in Le Mans einfährt, aber sich derart finanziell übernimmt, dass das gesamte Familienvermögen aufgebraucht ist und kein Geld mehr für die Finanzierung von Bentley übrig ist.

Bentley Woolf Barnato
Woolf Barnato

Neustart unter Rolls-Royce

Und so übernimmt ausgerechnet der größte Wettbewerber auf der Insel, Rolls-Royce Bentley im Jahre 1931. Zunächst werden die Altbestände aus der Bentley-Produktion aufgebraucht und die alten Modelle weiter produziert. 1933 folgt dann der erste von Rolls-Royce entwickelte Bentley. Der 3 1/2 Litre verwendet einen zuvor nicht in Serie gegangenen Rolls-Royce Rahmen und den überarbeiteten Motor aus dem 20/25 hp. Denselben Rahmen gibt es ab 1936 auch als 4 1/4 Litre mit dem größeren Reihen-Sechszylinder-Motor aus dem 25/30 hp.

1939 wird der Bentley Mark V präsentiert als zweites von Rolls-Royce entwickeltes Fahrzeug. Der zweite Weltkrieg sorgte für ein rasches Ende der Produktion, nur elf komplette und vier nicht fertiggestellte Chassis werden gebaut.

Nach Kriegsende zieht die Produktion von Rolls-Royce und Bentley nach Crewe um, wo heute noch gebaut wird. Auch die enge Verzahnung der beiden Marken, das Badge-Engineering, wird vorangetrieben. Der Bentley Mark VI ab 1946 ist das Schwestermodell des Rolls-Royce Wraith. In der Folge gleichen sich die Modelle immer mehr an.

Aber stets mit der Grundausrichtung, dass der Rolls eher das komfortbetonte Chauffeur-Fahrzeug sein soll und dass Bentleys sich an selbstfahrende, sportbetonte Fahrer richten. Auf der einen Seite schadet das reine Badge-Engineering der Marke Bentley. Nur eine andere Kühlerfigur und ein modifiziertes Ansprechverhalten machen kein ausreichendes Alleinstellungsmerkmal aus. Andererseits hält die Familienbande den Hersteller über Wasser, wenn auch mit schwankendem Pegelstand.

1933 3 1/2 Litre
1933 3 1/2 Litre

Hochs und Tiefs in 100 Jahren Bentley

Die 100-jährige Geschichte Bentleys ist somit eine abwechslungsreiche. Geprägt von großen Erfolgen, beeindruckenden Fahrzeugen, aber auch von unternehmerischen Niederlagen und Kehrtwenden.

Heute recht erfolgreich und entspannt unter dem Dach des Volkswagen Konzerns, war Bentley stets im Grenzbereich, nicht nur auf den Rennstrecken, sondern auch finanziell. W.O. Bentleys Vision von potenten Sportwagen konnte so nur in den Anfangsjahren gelebt werden.

Auch wenn Konkurrent Ettore Bugatti sie spöttisch als „schnellste Lastwagen der Welt“ betitelte, zeigten die Bentley Boys in Le Mans dass sie stark und verwegen genug waren, den wendigen, leichten Flitzern der Konkurrenz davonzufahren.

Ein verschworener Haufen von steinreichen Petrolheads macht aber lange nicht genug Umsatz, um eine Marke am Leben zu halten. Also liegt es an anderen Konzernen, der Marke genug Mittel und sachliches Know How an die Hand zu geben, damit das strahlende B auf dem Kühlergrill weiter im Fahrtwind glänzt.

Bentley Logo

Fotos Bentley Motors Ltd.

Autor: Paolo Ollig

Paolo Ollig schreibt als Chefredakteur regelmäßig über alle Raritäten und Meilensteine der Automobil- und Motorrad-Geschichte. Traum-Klassiker: Lamborghini Countach und Mercedes-Benz 300 SL. Eigener Klassiker: Mercedes-Benz 230 CE (W123) von 1981.

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