Buchtipp | T wie Trouble – Mit Fords Tin Lizzy durch Trumps Amerika

T wie Trouble Tim Moore Ford Model T

Seitdem Donald Trump vor seinen goldenen Vorhängen im Weißen Haus sitzt, vergeht eigentlich kaum ein Tag, an dem man sich als Mitteleuropäer bei halbwegs wachem Verstand fragt, wie das passieren konnte. In seinem Buch T wie Trouble schildert der britische Autor Tim Moore, wie er damit umzugehen versucht hat. Er hat nicht nur theoretisch aus der Ferne darüber gegrübelt, sondern ist dahin gegangen, wo es wehtut und zwar bei einem Roadtrip in einem 1924er Ford Model T von der Ost- zur Westküste.

Was auf dem Papier wie eine Traumreise „from sea to shining sea“ klingt, ist in der Realität wie ein Bußgang über den Pfad der Schande. Als Weg zur Erkenntnis, wieso eine Person, die so viel Erschreckendes gesagt und getan hat, zum mächtigsten Mann der Welt von einer großen Anzahl von Menschen gewählt wurde.

T wie Trouble Tim Moore (3)

T wie Trouble – Einmal amerikanischer Traum und zurück

Für Tim Moore markiert die Wahl 2016 irgendwie das Ende des amerikanischen Traumes. Was liegt da näher, als zur Beantwortung der bohrenden Fragen an den Ausgangspunkt des „Jahrhunderts der USA“ zurückzukehren und als ein Sinnbild dessen einen Ford Model T als Gefährt auszuwählen. Das „Tin Lizzy“ genannte Auto war für Jahrzehnte das meistgebaute Fahrzeug und revolutionierte den Straßenverkehr und die Produktionsbedingungen gleichermaßen. Tim Moore hatte bis dahin zwar keinerlei Erfahrung mit solch frühen Automobilen, aber wie er schon in früheren Büchern bewies, bringt er für jede seiner Projekte eine Menge Mut mit. Außerdem öffnete ihm „Mike“, wie er den Ford bald liebevoll nennen sollte, eine Menge Türen zu Menschen, die zwar einen geifernden Egomanen wählten, der gerne Mauern an Grenzen errichten möchte; sie selbst öffnen aber gerne ihre eigenen Türen, um einem gestrandeten Model T-Fahrer zu helfen.

So macht sich Tim Moore ohne große Vorbildung auf, mit der störrischen und betagten Technik einen Weg zu bewältigen, der selbst in einem aktuellen Modell schwer zu bewerkstelligen wäre. Von der Ost- zur Westküste nur durch die „Red States“, die deutlich alle „America first“ gewählt hatten. Dabei trifft Moore auf ein zutiefst gespaltenes Land und Bewohner mit teils kruden Weltbildern. Er sieht Detroit, die einst prosperierende Großstadt, die die USA mobilisierte. Seit Jahren zerfällt „Motor Town“ aber zunehmend und auch dessen Gesellschaft. „Nie zuvor hatte ich einen so frappierenden, brutalen Kontrast in einem Stadtbild erlebt, und das sage ich als jemand, der 1990 durch ein Loch in der Berliner Mauer gekrochen ist“, sagt Tim Moore schonungslos über die Zustände im Geburtsort des Model T. Ohnehin zeichnet sich Tim Moore auch dadurch aus, dass er vielfältige Auswüchse und Besonderheiten der amerikanischen Gesellschaft schildert. Er steht mit schießwütigen Verschwörungstheoretikern am Schießstand, besucht einen fundamentalistischen Gottesdienst und hört sich an, wie man sich für den jüngsten Tag vorbereitet, der bald eintreten soll. Er fährt aber auch durch einsame Weiten kaum besuchter Nationalparks und kann das Land auch einfach genießen: „Manchmal kam er mir vor, als lebte ich allein den amerikanischen Traum, so wie er ursprünglich geträumt worden war.“

T wie Trouble Tim Moore (2)

Verständnis für das Unerklärliche

Bei all dem Groll, der Tim Moore erst auf die Reise geschickt hat, zeigt er nicht anklagend mit dem Finger auf die Trump-Wähler. Er hat mehr etwas von einem verständnisvollen Vater, der mit einem aufrichtigen Interesse von seinen nach Schmerzmitteln und Zucker süchtigen, adipösen und waffenaffinen Kinder wissen möchte, weshalb sie das Land in Brand gesetzt haben. Dabei blickt er auch hinter die Fassade und erkennt, dass viele im Kleinen einen Gemeinsinn haben, der in großen Fragen aber von christlichem Fundamentalismus und Paranoia überlagert ist.

In seiner kurzweiligen Beobachtung T wie Trouble wird deutlich, dass es sich beim Status Quo nicht um eine Momentaufnahme handelt. Es ist ein langer Prozess, der 2016 in Trumps Wahlsieg mündete, und es steht zu befürchten, dass noch viele Gräben wieder zugeschüttet werden müssen, bevor man sich von der Präsidentschaft dieses bigotten, rassistischen Narzissten wieder allmählich erholt.


Sichern Sie sich ihre persönliche Ausgabe.

ISBN (Print): 978-3-95726-038-3
ISBN (E-Book): 978-3-95726-040-6

Tim Moore: T wie Trouble | Mit Fords Tin Lizzy durch Trumps Amerika ist beim Covadonga Verlag, Bielefeld 2019 erschienen.

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel „Another Fine Mess. Across Trumpland in a Ford Model T“ bei Yellow Jersey Press, London 2018.


Fotos Covadonga Verlag

Autor: Paolo Ollig

Paolo Ollig schreibt als Chefredakteur regelmäßig über alle Raritäten und Meilensteine der Automobil- und Motorrad-Geschichte. Traum-Klassiker: Lamborghini Countach und Mercedes-Benz 300 SL. Eigener Klassiker: Mercedes-Benz 230 CE (W123) von 1981.

Weitere Artikel

Eberhard Schulz Isdera Autobiographie Band 1a

Buchtipp | Eberhard Schulz – Weltbekannt und unerkannt

Eberhard Schulz: Techniker, Designer, Autokonstrukteur und -bauer, Rennfahrer – ein volles Leben, das einige aufregende Fahrzeuge hervorbrachte weiterlesen Buchtipp | Eberhard Schulz – Weltbekannt und unerkannt

Porsche Abmahnung Recht

Ihr gutes Recht | Abgemahnt von Porsche? – Was tun? – Wie vorbeugen?

Die Firma Porsche geht derzeit gegen viele Anbieter vor, die unter Verwendung des Porsche Logos solche Produkte in den Markt bringen, die nicht von Porsche hergestellt oder lizensiert sind. weiterlesen Ihr gutes Recht | Abgemahnt von Porsche? – Was tun? – Wie vorbeugen?

Gautam Sen Lamborghini At the cutting edge of design cover

Buchtipp | Lamborghini – Und ewig scharren die Hufe

Gautam Sen ist gebürtiger Inder, lebt in Paris, hat bei der FIVA einige wichtige Posten – und lebt aber in Wirklichkeit für die schönsten Ausprägungen des italienischen Auto-Designs. weiterlesen Buchtipp | Lamborghini – Und ewig scharren die Hufe