Faszination 60 Jahre Mercedes 300 SL Roadster

Mercedes 300 SL Pebble Beach

Kein Silber, kein schwarz und noch nicht einmal rotes Leder. Der Mercedes 300 SL Roadster, der auf dem Concours d’Elegance von Pebble Beach in diesem August für Aufsehen sorgte, verzauberte selbst diejenigen Autofans, die ansonsten mit dem W 198er nicht viel anfangen können. Der frisch restaurierte Luxusroadster aus Bremer Produktion ist keiner wie jeder andere. Die Kombination aus blaugrauem Außenlack (Farbcode 166) und mittelblauem Leder (Farbcode 333) dürfte zusammen mit dem blauen Stoffdach und perfektem Chromfinish einzigartig sein.
Pebble Beach, eine an sich weitgehend unscheinbare Landzunge zwischen Carmel und dem ehemaligen Fischkonservenmekka Monterey gelegen, ist seit Jahrzehnten eine Insel der Glückseligkeit. Das gilt mehr denn je in der dritten Woche des Monats August. Hier treffen sich die Fans automobiler Hochkultur und machen die Monterey Carweek zum spektakulärsten Autoevent des Jahres. Millionenschwere Klassiker vom polarisierenden Ferrari 250 GT Boano über grandiose Vorkriegs-Packards und elegante Isotta Francininis bis hin zu elitären Limousinen von Voisin und Delage tuckern unter dem wachen Auge von Eigentümern und den jeweiligen Serviceteams im Schritttempo über den heiligen Rasen, der hier und jetzt das Glück der automobilen Welt bedeutet.

 „Zum Geburtstag wollten wir ein besonderes Fahrzeug nach Pebble Beach bringen“

Viele Sammler warten seit Jahren, ehe das Schmuckstück des hauseigenen Fuhrparks zum Concours d’Elegance zugelassen wurde. Auch in diesem Jahr im Feld der exklusiven Preziosen: Einige seltene Klassiker aus dem Hause Mercedes-Benz. Besonders spektakulär ist der Mercedes-Benz 300 SL Roadster aus dem Jahre 1957, der in Pebble Beach stilechter denn je seinen 60. Geburtstag feiert. „Zum Geburtstag wollten wir ein besonderes Fahrzeug nach Pebble Beach bringen“, erläutert Patrik Gottwick, Leiter des Fahrzeughandels ALL TIME STARS von Mercedes-Benz Classic, „nach einem sicherlich aufregendem Leben und einigen Vorbesitzern hat es dieser 300 SL einfach verdient, am Concours d’Elegance teilzunehmen.“
Es ist kalt an diesem Samstagmorgen im August; zumindest kühl weht es vom Pazifik herüber. Um kurz nach sieben Uhr in der Früh brabbelt der Reihensechszylinder untertourig im bassigen Gleichklang vor sich hin ohne das rauschende Meer zu übertönen. Das Chrom des Innenraums strahlt mit dem Gesicht des Piloten um Innenspiegel um die Wette. Mag es gerade einen perfekteren Platz zum Autofahren geben? Nicht in diesem Universum.

Beim Mercedes 300 SL träumen sich viele hinter das wollweiße Bakelitsteuer eines Flügeltürers. So grandios der Flügeltürer war, ist und immer sein wird, so beeindruckend seine Rennerfolge noch heute im Gedächtnis strahlen – wer einmal in einem Roadster gleichen Typs die Seele hat baumeln lassen, der wird sich daran bis an sein Lebensende besinnen.
Der blaugraue Mercedes 300 SL Roadster, einer von 1.858 gebauten Exemplaren, hat eine bunte Historie hinter sich. „Es handelt sich um einen 1957er, der tatsächlich vor 60 Jahren gebaut wurde. Wenn auch erst 1958 ausgeliefert“, sagt Klassikexperte Patrik Gottwik. Produziert im Herbst 1957 verließ er das Bremer Werk am 10. Januar 1958 Richtung USA. Die große Reise endete 2014 schließlich in Griechenland, wo das Mercedes-Benz Classic Center auf ihn aufmerksam wurde. In blassem Silber und mäßigem Zustand ging es zurück nach Stuttgart, wo sich die Restaurierung schwerer als zunächst erwartet gestaltete. Das Ziel, mit eben diesem Mercedes 300 SL Roadster im Originalzustand am alljährlichen Höhepunkt der Klassiksaison, dem Concours d’Elegance von Pebble Beach des Jahres 2017 teilzunehmen, kam schneller als erwartet.

Harte Zeiten für das 14köpfge Werkstattteam im Mercedes-Benz Classic Center und jede Menge Aufregung bei seinem Leiter Klaus Reichert, der im Wochenrhythmus Wasserstandsmeldungen zu seinem Kollegen Patrik Gottwik, Leiter des Fahrzeughandels Classic funkte. Ende Juli gab es schließlich das lang erwartete grüne Licht für den blaugrauen Star. Die Restaurierung des 300 SL Roadsters mit der Fahrgestellnummer 198042-7500620 war geschafft. Schnell auf den Transporter, dann in den Flieger und ab ins sonnige Kalifornien.
„Eine komplette Werksrestaurierung kostet rund 500.000 Euro und dauert zwei Jahre. Ein Flügeltürer liegt schnell bei 650.000 Euro oder mehr“, erklärt Classic-Center-Projektleiter Andreas Häberle, „man könnte das auch in etwas mehr als einem Jahr durchboxen, aber wenn es perfekt sein soll, braucht es mit Rohkarosse und allem Drum und Dran eben einfach seine Zeit.“

Der Concours d’Elegance von Pebble Beach ist der Höhepunkt des internationalen Klassikkalenders

Nirgends auf der Welt gibt es Oldtimer zu sehen, die einzigartiger, spektakulärer und teurer sind als während der Monterey Autoweek, die mit dem Concours d’Elegance von Pebble Beach seinen rauschenden Abschluss feiert. Bereits bei der Tour d’Elegance auf dem 17-Mile-Drive glänzte der offene 300er, ehe bei der großen Parade in Carmel die Kameras klickten. Auf dem Szenetreff Legends of Autobahn gab es umringt von sehenswerten Mercedes-, BMW- und Audi-Modellen von gestern den ersten Preis für das frisch restaurierte Geburtstagskind.
Doch was interessieren einen applaudierende Fans und anerkennende Juroren, wenn man sich mit geöffnetem Dach und heruntergelassenen Scheiben selbst den Wind durch die Mähne brausen lassen kann? Ein Blick auf die mechanisch tickende Analoguhr und das griffige Leder, das in sattem mittelblau mit dem internen Farbcode 333 bespannt ist. Kein Gedanke, das Radio zu entfachen oder den Gang zu wechseln, denn der Reihensechszylinder mit seinen 158 kW / 215 PS lässt sich im dritten Gang aufreizend langsam bewegen – 275 Nm maximalem Drehmoment sei Dank. Beim Einfahren auf eine der exklusivsten Landzungen der Welt reckt der Sicherheitsmann den Daumen hoch, ohne auch nur einen Blick in sein Gästebuch zu werfen oder die fehlende Einfahrplakette am Kühlergrill zu kontrollieren.

Der Concours d’Elegance von Pebble Beach ist der Höhepunkt des internationalen Klassikkalenders. Dass es beim Concours d’Elegance letztlich nicht zum Sieg in der Königsdisziplin reichte, lässt sich für den Mercedes 300 SL Roadster verschmerzen. Den holte in diesem Jahr der Mercedes-Benz S Barker Tourer von 1929, dessen blau-verchromtes Blechkleid die Juroren noch etwas mehr als das des blaugrauen 300 SL Roadsters begeisterte.

Doch nur das frisch restaurierte Geburtstagskind steht direkt nach der Monterey Autoweek zum Verkauf bei All Time Stars von Mercedes-Benz Classic, der Gebrauchtwagenbörse der besonderen Art. Die ersten Interessenten scharrten bereits in Monterey mit den Hufen. Unter dem Namen „ALL TIME STARS“ betreibt Mercedes-Benz Classic einen Handel mit Youngtimern und Oldtimern der Marke. Die Fahrzeuge können direkt im Showroom im Mercedes-Benz Museum besichtigt und gekauft werden.

Text & Bilder // Mercedes-Benz Museum GmbH

Autor: Classic Trader

Die Classic Trader Redaktion besteht aus Oldtimer-Enthusiasten, die Euch mit spannenden Geschichten versorgen. Kaufberatungen, unsere Traum Klassiker, Händlerportraits und Erfahrungsberichte von Messen, Rallyes und Events. #drivenbydesire

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