Motorräder der 60er – Viel Anfang und viel Ende

Die 1960er stellen die Weichen für den Ausgang des 20. Jahrhunderts. Emanzipation, kalter Krieg, Mondlandung – der Beginn einer neuen Zeitrechnung. Das gilt auch für die Zweiradwelt. Sie ist im Begriff, sich völlig neu zu erfinden und die Motorräder der 60er sind hierfür prägend.  

Für viele Zweiradliebhaber zeichnen die Motorräder der 60er aus heutiger Sicht den Beginn einer Blütephase. Alt eingesessene Hersteller raffen sich noch einmal zu Höchstleistungen auf, während aufstrebende Neulinge bereits ihr Potenzial andeuten. Doch der Reihe nach…

Motorräder der 60er – Einführung

Vor allem in Europa atmen die Menschen nach den 50ern auf, entledigen sich – so gut es eben geht – von Altlasten. Sie blicken frohen Mutes in die Zukunft. Längst haben preiswerte Automobile Motorräder als Fahrzeug des kleinen Mannes abgelöst. Auf deutschen Straßen dominieren kugelige Käfer, bürgerliche Fords oder sportliche Giulias. Dazwischen mischen sich immer seltener Motorräder und Roller. Auf ihren verchromten Kugeltanks stehen Anfang der 60er zwar häufig deutsche Markennamen. Doch während sich Optimismus und Wirtschaftswunder tatkräftig vereinen, beginnt mit dem gesellschaftlichen Wandel auch der Niedergang vieler Hersteller. NSU, Hercules oder Zündapp bauen gute Produkte. Sie schaffen es auf Dauer aber nicht, dem Wunsch nach mehr Leistung und Lebensgefühl gerecht zu werden. Nur BMW überlebt als einziger deutscher Hersteller hubraumstarker Motorräder diese Identitätskrise.

Trotzdem, dank besserer Fertigungstechniken und solider Massenware liegt die Haltbarkeit von Motorrädern auf ungeahntem Niveau. Sie verliert aber gleichzeitig auch an Bedeutung beim Kampf um die Käufergunst. Von „Lifestyle“ hat zuvor niemand gesprochen, jetzt ist der Begriff in aller Munde. So verschieben sich die Grenzen. Mittlerweile haben sich Zweizylinder über 600 Kubik als oberer Klassenstandard etabliert. BMW stellt deshalb 1966 die Produktion der einzylindrigen R27 ein und widmet sich künftig nur noch den Boxern. MZ kann zwar im Geländesport eine beeindruckende Siegesserie hinlegen (sechs Titel zwischen 1963 und 1969) und entwickelt die zweitaktende ES-Reihe (bis 1972) zur Perfektion. Dem Höher-Schneller-Weiter jenseits des Eisernen Vorhangs kann man in Zschopau trotzdem bald nichts mehr entgegensetzen.

In der BRD tüftelt unterdessen ein gewisser Friedl Münch an einer 1000er. Die TT- und TT-S-Modelle (ab 1966) gelten als erste Big Bikes der Neuzeit und können in einem Atemzug mit dem Apollo genannten Ducati-Prototyp (1963) genannt werden. Beide Konzepte setzen auf große Vierzylinder, was für ein Wahnsinn! Das italienische Über-Motorrad wird es leider nie in die Serie schaffen. Von den sehr starken „Mammuts“ baut Münch aber immerhin knapp 1.000 Einheiten. Es sind Vorreiter, grobschlächtige Auswüchse einer noch jungen Vision.

Motorräder der 60er – Honda CB 450

Als Inspiration dienen natürlich auch die USA. Dort wird das Privatleben der Freizeit-Gesellschaft immer prunkvoller, und damit auch den Fuhrpark. Es zählen Stil, Power und Design. Und so fahren neben Heckflossen und tonnenschweren Chromstoßstangen auch Motorräder über die Highways, die weit mehr sind als schlichte Fortbewegungsmittel. Längst sind kräftige Maschinen als Ausdruck von Lebensfreude und Wohlstand im Mainstream angekommen. Pan- und Shovel-Harleys können sich durchaus mit dem Glanz eines Cadillac messen. Die Briten fischen wiederum am anderen Ende des Marktes, überzeugen mit schlanken Scrambler- und Straßenbikes als sportliche Alternative.

Motorräder der 60er – BSA A65 und BSA A75 Rocket

Ein Ruf, den sie sich schon in den 50ern erarbeitet haben. Modelle wie die BSA Rocket-Serie (bis 1963) oder die Bonneville-Baureihe von Triumph (sogar bis 1974) begeistern nicht nur Stil-Ikonen wie Steve McQueen. Während Jugend sowie Bürgerrechtler revoltieren und der Wettkampf ums All entbrennt, entstehen ein paar der legendärsten Motorräder aller Zeiten.

Zu ihnen gehören zweifellos auch die ersten Ausrufezeichen der Japaner. Vor allem die der Firma Honda, deren deutsche Niederlassung 1961 in Hamburg gegründet wird. Die Asiaten werden über das kommende Jahrzehnt regelrecht hinwegfegen. Dabei deutet die CB 450 (ab 1965) mit ihrem fast 10.000 Umdrehungen laufenden Zweizylinder an, was die CB 750 (ab 1969) nochmals untermauert: Die Umbrüche der 1960er stehen für einen wirklichen Paradigmenwechsel.

Fotos BMW AG, Sven Wedemeyer, Ruote da Sogno

Autor: Sven Wedemeyer

Auf einem Bein kann man nicht stehen, weiß der Volksmund. Deshalb schreibt Sven Wedemeyer nicht nur spannende Berichte für Classic Trader oder Lifestyle- und Fachmagazine, sondern blickt als Fotojournalist auch gern durch den Sucher seiner Kamera. Im Fokus hat der Petrol Head vor allem automobile Klassiker und besondere Motorräder // Traum-Klassiker: Bugatti 35B // Aktueller Klassiker: MGB GT V8

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