Alter Adel – Limousinen der 70er Jahre

Die 70er bringen ordentlich Bewegung in die Welt der Oberklasse-Limousinen. Mercedes-Benz lanciert mit dem W 116 mehr als nur erstmals den Namen S-Klasse, Opel verabschiedet sich vorerst mit dem Kapitän/Admiral/Diplomat B aus der Oberklasse und Jaguar bleibt sich mit dem XJ Serie 2 treu. Ein Blick auf drei Limousinen der 70er.

Der Kauf einer Oberklasse-Limousine ist für die meist solventen Interessenten eher eine Geschmacks- und Detailfrage. Möchte man eher sehr luxuriös unterwegs sein, lieber Understatement oder nach außen getragene Sportlichkeit, lieber innovativ oder klassisch?

Aber 1970 ändert sich der Markt zunehmend. Während zuvor Marken gerne in ihren Nischen blieben, öffnen sich Hersteller für ein breiter aufgestelltes Portfolio. Nicht immer gelingen der Einstieg in eine neue Klasse oder der neue Anstrich, den man dem Markenimage verpassen möchte. Es gibt sie aber, diejenigen Marken, die auf unterschiedlichen Wegen die Limousinen der 70er in der Oberklasse definieren.

Limousinen der 70er Jahre | Mercedes-Benz S-Klasse (W 116) | 1972-1980

Limousinen der 70er 1979 Mercedes-Benz 350 SE S-Klasse W 116 (31)

Der Neue

Mercedes-Benz steht seit Anbeginn für die automobile Oberklasse, seit 1972 auch mit neuem Namen: S-Klasse. Gerade in der Abgrenzung gegenüber den kleineren Modellreihen wie der E- und später der C-Klasse sieht es das Management um den Vorstandsvorsitzenden Joachim Zahn als geboten an, die Oberklasse mit dem Titel der „Sonder-“ oder „Spezialklasse“ zu versehen.

Die Baureihe 116 löst die Typen W 108/109 ab und umfasst zunächst die Varianten 280 S, 280 SE und 350 SE. In 280 S und 280 SE kommt der Reihen-Sechszylindermotor M 110 mit zwei oben liegenden Nockenwellen zum Einsatz, der zuvor in der Baureihe W 114 debütiert hat. Der 350 SE wird vom V8-Motor M 116 angetrieben, ein halbes Jahr später folgt der 450 SE mit dem hubraumstärkeren 4,5-Liter-V8-Motor M 117. 1973 erscheinen auch die Typen 450 SEL und 350 SEL mit einem um 100 Millimeter verlängerten Radstand zum Wohle der Passagiere im Fond. Ab April 1974 ist auch 280 SEL als verlängerte Version erhältlich.

Das Topmodell und der Sparfuchs

Zwei Modelle in der 116er-Familie stechen besonders hervor. An der Spitze ab Mai 1975 der 450 SEL 6.9 als legitimer Nachfolger des 300 SEL 6.3 (W 109).

Der leistungsstarke 6,9-Liter-V8-Motor, weiterentwickelt aus dem bewährten 6,3-Liter-Aggregat des Vorgängers, erreicht eine Leistung von 210 kW/286 PS und ein maximales Drehmoment von 549 Newtonmeter. Höchsten Fahrkomfort gewährleistet die erstmals bei einem Mercedes-Benz PKW eingesetzte hydropneumatische Federung mit Niveauregulierung. Wie sein direkter Vorgänger ist der 450 SEL 6.9 auf Anhieb erfolgreich: Obwohl er mehr als doppelt so teuer ist wie ein Typ 350 SE, werden in der viereinhalbjährigen Produktionszeit 7.380 Exemplare gebaut.

Am anderen, unteren Ende des Spektrums tritt ab 1978 der 300 SD in Erscheinung. Als Reaktion auf die neuen US-Bestimmungen, die den Flottenverbrauch einer Marke begrenzen, sind sparsame Dieselmotoren notwendig.

Als erster Dieselmotor in dieser Fahrzeugklasse erhält der 3,0-Liter-Fünfzylinder aus dem Mittelklasse-Typ 240 D 3.0 einen Abgasturbolader, der die Leistung auf 85 kW/115 PS steigert. Diese Variante ist nur in den USA und Kanada erhältlich.

Innovationen mit Sicherheit

Die Baureihe 116 ist gespickt mit zahlreichen Innovationen, vor allem auf dem traditionellen Mercedes-Gebiet der Sicherheit. Ab 1978 ist das gemeinsam mit Bosch entwickelte Anti-Blockier-System ABS, das die uneingeschränkte Lenkfähigkeit des Fahrzeugs auch bei einer Vollbremsung garantiert, erhältlich. Heute in jedem Auto jeglicher Klasse üblich, bei der Markteinführung war das ABS seinerzeit eine echte Sensation.

Auch hinsichtlich der passiven Sicherheit markiert die S-Klasse mit ihrem integralen Sicherheitskonzept den Stand der Technik bei den Limousinen der 70er Jahre: So befindet sich der Kraftstofftank nun kollisionsgeschützt über der Hinterachse eingebaut; im Innenraum sorgen stark gepolsterte und deformierbare Elemente im Cockpit sowie ein Vierspeichen-Sicherheitslenkrad mit Pralltopf für größtmöglichen Aufprallschutz.

Wichtigste Verbesserung im Vergleich zur Vorgänger-Baureihe ist jedoch die noch stabilere Sicherheits-Fahrgastzelle mit versteifter Dachrahmen-Struktur, hochfesten Dachpfosten und Türsäulen sowie verstärkten Türen. Die Energieabsorption der vorderen und hinteren Knautschzone wird durch kontrollierte Deformationsfähigkeit von Vorbau und Heckbereich deutlich erhöht.

Die Baureihe 116 ist ein großer Erfolg für Mercedes-Benz. Insgesamt 473.035 gebaute Exemplare laufen in Sindelfingen vom Band. Die erfolgreichste Variante ist der 280 SE mit 150.593 gebauten Limousinen, während der Typ 350 SEL mit 4.266 Fahrzeugen am seltensten gewählt wird. Der für den nordamerikanischen Markt gebaute 300 SD wird insgesamt 28.634-mal verkauft.

Limousinen der 70er Jahre | Jaguar XJ Serie 2 | 1973–1979

Limousinen der 70er 1974 Jaguar XJ 12 (9)

Der Klassiker

Britischen Herstellern wird rein äußerlich ein wenig der Hang zur Tradition unterstellt. Nicht ganz zu Unrecht, wenn man sich die Limousinen von Rolls-Royce oder Bentley beispielsweise quer über die Jahrzehnte ansieht. Auch Jaguar bildet keine Ausnahme, wenn man sich die Oberklasselimousine XJ ansieht.

1966 kommt die erste Serie des XJ auf den Markt als letztes Modell, das von Firmengründer Sir William Lyons entwickelt wurde. Die grundsätzliche äußere Gestaltung bleibt bis zur Generation X350, die 2009 ausläuft, ähnlich.

Nun ist es kein Malus, an Gutem, Bewährtem festzuhalten. Porsche hält schließlich auch seit Jahrzehnten an den 911-Grundproportionen fest, Maserati an der analogen Uhr in der Mittelkonsole. Vielmehr lohnt es sich nachzuvollziehen, warum sich diese Dinge so sehr gehalten haben.

Beim Jaguar XJ muss man konstatieren, dass Sir William Lyons ein letzter großer Wurf gelungen ist. Die Linienführung ist klassisch und zeitlos, sportlich und elegant. Geduckt steht die Serie 2 da, wie zum Sprung bereit. Die im Vergleich zur ersten Serie etwas nach oben verlagerte Stoßstange ist den neuen Sicherheitsbestimmungen in den USA geschuldet, die sich auch bei anderen Limousinen der 70er auswirkte.

Die Kraft der zwölf Zylinder

Als Motorisierung stehen zwei Sechszylinder und ein Zwölfzylinder zur Wahl. Der kleinste Motor mit 2,8 Litern Hubraum ist allerdings nur in wenigen Exportmärkten verfügbar, die meisten Fahrzeuge werden wahlweise mit dem 4,2 Liter Reihensechszylinder oder dem V12-Motor mit 5,3 Liter Hubraum gebaut und verkauft.

Beim Sechszylinder hat der Kunde noch die Wahl zwischen kurzem oder längeren Radstand, während die Zwölfzylinder nur mit dem langen Radstand erhältlich sind.

Der kleine Sechszylinder ist mit seinen 104 kW/142 PS zugegeben etwas schwach auf der Brust, um das mehr als 1,5 Tonnen schwere Fahrzeug dynamisch zu bewegen, aber schon der 1975 zusätzlich eingeführte 3,4 Liter-Motor mit knapp 20 PS mehr schaffte Abhilfe.

Bestenfalls konnte man sich ohnehin den V12 leisten, mit den 211 kW/287 PS wurde die dann fast zwei Tonnen schwere Limousine beim Tritt aufs Gaspedal recht leicht.

Von den etwas mehr als 90.000 gebauten XJ-Modellen der zweiten Serie waren allerdings nur knapp 14.000 mit dem Zwölfzylindermotor ausgestattet. Auf dem deutschen Markt ist der XJ 12 übrigens für lange Zeit das einzig erhältliche Auto mit Zwölfzylinder. Erst 1987 kam mit dem BMW 750i (E32) Konkurrenz auf den Markt, Mercedes-Benz ließ sich gar bis 1991 im 600er der Baureihe 140 Zeit.

Limousinen der 70er Jahre | Opel Kapitän/Admiral/Diplomat B | 1969–1977

Limousinen der 70er 1970 Opel Admiral 2.8 S (4)

Der Traditionelle

Während man in Bezug auf die Limousinen der 70er Jahre in Stuttgart Neues erschafft und in Coventry Bewährtes weiterentwickelt, schließt sich in Rüsselsheim vorerst ein Kapitel. Mit dem Kapitän, Admiral und Diplomat B – kurz KAD B – endet nach landläufiger Meinung vorerst die Oberklasse-Historie bei Opel.

Eingefleischte Opelianer werden sicher protestieren und nicht ganz zu Unrecht den Senator sowie dessen Coupé-Schwestermodell Monza anführen. Aber selbst sie werden vermutlich auch eingestehen, dass der Senator eher gegen Fahrzeuge der oberen Mittelklasse wie die Mercedes-Benz E-Klasse oder den 5er BMW angetreten ist.

Die drei Modelle Kapitän, Admiral und Diplomat B teilen sich wie schon bei der Vorgängergeneration die gleiche Karosserieform, daher werden die drei auch unter KAD zusammengefasst. Die unterschiedlichen Namen charakterisieren die verschiedenen Ausstattungsvarianten, wobei der Kapitän die einfachste Ausstattung bereithält.

Dass sich Oberklasse und Buchhalterausstattung nicht so recht vertragen, muss Opel recht schnell erkennen und schon 1970, im zweiten Jahr der Produktion, wird der Kapitän wieder eingestellt.

Der 2,8 Liter Reihensechszylinder mit seinen 97 kW/132 PS oder mit einem zweiten Vergaser 107 kW/145 PS Leistung, vor allem aber seiner mäßigen Ausstattung haben einen schweren Stand auf der Straße und im Showroom.

Rückblickend für das Überholprestige vielleicht auch nur so mäßig clever, äußerlich und namentlich nach außen zu transportieren, welche Leistungs- und Ausstattungsstufe gerade hinter einem auf der Autobahn auftaucht.

Im Rang über dem Kapitän steht bei Opel der Admiral. Neben einer besseren Ausstattung ist der Admiral B auch mit 121 kW/165 PS durch Einsatz der D-Jetronic von Bosch auf Wunsch stärker motorisiert.

Opels Top-Diplomat

Über den beiden angesiedelt ist das Topmodell, der Diplomat. Er ist ebenfalls mit dem 121 kW/165 PS starken Sechszylinder lieferbar, aber eben auch – der US-Verwandtschaft sei Dank – mit einem V8-Motor aus dem Hause Chevrolet. Das 5,4 Liter-Aggregat erzeugt 169 kw/230 PS, die an die Hinterräder angeben werden.

Die Serien- und Sonderausstattungen sind im Diplomat der Oberklasse mehr als würdig. Serienmäßig sind unter anderem das Automatikgetriebe und Servolenkung, auf Wunsch sind nahezu alle Annehmlichkeiten wie elektrische Fensterheber, Klimaanlage oder Schiebedach erhältlich.

Auch wenn der Diplomat B technisch durchaus hochwertig und den Konkurrenten ebenbürtig ist – preislich sogar mehr als 30 Prozent unter einem vergleichbaren Mercedes liegt, verliert er immer mehr an Boden gegenüber den Wettbewerbern. Das liegt gewiss etwas am amerikanischen Einfluss auf das Fahrzeug, der sich eben doch nicht in der Gunst eins zu eins auf den deutschen Automobilgeschmack übertragen lässt. Vor allem liegt es aber an der Erstarkung der deutschen Konkurrenz. Das Renommee, ab 1972 eine S-Klasse W 116 oder ab 1977 einen BMW 7er E23 fahren zu können, lässt viele potentielle Käufer eher nach Süden blicken.

Spätestens die Ölkrise 1973 besiegelte der KAD B-Reihe und im speziellen dem Diplomat V8 das schleichende Aus. Mit deutlich sinkenden Produktionszahlen wird die Reihe noch bis 1977 weitergebaut, die ruhmreichen Zeiten der Opel-Oberklasse sollten aber nie wieder erreicht werden.

Fotos Daimler AG, Jaguar Land Rover Deutschland GmbH, Opel Automobile GmbH

Autor: Paolo Ollig

Paolo Ollig schreibt als Chefredakteur regelmäßig über alle Raritäten und Meilensteine der Automobil- und Motorrad-Geschichte. Traum-Klassiker: Lamborghini Countach und Mercedes-Benz 300 SL. Eigener Klassiker: Mercedes-Benz 230 CE (W123) von 1981.

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