Motorräder der 70er – Big in Japan

Motorräder der 70er

Motorräder der 70er standen im Zeichen von Ölkrise und Big Bikes, Zweitakter und Vollverkleidungen. Die 1970er verwandeln das Motorrad endgültig vom Alltagsfahrzeug zum Freizeit-Spielzeug. Und küren die Japaner über Nacht zur Weltmacht. Wir beleuchten in unserer Jahrhundert-Reihe ein wildes Jahrzehnt im Wandel.

Kaum eine Dekade hat das Bild des coolen Motorrads mehr geprägt als die 70er. Man denke nur an Mad Max, das enorme Vermächtnis von Easy Rider, den charmanten Giacomo Agostini oder Barry Sheen, wie er mit einer hübschen Lady an der Hand und ohne Shirt unterm Leder vor der Kamera posierte. Mensch, was waren das für Zeiten?! Wild, entspannt und frei.

Motorräder der 70er – Klassiker aus aller Welt

Und es waren Zeiten, die heute noch präsent sind. Manch ein Klassiker der 70er gehört schließlich immer noch zum Straßenbild. Zumindest wundert sich niemand ernsthaft, wenn man eine BMW R100 RS (ab 1976), Guzzi Le Mans (ab 1976) oder eine Honda CB 750 Four (ab 1969) an der Ampel erblickt. Der Boxer aus Berliner Produktion ging seinerzeit als erstes Motorrad mit Vollverkleidung in die Annalen ein. Guzzis Sportler wurde trotz archaischer Konstruktion zur Legende. Und die Vierzylinder-Honda ebnete den Weg für eine unfassbare Dominanz der Japaner. Suzuki GS, Kawasaki Z oder Yamaha XS folgten ihrem Windschatten. Knackige Buchstabenkombinationen waren Früchte einer überlegenen Ingenieurskunst.

 

Galten die Europäer in den ersten Jahren nach dem Krieg noch als wahre Vorreiter, so liefen ihnen die Asiaten spätestens jetzt den Rang ab. Denn recht erschwingliche, für damalige Verhältnisse unfassbar schnelle und sogar haltbare Motorräder kannte man so nicht. 70 PS und gut 200 km/h Topspeed bei äußerst umgänglichen Manieren waren eine Kampfansage, die beispielsweise eine Triumph Trident (ab 1968) in die Ecke drängte. Aus der Schockstarre sollten Traditionalisten wie Triumph oder Ducati erst wieder in den 90ern erwachen, wenngleich eine Ducati 750 GT (ab 1971) und die legendäre 750 SS (ab 1973) mit liegendem Zweizylinder schon damals hohe Motorrad-Kunst war. Heute besitzen diese Maschinen enormen Sammlerwert, gelten aber auch als Zeugen einer Ära, deren Ende gekommen war. Die Motorräder der 70er sollten vor allem von den Japanern geprägt werden.

Klassiker der 70er – Japanische Klassiker

Diese trumpften nicht nur mit Big Bikes auf – ein Begriff, der sich im Laufe der 70er verfestigte. Sie überzeugten vor allem mit einer Bandbreite an Konzepten, die heute noch beeindruckt. Zuverlässige Mopeds, stattliche Cruiser wie die Goldwing getaufte Honda GL 1000, Rauchschwaden produzierende Straßenrenner vom Schlage einer Kawasaki H2 (ab 1971) und Crosser wie Yamaha DT (ab 1968) oder XT 500 (ab 1976) rundeten das Sortiment aus Fernost ab. Die „großen Vier“ produzierten effizient, vermarkteten sich klug und sorgten für eine tiefgreifende Transformation der Branche. Bald dominierten sie – zum Leidwesen der Europäer – sogar den Motorsport. Aus den USA vernahm man unterdessen nur ungläubige Blicke. Harley verließ sich vor allem auf seinen Heimatmarkt. Altes Eisen in neuer Verpackung, wie etwa die XLCR von 1977, steht exemplarisch für den geringen Fortschrittswillen der Amerikaner.

Doch egal ob dies- oder jenseits des Atlantiks, das Motorrad war längst viel mehr als nur Fortbewegungsmittel. Es entfremdete sich aktiv vom schlichten Anspruch der Mobilität, hin zur Ikone einer Konsumgesellschaft. Immer schneller, immer mehr, immer neuer. Daran konnte auch die Ölkrise wenig ändern, die mit Beginn des neuen Jahrzehnts vor allem im Automobilsektor für Mäßigung sorgte. Die Motorradwelt blieb von Umweltfragen recht unbeeindruckt. Wichtiger waren andere Themen, etwa die Etablierung verlässlicher Scheibenbremsen, die mit Norton Commando 850 oder BMW /6 populär wurden und dem verdichteten Verkehr jener Tage Rechnung trugen.

Weniger pragmatisch, aber umso faszinierender waren die kreativen Auswüchse kleinerer Marken. Bimota brachte 1975 sein erstes Straßenmotorrad, die HB1, auf den Markt und nutzte die solide CB Four-Konstruktion für sein überlegenes Fahrgestell. MV Agusta hatte die besten Jahre schon hinter sich. In Varese schloss man 1980 die Tore. Benelli wiederum bewies mit der Sei (ab 1974), dass Limits im Motorenbau nur theoretischer Natur waren. Doch auch dieser Hersteller war dem Untergang geweiht. Der Sechszylinder auf zwei Rädern – er war kaum mehr als ein letztes Aufbäumen. Die Zeiten hatten sich mit den Japanern und ihren Motorräder der 70er radikal geändert.

Fotos BMW AG, Classic Trader

Autor: Sven Wedemeyer

Auf einem Bein kann man nicht stehen, weiß der Volksmund. Deshalb schreibt Sven Wedemeyer nicht nur spannende Berichte für Classic Trader oder Lifestyle- und Fachmagazine, sondern blickt als Fotojournalist auch gern durch den Sucher seiner Kamera. Im Fokus hat der Petrol Head vor allem automobile Klassiker und besondere Motorräder // Traum-Klassiker: Bugatti 35B // Aktueller Klassiker: MGB GT V8

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