Kolumne Zeitsprünge | BMW 325i Cabriolet E36 – Darf es etwas mehr sein?

1993 BMW M3 E36 Cabriolet

Das BMW 325i Cabriolet der Baureihe E36 sieht schon gut aus – aber es kostet auch 65.000 Mark. Ein Bericht aus dem Jahr 1993.

Die Bayerischen Motoren Werke sind derzeit der einzige Automobilhersteller auf der Welt, der Geld verdient – alle der vielgelobten und uns so gerne als leuchtendes Vorbild vorgesetzten Japaner schreiben tiefrote Zahlen, die Amerikaner taumeln von einer negativen Bilanz in die nächste, und wie es bei den Europäern aussieht, kann man den Kurzarbeit-Mitteilungen ablesen.

Ein unerklärliches Wunder? Wohl eher eine Melange aus intelligenter Modellpolitik verbunden mit einem Quäntchen Glück und der Schwäche der Konkurrenten – hätte da nicht ein Stuttgarter Unternehmen beschlossen, den Münchnern zu zeigen, wie man eine große Limousine baut, hätte der 7er wohl sicher einen Teil seiner Klientel eingebüßt: der 5er bietet mit seiner Vielzahl an Modellvarianten für jeden etwas, und der 3er vermittelt seinen Käufern jenes Maß an Eleganz und Agilität, das sie sanft über die gepflegten Preise hinweg tröstet.

Eines der Modelle, mit denen sich BMW diesen Ruf erwarb, war zweifellos das 3er Cabriolet, das entscheidend zur Cabriolet-Renaissance beitrug. Nicht weniger als 145.000 Exemplare verließen seit 1986 die Fließbänder – eine in dieser Höhe nie erwartete Stückzahl, die nicht nur den Image-Tresor polsterte, sondern auch die Kriegskasse auffüllte.

Neuanfang mit dem BMW 325i Cabriolet der Baureihe E36

Doch alles geht einmal zu Ende – und spätestens mit dem Erscheinen der neuen 3er-Reihe wurde klar, dass diese Modellpalette zur Überarbeitung anstand. Mit der Präsentation des zweitürigen Coupés war dann auch die Silhouette des Cabrios zu erahnen – und nun, nach einer ersten, kurzen Begegnung mit dem neuen Cabriolet, muss man den Münchnern einmal mehr konstatieren, dass sie derzeit einfach ein glückliches Händchen haben: das Cabrio sieht offen und geschlossen hinreißend aus. Und mit dem für 4.500 DM teuren (und nur 29 Kilogramm schweren) Hardtop macht und auch im Winter am Polarkreis eine gute Figur.

Zu dieser gelungenen Ästhetik tragen zwei Faktoren entscheidend bei: Erstens liegt die Seitenlinie niedriger als bei dem wichtigsten Konkurrenten aus Ingolstadt – damit haben die Insassen weniger das Gefühl, in einer Sitzkiste zu logieren – und zweitens wirkt das Heck mit seinem spoilerähnlichen, markanten Anschluss maskuliner als sein Pendant von Audi. Dass unter dem (gegenüber dem Coupé) leicht abgesenkten Heck vergleichsweise wenig Kofferraum zur Verfügung steht, ist die Schuld des voll versenkbaren Verdecks, das zudem noch über eine Dachhimmel-Verkleidung verfügt, die Komfort und Ästhetik bringt, dafür aber ihren Platz benötigt.

Der klassische Reihen-Sechszylinder unter der Haube des BMW 325i Cabriolet

Unter der Motorhaube arbeitet zuerst einmal nur ein Triebwerk: der 2,5-Liter-Sechszylinder mit 141 kW (192 PS) Leistung, der dem mittlerweile 1.450 Kilogramm wiegenden Cabriolet zu mehr als ausreichenden Fahrleistungen verhilft – nach 8,6 Sekunden ist die 100 km/h-Grenze erreicht, und die Höchstgeschwindigkeit pendelt sich bei 229 km/h ein. Dass derartige Fahrleistungen heute nicht mehr mit exorbitanten Verbrauchswerten erkauft werden müssen, zeigen die DIN-Werte: 6,8 Liter bleifreies Super bei Tempo 90, 8,3 Liter bei konstant 120 km/h und 12,1 Liter beim Stadtzyklus ergeben einen DIN-Drittelmix-Wert von ordentlichen 9,1 Litern.

Natürlich haben die BMW-Techniker auch an das Thema Sicherheit gedacht: Mit vielen zusätzlichen Versteifungsmaßnahmen (daher auch das höhere Gewicht) bietet das Cabrio praktisch die Sicherheit eines geschlossenen Coupés. Dazu sind Fahrer-Airbag, Gurtstraffer, Seitenaufprallschutz und eine Zentralverriegelung mit Unfall-Automatik (ein Sensor entriegelt bei einem Unfall die Seitentüren und unterbricht die Kraftstoffzufuhr) serienmäßig. Wer dennoch einen starren Sicherheitsbügel vermisst, kann zum Preis von 2.200 Mark ein Überrollsystem ordern, dass sich im Notfall hinter den Rücksitzen hochschiebt und die gesicherte Kopffreiheit vergrößert.

Zwangsläufig hat so viel Technik auch ihren Preis – dennoch erscheint die Summe von glatten 65.000 Mark gegenüber 60.050 Mark beim Vorgänger auf den ersten Blick relativ hoch, zumal ein gut ausgestattetes BMW 325i Cabriolet (elektrisches Verdeck 1.605 Mark, Beifahrer-Airbag unter 1.000 Mark und erst von Herbst an lieferbar, Hardtop usw.) deutlich über die 70.000 Mark-Grenze kommen wird. Aber erstens ist bei den Cabrio-Fans noch immer mehr Geld als bei den anderen Autokäufern vorhanden, zweitens bietet dieser Wagen Eleganz und Leistung im Übermaß, drittens ist die Verdeckmechanik derart perfekt und leicht bedienbar, dass sie auch bei kleinsten Ausführungen zum offen fahren reizt und viertens wird es von 1994 an ja auch die billigeren 318i- und 320i-Cabrio-Varianten geben.


Dieser Text ist erstmals in der Süddeutschen Zeitung Nr. 94 vom 24./25. April 1993 erschienen.


Fotos BMW AG, Movisti

Autor: Jürgen Lewandowski

Jürgen Lewandowski schreibt seit mehr als 40 Jahren über Menschen und Autos - und hat mehr als 100 Bücher veröffentlicht. Traumklassiker: Alfa Romeo 8C 2900 Touring Spider und Lancia Rally 037. Eigener Klassiker: Alfa Romeo R.Z. von 1993.

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