Kolumne Zeitsprünge | Porsche 944 Turbo – Eine neue Generation

Porsche 944 Turbo (5)

„Kann der neue Sportwagen das große Vorbild 911 erreichen?“ fragt Jürgen Lewandowski im Hinblick auf den gerade präsentierten Porsche 944 Turbo in der Süddeutschen Zeitung 1985. Dieser Artikel ist erstmals am 1.2.85 in der SZ erschienen.

Obwohl der Vorstandsvorsitzende Peter W. Schutz regelmäßig aufs Neue bestätigt, dass man im Hause Porsche nicht daran denkt, den mittlerweile zur Legende gewordenen Typ 911 aus dem Programm zu nehmen, schauen die Porsche-Fahrer (und erst recht die von einem Porsche Träumenden) stets dann besonders aufmerksam nach Zuffenhausen, wenn dort ein neuer Wagen das Licht der Welt erblickt.

Besonders aufmerksam schauen sie dann, wenn dort ein Wagen von der Art des Porsche 944 Turbo vorgestellt wird, der in Fahrleistungen und Ökonomie problemlos mit dem 911 mithalten kann. Und da der 944 Turbo nicht nur in diesen Punkten 911-Format hat – sondern darüber hinaus auch noch ein größeres Maß an Komfort und Laufruhe bereitstellt, darf man auf den Erfolg dieses Wagens gespannt sein.

Porsche 944 Turbo (7)

Deutlich sportlicher präsentiert sich der Porsche 944 Turbo

Optisch erinnert der Porsche 944 Turbo nur noch entfernt an die erste Evolutionsstufe, den mit einem Audi-Motor versehenen 924. Brachte bereits die Überarbeitung zum 944 viel Distanz zu diesem Einstiegsmodell, so wirkt der 944 Turbo noch einmal um eine Nuance „sportlicher“ – dafür sorgt einerseits der überarbeitete Bug mit den zusätzlichen Einlassöffnungen für die Belüftung der vorderen innenbelüfteten Scheibenbremsen sowie des Ölkühlers und des Ladeluftkühlers (der zudem noch für eine Verbesserung des Cw-Werts auf 0,33 sorgt), andererseits erblicken die dem Porsche 944 Turbo folgenden Fahrer einen zumindest skurril aussehenden Heckspoiler, der unter der Stoßstange montiert für eine Zwangsentlüftung des Getriebes und des Differenzial sorgen soll. Da diese Teile eine beträchtliche Leistung und ein ansehnliches Drehmoment zu verkraften haben, halten es die Porsche-Techniker für vernünftiger, wenn die aufgeheizte Luft, die sich im Getriebe-/Differenzial-Bereich zwangsläufig aufstaut, mit diesem Spoiler abgesaugt wird, als wenn zusätzliche Kühler hier für Abhilfe sorgen. Und außerdem werden die beiden Spoiler auch für einen zügigen Umsatz in den Ersatzteil-Abteilungen sorgen, da es sich bestimmt viele 944-Besitzer nicht nehmen lassen werden, ihren Wagen mit dem „Turbo“-Look zu versehen.

Auf der Straße werden sie es allerdings schwer haben, das optische Versprechen in einen entsprechenden Vortrieb umzusetzen. Denn der 944 Turbo ist noch einmal einen deutlichen Schritt schneller als sein „kleiner“ Bruder. Hier sorgen 220 PS (162 kW) für vom Werk garantierte 245 km/h, die bislang gebauten Vorserienwagen erreichten alle knapp über 250 km/h und die auf den deutschen Landstraßen erlaubte Höchstgeschwindigkeit liegt nach 6,3 Sekunden an. Auch hier wieder die Parallele zum 911, der mit etwas mehr Leistung (bei einem etwas schwächeren Cw-Wert) dieselben Fahrleistungen bieten kann.

Und auch bei den Verbrauchswerten ähneln sich die beiden Modelle: Porsche gibt für den 944 Turbo als DIN-Wert 6,8 Liter konstant Tempo 90 an, 8,5 Liter fließen bei Tempo 120 durch die Einspritzanlage und für den Stadtzyklus werden 12,3 Liter auf 100 Kilometern benötigt. Tatsache ist allerdings auch, dass die DIN-Werte bei so leistungsstarken und fahraktive Automobilen stets zu niedrig ausfallen – für die höheren Werte sorgen hier schon die bei den erreichbaren Geschwindigkeiten drastisch zunehmen Luft- und Rollwiderstände.

Dennoch wäre es unfair, den Porsche-Modellen (wenn man einmal von dem 928S absieht) einen übertriebenen Benzinkonsum vorzuwerfen – im Gegenteil: In Relation zu den Fahrleistungen produzieren die Zuffenhausener wirklich sparsame Automobile. Selbst bei scharfer Fahrweise kommt man in einem 944 Turbo nicht über 13 bis 14 Liter Super auf 100 Kilometer, normal werden etwa zwölf Liter verbraucht, bei verhaltener Fahrweise kommt man sogar an die Zehn-Liter-Grenze.

Porsche 944 Turbo (3)

Der Porsche 944 Turbo ohne Turboloch

Damit ist der 2,5-Liter-Vierzylinder, der ebenso wie der „normale“ 944 über zwei Ausgleichswellen verfügt, ein äußerst ökonomisches Triebwerk. Was beim Fahren in diesem Wagen jedoch noch mehr überrascht, ist das Fehlen der bislang typischen „Turbo“-Nachteile: Hier setzt der Lader nicht plötzlich ein und überfällt den Fahrer dann mit zu viel Leistung, hier steht vielmehr das maximale Drehmoment von immerhin 330 Nm bereits bei 3.500 U/min zur Verfügung. Daraus resultiert eine nahezu turbinenartige Motorcharakteristik, die das Fahren selbst auf Schnee und Eis zu einer problemlosen und erfreulichen Sache werden lässt.

Dazu kommt, dass der 944 Turbo auch etwas besser klingt als der 944, etwas kerniger geben – trotzdem sind diese Wagen nicht laut, sie unterbieten bereits heute die in der Schweiz ab 1986 geforderten Lärmgrenzen (die derzeit als die schärfsten der Welt gelten) und beweisen damit einmal mehr, dass ein sonorer Klang nicht unbedingt auch laut sein muss – aber diese Zusammenhänge haben bis heute ja noch nicht viele der Autofahrer verstanden, die sich einen Sportauspuff montieren lassen in der Hoffnung, damit „sportlicher“ und mit mehr Leistung gesegnet zu sein.

Der große Vierzylinder bietet aber nicht nur reichlich Leistung und viel Drehmoment, überzeugt auch durch seine Umweltfreundlichkeit: So ist jeder 944 und auch jeder 944 Turbo ab Werk bereits auf eine Nachrüstung mit dem Katalysator vorbereitet. Wenn der Käufer also beschließt – wenn das Bleifrei-Tankstellennetz für seine Belange ausreichend ist – den Katalysator montieren zu lassen, genügt dann nur noch ein kurzer Aufenthalt in der Werkstatt, und der Umweltschoner ist montiert.

Und da es zuweilen Probleme mit der Versorgung von super Benzin geben kann (egal ob bleifrei oder nicht) haben die Techniker gleich noch die digitale Motorelektronik mit einem Klopfregler versehen, der den Motor auch dann noch problemlos am Laufen hält, wenn die Oktan-Zahl einmal zu niedrig ausfällt. In diesem Fall verstellt sich die Zündung und der Ladedruck entsprechend und die Leistung nimmt um etwa zehn PS ab – der Motor bleibt jedoch heil.

Porsche 944 Turbo (6)

Natürlich wurden das Fahrwerk und die Bremsen der Leistung angepasst: So sorgt die Bremsanlage des 911 Turbo nun auch beim 944 Turbo für hervorragende Verzögerungswerte und das Fahrwerk erlaubt – bei dem beide Achsen nahezu gleichmäßig belastenden Transaxle-System – ungewöhnlich hohe Kurvengeschwindigkeiten.

Bei Fahrzeugen dieser Art stellen die erreichbaren Geschwindigkeiten jedoch nur bedingt ein wirkliches Kriterium dar, da der Großteil der Besitzer diese Grenzwerte sowieso nicht – und so ist es dann ziemlich beruhigend zu wissen, wie viele Reserven so ein 944 Turbo zu bieten hat.

Im Innenraum sorgt ein neues Armaturenbrett für aufgeräumte Verhältnisse; angenehm sind die großen Luftöffnungen, die nun – bei einer kleineren Belüftungsstufe – mehr Luftdurchsatz bieten. Angenehm auch die großen Rundinstrumente, von denen die beiden Äußeren allerdings vom Lenkrad etwas abgedeckt werden. Überlegen sollte man sich auch noch einmal, ob die Druckknöpfe nicht zu klein geraten sind – es dürfte wenig Spaß bereiten, sich bei Nacht auf die Suche nach ihnen zu begeben.

Die Sitzposition ist – wie bei Porsche gewohnt – hervorragend, die Sitze selbst sind dem 911 entnommen und mit den in dieser Preisklasse üblichen elektrischen Verstellmöglichkeiten versehen.

Bleibt der Preis: Im Gegensatz zu den Hoffnungen der Händler, die diesen Wagen gerne in der Lücke zwischen 944 und 911 gesehen hätten, hat Porsche den 944 Turbo direkt beim 911 positioniert – die Preise stehen derzeit noch nicht fest, werden sich aber in der Gegend von 67.000 bis 69.000 Mark einpendeln. Damit ist der 944 Turbo zu einem direkten Konkurrenten des 911 geworden – ob er das Zeug hat, an diesem Denkmal zu kratzen, wird sich zeigen. Ökonomie und Komfort sind in dieser Preisklasse zwar auch gefragt, tragen aber dennoch nur bedingt zum Kaufentschluss bei. Um den Verkauf der jährlich geplanten 5000 Stück braucht man sich aber dennoch keine Sorgen zu machen – die Amerikaner werden 944 Turbo bestimmt geblieben. Auch wenn man die dort erlaubte Höchstgeschwindigkeit im ersten Gang erreichen kann.

Porsche 944 Turbo (4)

Dieser Text ist erstmals in der Süddeutschen Zeitung Nr. 27 vom 1. Februar 1985 erschienen.


Fotos Jürgen Tap / Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG

Autor: Jürgen Lewandowski

Jürgen Lewandowski schreibt seit mehr als 40 Jahren über Menschen und Autos - und hat mehr als 100 Bücher veröffentlicht. Traumklassiker: Alfa Romeo 8C 2900 Touring Spider und Lancia Rally 037. Eigener Klassiker: Alfa Romeo R.Z. von 1993.

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