Lebenslange Leidenschaft – Romano Artioli und sein Bugatti EB 110 SS

Bugatti EB 110 SS Romano Artioli (1)

Es ist ein emotionsgeladener Tag für Romano Artioli und seine Progetto 33 AG. Schließlich war er der Unternehmer, der die Marke Bugatti wiederbelebte und den Bugatti EB 110 SS auf die Straße brachte.

Das Treffen fand in der „Fabbrica Blu“ in Campogalliano statt. Damals die Fabrik von Bugatti, heute eine halbverlassene Kathedrale des Automobilbaus, die nur durch die fortwährende Arbeit von Artioli und seinem Sohn am Leben gehalten wird. Es sind auch die Erinnerungen, die ihn motivieren, sein Lebenswerk nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. 1994 war eine dieser Erinnerungen, als der frisch gebackene Formel 1-Weltmeister Michael Schumacher nach Campogalliano kam, um sich seinen persönlichen gelb lackierten EB 110 SS abzuholen.

Und so kehrt Romano Artioli voller Stolz an den Ort zurück, den so sorgfältig aufgebaut hat, um seinen Traum zu verwirklichen, den ruhmreichen Namen Bugatti wieder an die Spitze der Hochleistungs-Sportwagen zu führen.

Bugatti EB 110 SS Romano Artioli (10)

Dieses Exemplar des Bugatti EB 110 SS war ursprünglich ein Werksfahrzeug, ein Prototyp um die Homologation in den USA zu erreichen. Das Auto war ein Pressefahrzeug und nahm 1995 als Teil einer Promo Tour am „Concorso Italiano“ in Monterey teil, wo es den People’s Choice Award als beliebtestes Auto gewann. Im gleichen Jahr nahm das Auto auch an der Chicago Auto Show in den Vereinigten Staaten teil.
Zu dieser Zeit war der Bugatti Hellgrau lackiert, nach der Rückkehr nach Italien entschied Romano Artioli, es neu in Bugatti Blue zu lackieren. Heute ist der Wagen der einzige EB 110 SS in dieser Farbe, die anderen beiden blauen Geschwister haben einen leicht anderen Farbton. Der Motor ist nach den Le Mans Spezifikationen gebaut, allerdings in der Straßen- nicht der Rennversion und erzeugt 625 PS im Vergleich zu den 611 PS der „normalen“ Version.

Der Bugatti EB 110 SS ist somit ein Supersportler mit einer ganz besonderen Geschichte, gerade wegen des Vorbesitzes. Auch Stephan Winkelmann, Geschäftsführer der Bugatti Automobiles SAS, schätzt Romano Artioli als entscheidende Persönlichkeit, durch dessen Mut und Engagement die Marke nach 40 Jahren im Dornröschenschlaf wieder erweckt werden konnte.

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Drei Fragen an Romano Artioli

Was dieses Gespräch so besonders macht, ist, dass dieses Exemplar ihr Auto war und wir in den heiligen Hallen der „Fabbrica Blu“ stehen, wo Bugatti geträumt und realisiert wurde. Wie entstand damals Bugatti in ihrem Kopf?

Als wir entschieden hatten, Bugatti-Autos zu bauen, fragten wir uns eigentlich ständig: „Was würde Ettore Bugatti tun, wenn er noch leben würde.“ Daher begannen wir mit einem weißen Blatt Papier und setzen uns zum Ziel, alle Faktoren, Automobiltechnik, Stil und Materialien so auszuwählen, dass ein „echter Bugatti“ herauskommt. Um das vielleicht zu verdeutlichen, wir haben uns selbst auferlegt, nicht einfach einen Chevrolet-Motor oder ein Cadillac-Chassis zu kopieren. Die Entwickler hatten den Auftrag, einfach das Bestmögliche in allen Bereichen zu finden und zu entwickeln. Es soll einfach ein Auto rauskommen, dass den Namen Bugatti mit Würde trägt und einfach der Bugatti eines neuen Jahrhunderts werden sollte.
Heute, nach 30 Jahren, können alle, die damals mitgearbeitet haben, nicht ohne Stolz sagen, dass sie das Projekt mehr als erfolgreich auf die Straße gebracht haben. Zu der Zeit kam kein Wettbewerber auch nur annährend an den Bugatti-Stil heran.

Wie sehr hat es sich eigentlich getroffen, diesen EB 110 SS zu verkaufen?

Damals war ich wirklich sehr traurig, weil dieses Auto Teil einer Lebensaufgabe war, die vor 50 Jahren begann. Wie haben schließlich Bugatti nicht in fünf Minuten aufgebaut, da wir auch keine Millionen in der Hinterhand hatten. Wir sind alle Schritte sorgfältig und überlegt Cent für Cent gegangen. Nach 40 Jahren Arbeit konnten wir schließlich endlich an die französische Regierung herantreten und sagen, „wir sind soweit, lasst uns diesen Skandal beenden, dass die Marke mit den schönsten Autos der Welt brachliegt und der Name und der Überreste verramscht werden soll. Erlaubt uns, Bugatti zu kaufen und dem Namen seinen glanzvollen Ruhm zurückzugeben.“ Die Verhandlungen dauerten drei Jahre, aber schließlich gelang es uns, Frankreich zu überzeugen, den Traum von Bugatti in unsere Hände zu geben.

Damit uns dies gelingen konnte, mussten wir erst für die richtigen Bedingungen sorgen: wir benötigten ein Grundgerüst, welches sich von dem einer klassischen Automobilfabrik, mit Ihren geschlossenen Räumen und dem künstlichen Licht unterschied. Das Ziel war es unseren Traum zu verwirklichen. Normalerweise startet man mit einem Traum und arbeitet dann daran ihn zu verwirklichen. Wir wollten den Spieß umdrehen: der Traum wurde mit dem Abschluss der Arbeit erfüllt.

Was macht den EB 110 SS außer Ihrer Sicht heute noch so visionär?

Viele unserer Mitbewerber präsentieren ihre Fahrzeuge als „schnellstes Auto der Welt“. Wenn wir dabei von purer Geschwindigkeit reden, dann stehen wir immer noch an der Spitze dieser Liste. Der Wunsch 600 km/h schnell zu fahren lässt sich sicherlich erfüllen, jedoch stellt sich die Frage, ob solche Geschwindigkeiten überhaupt notwendig sind. Worin besteht der Sinn, so schnell zu fahren? Gibt es eigentlich genug Platz, um so schnell zu fahren? Man müsste das Fahrzeuge in einer Art Vakuum bewegen um wirklich 600 km/h zu erreichen. Wenn Sie dieses Auto aber wirklich im Alltag verwenden, zum Beispiel um zur Arbeit zu fahren, mal im Stau stehen oder vor allen anderen die nächste Stelvio Haarnadelkurve erreichen wollen dann ist dies das perfekte Auto dafür. Dieses Auto weist heute noch alle Charakteristiken auf, um ein echtes Allround-Talent zu sein.

Es gab da diesen berühmten Maler, der die Mona Lisa auf die Leinwand gezaubert hat, ein absolutes Meisterwerk. Nun ja, Bugatti hat 139 Mona Lisas auf die Straße gezaubert. Jedes einzelne Exemplar verkörpert die Perfektion von Bugatti; die Autos mussten von außergewöhnlicher Qualität sein und unter sämtlichen Bedingungen tadellos funktionieren. All die Leute die mit uns an diesem Projekt arbeiteten – unsere damaligen Partner waren ELF, Michelin, Aerospatiale,etc. – verpflichteten sich dazu ihr bestes für uns zu geben. Bis heute können Sie mit dem ersten Öl- und Filterwechsel 30 Jahre warten. Sollten Sie einen anderen Sportwagen kennen, der das kann, dann bin ich bereit alle was ich habe zu verkaufen und mir diesen Wagen zu kaufen.


Copyright Passioni Lab Fotos und Video Gabriele Spalluto Website Progetto33

Autor: Classic Trader

Die Classic Trader Redaktion besteht aus Oldtimer-Enthusiasten, die Euch mit spannenden Geschichten versorgen. Kaufberatungen, unsere Traum Klassiker, Händlerportraits und Erfahrungsberichte von Messen, Rallyes und Events. #drivenbydesire

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