Kolumne Zeitsprünge | Saab 9-5 – Zurück zu alten Stärken

1998 Saab 9-5 2.0 t (10)

Saab war schon immer die etwas andere Automarke. Mit dem neuen Saab 9-5 runden die Schweden nun ihre aktuelle Modellpalette nach oben hin ab.

Road & Track, die Bibel aller amerikanischer Autofahrer, schrieb einmal, ein Saab sei das richtige Auto für den Mann, der sein täglich Brot hinter dem Steuerknüppel eines Jumbo-Jets verdiene. Mit dieser etwas ungewöhnlichen Charakterisierung wollte uns die Redaktion folgendes sagen: Als Besitzer eines Saab bist Du Mitglied eines exklusiven Zirkels, der Qualität und Rarität zu schätzen weiß. Doch genau diese Exklusivität ist es auch, die Saab-Verkäufer zuweilen in Verzweiflung stürzt. Denn sie würden doch liebend gerne mehr Exemplare ihrer schwedischen Edelmarke unters Volk bringen.

Nun ist Saab vor einigen Jahren in den Besitz von General Motors gelangt, was – wie viele dieser Übernahmen von Kleinen durch Große – seine Vor- und seine Nachteile hat. Die Vorteile sind klar: Mit dem US-Geld können neuen Modellreihen entwickelt werden. Daneben sorgen aber die neuen Herren dann auch für Modelle, die der Philosophie des Andersseins, der Nischenexistenz – der Exklusivität eben – nicht mehr folgen. Auch nachdem GM den Autozwerg Saab übernommen hatte, schienen diese Ängste gerechtfertigt, denn der Saab 900 geriet durch diverse Maßnahmen zur Modellpflege doch letztlich etwas zu amerikanisch.

Mit dem Saab 9-5 zurück zu alten Tugenden

Mit dem neuen Saab 9-5 scheinen die Schweden nun wieder zu den angestammten Tugenden zurückgefunden zu haben – eine Rückbesinnung, die sich schon an dem Design zeigt, das den 9-5 auf den ersten Blick hin als klassischen Vertreter seines Hauses erscheinen läßt.

Unter der Saab-typischen Karosserie, die einen guten Cw-Wert von 0.29 besitzt, verbirgt sich ein luxuriöses Interieur. Saab ist ja traditionell dafür bekannt, auf Komfort und auf Ergonomie besonderen Wert zu legen. So gehören etwa die Sitze des 9-5 zu den besten dieser Klasse. Sie vereinen Komfort und Ergonomie und sehen dabei auch noch gut aus.

Echt Saab ist zudem das komplett ausgestattete Armaturenbrett, das sich in einem leicht Halbkreis um den Fahrer herumwölbt. Typisch auch, dass sich die Insassen im 9-5 trotz des reichlich zur Verfügung stehenden Platzes von der Karosserie umfangen fühlen – aber diese subjektiv empfundene Enge gehörte bei diesem Haus ja schon immer mit zum Lieferprogramm.

Unter der Motorhaube arbeiten je nach Wunsch drei neue Turbotriebwerke, zwei Vier- und ein Sechszylinder. Die Leistung beträgt beim 2-Liter-Motor 110 kW (150 PS), während die 2,3-Liter-Variante 125 kW (170 PS) hergibt. Damit liegen die Höchstgeschwindigkeiten bei 215 oder bei 225 km/h – für den Spurt von Null auf 100 km/h werden 9,8 beziehungsweise 8,7 Sekunden benötigt.

Die 235 km/h schnelle Top-Version verfügt über einen völlig neu entwickelten 3,0-Liter-Sechszylinder mit einem asymetrischen Turbolader, der 147 kW leistet, das sind glatte 200 PS. Unter asymetrisch darf man in diesem Fall verstehen, dass der Turbolader von den Abgasen der drei vorderen Zylinder des quer eingebauten Motors angetrieben wird, aber alle sechs Zylinder mit einem leichten Druck von nur 0,25 bar bedient.

Um die Charakterisierung dieses Sechszylinders besser zu verstehen, sollte man noch wissen, dass dieser Vierventiler sein maximales Drehmoment von 310 Nm bereits bei 2.100/min abgibt, weshalb Saab beschlossen hat, diese Version nur mit einer Viergangautomatik auszustatten. Ein entspanntes Dahingleiten wird so zum Charakteristikum dieses Wagens. Und auch ein für Turbo-Motoren relativ niedriger Verbrauchswert von neun bis 13 Litern.

Die Wahl zwischen Vier- und Sechszylinder beim Saab 9-5

Dafür dass bei einer Kaufüberlegung der 3-Liter-Sechszylinder favorisiert werden sollte, sprechen einige Gründe. Einmal ist es der Fahrspaß, den die 200 Pferdestärken bieten. Dann verfügt dieser 64.850 Mark teure 9-5 auch über eine elektronische Antriebsschlupfregelung, die den Wagen bei nasser Straße erfolgreich daran hindert, mit durchdrehenden Reifen auszubrechen – eine Eigenschaft, zu der die 51.950 Mark (2.0 t) und 55.750 Mark (2.3 t) teuren Vierzylinder mit dem handgeschalteten Fünfganggetriebe leider neigen.

Wer sich also gerne von der automobilen Durchschnittswelt etwas entfernen möchte und dazu schwedische Solidität und Sicherheit schätzt (die Sicherheitsausstattungsliste ist beachtlich lang, dürfte mit dem Saab 9-5 gut bedient sein. Alle drei Treibwerke bieten reichlich Leistung und Temperament, und das adäquate Fahrwerk vergibt auch den einen oder anderen Fahrfehler. Bei den Motoren kommt nie das Gefühl auf, von einem nervösen Turbolader beherrscht zu werden – hier merkt man, wieviel Erfahrung Saab bereits mit dieser Technik gesammelt hat.

Fazit: Der 9-5 ist ein großer Schritt zurück zu den klassischen Modellen, die Saab legendär gemacht haben.


Dieser Text ist erstmals in der Zeitschrift Penthouse Nr. 2/1998 erschienen.


Fotos Schiatti Class

Autor: Jürgen Lewandowski

Jürgen Lewandowski schreibt seit mehr als 40 Jahren über Menschen und Autos - und hat mehr als 100 Bücher veröffentlicht. Traumklassiker: Alfa Romeo 8C 2900 Touring Spider und Lancia Rally 037. Eigener Klassiker: Alfa Romeo R.Z. von 1993.

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