Kolumne Zeitsprünge | Wilhelm Tell liebt den Aston Martin Vanquish Volante

2013 Aston Martin Vanquish Volante (1)

Seit 100 Jahren gibt es das Haus Aston Martin und die Schweizer lieben die ehrwürdige Marke – gut, dass es mit dem Aston Martin Vanquish Volante und dem V12 Vantage S nun zwei weitere Modelle gibt.

Bei Aston Martin im britischen Gaydon schätzen alle Mitarbeiter die Schweiz, denn kein anderer Markt nimmt – relativ gesehen – so viele Fahrzeuge ab: Rund zehn Prozent der jährlichen Produktion von rund 4.000 Fahrzeuge werden hier ausgeliefert, was die Aston Martin-Verantwortlichen dem guten Geschmack der Schweizer anlasten, während die anderen Märkte eher auf die finanzielle Potenz der Eidgenossen hinweisen. Und 400 Fahrzeuge sind schon eine beachtliche Menge – die müssen erst einmal verkauft werden. Doch das Modellprogramm ist gut und es wird dazu noch in diesen Tagen mit zwei neuen Modellen komplettiert: Dem Aston Martin Vanquish Volante als offener Version des Top-Modells und dem V12 Vantage S als Kraftprotz der „kleinen“ Vantage-Baureihe, unter dessen knapp geschnittener Motorhaube eine nun 573 PS starke V12-Variante wütet, die 328 km/h Höchstgeschwindigkeit und eine Beschleunigung von 3,9 Sekunden auf Tempo 100 bereitstellt. Der Preis für dieses mechanische Kunstwerk – „wir haben hier unseren stärksten Motor in unser kleinstes Modell gesteckt“ – liegt bei lockeren 204.330 Franken, was auch nicht so viel teurer wie ein Porsche turbo ist. Dafür gibt es hier Adrenalin pur, Sound und Straßenhaftung und großes Theater – wem das Wort Extrovertiert nicht zuwider ist, hat hier sein Gefährt gefunden. Übrigens: Man kann mit dem V12 Vantage S auch wunderbar dahingleiten – wir haben es auf amerikanischen Straßen selbst erlebt.

Der Aston Martin Vanquish Volante als offenes Top-Modell

Wer jedoch von Natur aus mehr zum Cruisen neigt und einen souveränen GT für die langen Strecken sucht, ist mit dem Vanquish besser bedient. Hier ist der in Unmengen von Karbon und Leder gehüllte Innenraum deutlich größer und die Sitze haben bei der Bepolsterung von britischen Lederkünstlern das Wort KOMFORT in die wohlriechenden Kuhhäute geflüstert bekommen. Und der 6-Liter-V12 darf hier natürlich auch auf Wunsch röhren, er lässt sich aber auch mittels Knopfdruck zu einem sonoren Brabbeln verleiten, mit dem man auch eine Fahrt von Basel nach Bellinzona beruhigt antritt. Noch entspannter fährt es sich natürlich in dem nun präsentierten Volante, wie die offene Variante bei Aston Martin seit jeher heißt. Nennen wir gleich den Preis von 307.457 Franken, damit dieser Punkt geklärt ist – nehmen wir aber auch zur Kenntnis, dass der Vanquish als Top-Modell das am besten in der Schweiz verkaufte Modell ist.

Natürlich darf man für diesen Basispreis – Marek Reichman, der wunderbare Designchef des Hauses dazu: „Es gibt keine Basismodelle mehr – praktisch jeder Wagen ist heute aufwändig individualisiert.“ – perfekte Verarbeitung, feinste Materialien und ausreichend Temperament erwarten. Und so könnte man mit dem Volante jederzeit offen 295 km/h schnell fahren oder das immerhin 1,8 Tonnen schwere Cabriolet in 4,3 Sekunden auf Tempo 100 wuchten. Jedoch: Man macht es nicht – vielleicht zu Beginn der Fahrt ein oder zwei Mal, dann gewinnt die Lust am Cruisen und der Blick auf die wunderbaren Instrumente, die von Marek Reichman als „Wasserfall“ titulierte Mittelkonsole aus perfekt gearbeitetem Karbon und die üppige Lederpolsterung, die sich in dieser Perfektion eben nur in britischen Fahrzeugen finden lassen.

Diese Lust an der Perfektion ist aber nicht nur im Interieur zu finden, sie lässt sich auch beim Rundgang um dem Aston Martin Vanquish Volante entdecken, denn die Karbonfaser-Karosserie, die Aston Martin hier in Serie liefert, ist nicht nur ästhetisch ein Bjioux, sondern auch von der Perfektion der Verarbeitung ein Meisterstück. Alleine der Kofferraumdeckel mit dem integrierten Spoiler könnte in jedem Designmuseum einen Ehrenplatz erhalten. Und wer sich mit den Details wie Rückspiegel, den Entlüftungsöffnungen der Motorhaube oder dem Frontspoiler näher beschäftigt, entdeckt rasch handwerkliche Meisterstücke, die Funktionalität und Ästhetik perfekt vereinen.

Man wird oft gefragt: Wie ist es denn nun, solche grandiosen GTs zu fahren? Die Antwort darauf ist einfach: Sie geben einem rasch und instinktiv das Gefühl von Souveränität – man will in und mit ihnen gar nicht rasen. Man sitzt in einem Nukleus von Schönheit und Kraft, von Ästhetik und Wohlgeruch, von technischer Perfektion und ein paar lässiger Schwächen wie dem großen Wendekreis und einem zu kleinen Tank. Diese Autos blenden die Außenwelt aus und tragen so zu einem entspannten Fahren bei, von dem jeder Nachwuchs-Vettel in einem hochmotorisierten GTA, GTI oder GTD nur träumen kann. Es sind rollende Kunstwerke, die sowieso zumeist in klimatisierten Garagen stehen – was eigentlich schade ist.

2013 Aston Martin Vanquish Volante (10)


Dieser Text ist erstmal in der Neuen Züricher Zeitung am Sonntag vom 17. November 2013 erschienen.


Fotos Aston Martin Lagonda Limited

Autor: Jürgen Lewandowski

Jürgen Lewandowski schreibt seit mehr als 40 Jahren über Menschen und Autos - und hat mehr als 100 Bücher veröffentlicht. Traumklassiker: Alfa Romeo 8C 2900 Touring Spider und Lancia Rally 037. Eigener Klassiker: Alfa Romeo R.Z. von 1993.

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