Buchtipp | Trabi Love: Blütezeit – Ein Trabi in Westfalen

Trabi Love Bluetezeit Trabant (5)

16 Jahre hat er in einer dunklen Scheune gestanden, dann wurde er wiederentdeckt und mühevoll restauriert. Was all das mit einer wunderbaren Begegnung und den vielen Obstbäumen zu tun hat, verrät die Geschichte dieses gelben Trabis aus Trabi Love.

Kurz vor Mitternacht, die Geburtstagsparty ist in vollem Gange, die Stimmung ausgelassen fröhlich. Das emotionale Highlight: ein Trabi, der ganz plötzlich als unerwarteter Gast aus der Dunkelheit auftaucht – und doch sofort alles erstrahlt, was ihn umgibt. Es ist ein besonderer, spezieller Moment. Was folgt, ist ein einziges Funkeln in den Augen des Geburtstagskindes. So unerwartet und doch so sehr gewünscht hatte er es sich, dieses Auto irgendwann einmal sein Eigen nennen zu dürfen.

Das erste Aufeinandertreffen von Simon Avenwedde und seinem Trabant lässt sich wohl mit einem Wort am besten beschreiben: Zufallsbegegnung. Denn dass Auto und Mensch in diesem Fall zusammengefunden haben, war keineswegs geplant, sondern bedingt durch die tägliche Arbeit. Und doch entstand sofort eine emotionale Bindung zum Trabi. Der 28-Jährige ist gelernter Gärtner mit Fachrichtung Obstbaumschnitt und arbeitet in einem Bielefelder Obstarboretum, was so viel wie »Sammlung« heißt. Unter anderem bietet der Drei-Personen-Betrieb mit eigenem Hofladen Baumschnitt als Dienstleistung an – so auch an jenem Sommertag im Jahr 2018, als Avenwedde seinen Trabant im ostwestfälischen Rietberg entdeckte: »Wir fuhren zum Bäumeschneiden auf einen ländlichen Hof, wo ich nach der Arbeit plötzlich drei Trabis in einer Scheune stehen sah. Man erzählte mir, dass sie nicht mehr gefahren werden und zum Verkauf stehen. Sie haben mich fasziniert und besondere Emotionen in mir hervorgerufen, ich wollte einen davon haben«, erinnert er sich zurück.

Trabi Love Bluetezeit Trabant (4)

Trabi Love – Von Zwickau nach Westfalen

Als erste Reaktion erntete er die überraschten Blicke seines Kollegen, der ihn fragte, was er denn mit diesem Auto überhaupt machen will. 16 Jahre stand der Trabant still und wurde keinen Meter bewegt, entsprechend heruntergekommen und verstaubt sah er aus – fahrbereit war er nicht. „Ich wollte etwas über Autos lernen“, begründet der gebürtige Bielefelder, der mit seiner Familie in Halle/Westfalen lebt, seine Wahl. Und doch war es eine Art von Liebe zum Auto. Dieser Begriff ist so vielschichtig, dass er nicht genau definierbar ist.

Und genau das ist die Magie, die Trabi Love mit sich bringt – wie in diesem Fall. Aber nicht er selbst war es, der den 35 Jahre alten Trabant in seinen Besitz gebracht hat, sondern seine Freunde und Bekannten, die ihm das Auto zum Geburtstag überreichten. „Wir haben abends gegrillt, und pünktlich um 0:00 Uhr kam der Trabi plötzlich auf einem Anhänger auf unseren Hof gefahren. Das war schon eine tolle und zugleich unerwartete, aber dadurch sehr emotionale Aktion“, schmunzelt er.

Das Schöne am Trabi sei, dass man alle Arten von Reparaturen einfach und selbst durchführen könne und es noch zahlreiche Ersatzteile gibt. In vielen Foren kann man sich über Reparaturen informieren, sich Tipps und Tricks holen und mit anderen Trabi-Fahrern Informationen über die Fahrzeuge austauschen. Es mache vor allem deshalb so großen Spaß, an dem Auto zu arbeiten, weil man vorankommt und Fortschritte macht – und das motiviert. Es entsteht eine emotionale Freundschaft, eine spezielle Bindung zwischen Auto und Mensch. Das ist besonders beim Trabi, der eine so weitreichende Geschichte zu erzählen hat, zu spüren.

Trabi Love – Mehr braucht es nicht

Gibt es ein Erlebnis in Verbindung mit dem Auto, das Simon Avenwedde besonders in Erinnerung geblieben ist? Während der Reparaturarbeiten am Kotflügel hat er beim Abnehmen der Innenverkleidung eine Westmark unter den Blechen entdeckt, die jetzt als Glücksbringer auf dem Armaturenbrett zu finden ist. Zufall eben, wie auch die erste Begegnung der beiden. Seit der Instandsetzung 2018 wurden unter anderem einige Schweißarbeiten vorgenommen, und der Trabi wurde eigenhändig umlackiert. Aus der delfingrauen Originallackierung wurde ein Trabant in Champagnerbeige, auch Senfgelb genannt. Ganz fertig ist er aber noch nicht: „Ein paar Arbeiten an den Türen und am Innenraum nehme ich derzeit noch vor. Das kommt alles nach und nach, immer wenn ich Zeit habe“, sagt der 28-Jährige. Ansonsten ist das 1985 gebaute Fahrzeug im Originalzustand. Doch für Simon Avenwedde ist der Trabi kein Schmuckstück, sondern ein Auto für den Alltag. „Ich vermisse nichts an dem Fahrzeug, der Trabi hat alles, was man braucht“, stellt er fest. Es sei entspannt, Trabi zu fahren, man habe keinen großen Schnickschnack, sondern nur das Nötigste und könne sich voll und ganz auf das Fahren konzentrieren, meint Avenwedde.

Vorher hatte er einen Ford, Baujahr 1999, mit Klimaanlage, Radio und Airbag – der Trabi hat das alles zwar nicht, aber das ist egal. Manchmal vergesse er sogar, dass er Trabi fährt, sagt er und lacht dabei. Ihn fasziniert die Zugänglichkeit, die Einfachheit, die Aura, die dieser ausstrahlt. Das Kultauto fällt auch heute noch auf, oft richten sich die Blicke auf den kleinen gelben Zweitakter mit dem sympathischen Gesicht – zum Beispiel, wenn er seinen dreijährigen Sohn damit zum Kindergarten fährt. So ein Auto sehe man ja nicht mehr oft, sagen ihm einige Leute. Die Menschen freuen sich, wenn sie einen Trabi sehen. Und das freut ihn. Sein selbst erlangtes Wissen über Fahrzeug und Technik kann er auch einsetzen, um zum Beispiel Freunden zu helfen: „Wenn jemand zu mir kommt und sagt, er habe ein Problem mit seinem Auto, kann ich oft aus eigener Erfahrung Tipps geben, woran es liegen könnte. Das sind oft Dinge, die ich mir erschließen kann, weil ich so etwas oder ein ähnliches Problem auch schon mal hatte. Man lernt mit der Zeit immer mehr dazu und kann das an andere weitergeben. Das ist eine schöne Sache“, meint Avenwedde. Der Trabi sei ein Auto, das leicht zu verstehen ist und bei dem man sich die technischen Strukturen gut aneignen kann. Mehr als eine einfach gestrickte, kurze Bedienungsanleitung gibt es nicht – ganz im Gegensatz zu modernen Autos, bei denen hinter vielen Bauteilen hochkomplexe Technik steckt, die für den normalen Schrauber kaum mehr zugänglich ist.

Der Haller besitzt neben seinem restaurierten Trabi auch noch einen zweiten Wagen dieser Gattung: „Der zweite Trabi ist sozusagen mein Ersatzteillager, auf das ich zugreifen kann, wenn mir etwas fehlt oder ich ein Teil ersetzen muss. Mein Sohn freut sich immer, wenn er in dem Auto spielen kann. Da bricht dann auch manchmal was ab, aber ihm macht es großen Spaß“, erzählt er und lacht. Der Trabi ist ein Auto, das Generationen verbindet. Und eines, das Geschichte erzählt.

Ob er mit dem Trabi auch zur Arbeit fährt? Zum Baumschnitt nicht, denn da braucht man meistens eine Leiter – also wird lieber ein geräumigeres Fahrzeug, zum Beispiel ein Bulli, gewählt. Der Trabi wartet ruhig auf dem Hof und bekommt eine Auszeit, bis die Arbeit erledigt ist.

Auf dem Arboretum gibt es über 400 verschiedene Apfelsorten, zudem mehrere Kirsch- und Pflaumenarten. Über 500 Bäume stehen auf dem Gelände, dessen Fläche circa einen Hektar misst. Die Hauptschnittsaison ist Winter, im Herbst wird geerntet. Und im Sommer? Da werden alle Arbeiten erledigt, die sonst liegen geblieben sind: Reparaturen aller Art, Hecken schneiden, Wiesen mähen – oder einfach Urlaub machen, denn dafür bleibt in den anderen Jahreszeiten wenig Zeit.

Hat der gelernte Gärtner in seinem Fachgebiet eigentlich einen Lieblingsobstbaum? Es sei besonders bei Äpfeln schwierig, eine Sorte festzulegen, da alle eine andere Reifephase haben und es somit nie ganzjährig einen Favoriten gibt. Aber Grevensteiner sei einer der besten, mit einem tollen Aroma, sagt er. Bald will Simon Avenwedde an den Ort zurückkehren, an dem er seinem Trabi erstmals begegnet ist. Dann wird es ein emotionales Wiedersehen geben – mit dem Vorbesitzer des Autos und mit der Vergangenheit. Er will dort das Ergebnis seiner Arbeit zeigen, denn seit seiner Wiederentdeckung vor einem Jahr hat sich der kleine gelbe Wagen ganz schön verändert. Aus Delfingrau wurde Champagnerbeige, aus einem Scheunenfund wurde ein funkelnder Trabant. Er ist regelrecht aufgeblüht.


„Blütezeit“ ist im Buch „Trabi Love“ von Thorsten Elbrigmann bei Delius Klasing erschienen. Zahlreiche weitere spannende, abwechslungsreiche und nicht zuletzt emotionale Geschichte aus aller Welt finden sich in diesem Bilder- und Geschichtenbuch zum Lesen, Lachen und Träumen für jeden Trabi-Fan.

Thorsten Elbrigmann: Trabi Love, Delius Klasing, Bielefeld 2019

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1. Auflage 2019
ISBN 978-3-667-11696-3

Trabi Love ist im Buchhandel Ihres Vertrauens oder direkt bei Delius Klasing verfügbar.


Text Thorsten Doerk Fotos Maik Schröder

Autor: Delius Klasing

Delius Klasing zählt zu den führenden Special Interest-Verlagen Europas. 1911 in Berlin gegründet, blickt man am heutigen Unternehmenssitz Bielefeld auf mehr als ein Jahrhundert Verlagsgeschichte zurück. Das Programm umfasst etwa 1300 lieferbare Buchtitel, jährlich kommen etwa 120 Neuerscheinungen hinzu.

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