Kolumne Zeitsprünge | Jaguar XJ X350 – Die Katze ist verspielt wie nie

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Nobel waren die Limousinen von Jaguar schon immer – nun sind sie auch noch agil. Ein Text zur Präsentation des Jaguar XJ X350 aus dem Jahr 2003.

Jaguar-Fahrer haben sich stets als Elite gesehen – in ihnen pulsiert das Adrenalin etlicher Le Mans-Siege, das sich auf so unwiderstehliche Art und Weise mit der konservativen Ästhetik des britischen Landadels und der Leidensfähigkeit passionierter Golfer vermengt. So haben sie über die Jahrzehnte und viele Modellreihen hinweg auch den Ruf mangelnder Zuverlässigkeit hingenommen – und durch die Eleganz der Form und den Duft des Leders kompensiert.

Doch die Zeiten haben sich geändert – heute muss selbst ein Exot wie Jaguar in größeren Stückzahlen und in einer beachtlichen Modellbandbreite denken, um nicht unterzugehen. Und dass das von immer mehr Luxuslabels umzingelte Publikum mittlerweile auch Begriffe wie Technik und Qualität als Selbstverständlichkeit voraussetzt, hat den Briten spätestens der von BMW geschulte Wolfgang Reitzle während seiner kurzen Regentschaft eingebleut.

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Jaguar XJ X350 – Die neue Generation

Doch trotz dieser neuen Aspekte hat ein Jaguar natürlich immer wie ein Jaguar auszusehen, zu riechen und zu fahren. Deshalb hat sich die neue Baureihe Jaguar XJ X350 auch optisch – trotz ihrer beachtlichen Vergrößerung – eng an ihre erfolgreichen Vorfahren angelehnt und nichts von ihren klassischen Proportionen und Formen verloren. Erst wenn man in dem – wie stets in Leder und Holz schwelgenden – Interieur Platz genommen hat, stellen auch langgewachsene Insassen fest, dass sie nun über ein Raumangebot verfügen, von dem frühere XJ-Generationen nur träumen konnten. Eine Raumfülle, die durch die 12- oder 16-fach verstellbaren Vordersitze in Verbindung mit einer serienmäßigen elektrischen Verstellung für die Pedalerie und die Lenksäule perfekt unterstützt wird.

Eine noch größere Revolution ergab sich jedoch unter der geschmeidigen Hülle: Hier haben die Techniker zu dem Leichtmetall Aluminium gegriffen und die erste niet-verklebte Aluminium-Monocoque-Karosserie auf breite Alu-Felgen gestellt. Der Grund für diese aus dem Flugzeugbau bekannte Technik, bei der etwa 3200 Nieten und etliche Kilogramm Klebstoff zum Einsatz kommen: Einerseits ist die Karosserie des Neuen etwa 200 Kilogramm (oder 40 Prozent) leichter und andererseits um etwa 60 Prozent steifer als die des Vorgängers. Dabei ist gerade die Steifigkeit für die Fahragilität von hoher Bedeutung: Schließlich versagt auch das beste Fahrwerk einer sich bei jeder Bodenwelle verwindenden Karosse rasch die Zusammenarbeit und dann haben es die Pferdestärken noch schwerer, ihre Leistung adäquat auf den Boden zu bringen.

Und last, but not least ermöglicht ein gesunkenes Gewicht auch den Einsatz kleinerer Triebwerke bei zumindest gleichbleibenden Fahrleistungen – deshalb bekommt der Jaguar XJ X350 nun auch als Einstiegsmotorisierung einen 3-Liter-V6-Zylinder mit 175 kW oder 238 PS Leistung, der 233 km/h Höchstgeschwindigkeit bereitstellt. Wer auf acht Zylinder Wert legt, kann zum 3,5-Liter mit 190 kW (258 PS) und 242 km/h greifen, während der 4,2-Liter-XJ mit seinen 219 kW oder 298 PS elektronisch abgeriegelte 250 km/h bereitstellt. Deutlich schneller könnte der XJR fahren, der mit der Hilfe eines Kompressors auf stolze 395 PS oder 291 kW kommt – aber auch hier bremst die Elektronik sich bei 250 km/h ein. Dafür durcheilt die Katze die 100 km/h-Barriere bereits nach 5,3 Sekunden.

Natürlich weist man bei Jaguar auch gerne darauf hin, dass die Gewichtskur auch den Verbrauchswerten zu Gute gekommen sei – was sich in der Pressemappe in Durchschnittswerten zwischen 10,5 und 12,3 Litern manifestiert. Doch die Realität wird anders aussehen: Besonders der XJR wird sich nur schwerlich unter 15 Litern auf 100 Kilometern Katzen-like bewegen lassen.

Doch seien wir ehrlich: Wäre es nicht eine Schande, dieser Eleganz und Geschmeidigkeit nicht hin und wieder etwas Auslauf zu gönnen? Zumal sich der neue Jaguar XJ X350 mit seiner serienmäßigen Sechsgang-Automatik bemerkenswert agil und dennoch komfortabel gibt und so den Ruf des Hauses, Langstrecken-Fahrzeuge par excellence zu liefern, eindrucksvoll untermauert. Und da man bei Jaguar festgestellt und gemessen haben will, dass der Neue bereits in der Vorserie bessere Qualitätswerte als sein Serien-Vorgänger besitzt, sollte auch das Thema Qualität einen niedrigeren Stellenwert bekommen. Die Preise liegen zwischen 98.000 und 156.000 SFR.


Dieser Text ist erstmals in der NZZ am Sonntag vom 30. März 2003 erschienen.


Fotos Bonhams|Cars Online

Autor: Jürgen Lewandowski

Jürgen Lewandowski schreibt seit mehr als 40 Jahren über Menschen und Autos - und hat mehr als 100 Bücher veröffentlicht. Traumklassiker: Alfa Romeo 8C 2900 Touring Spider und Lancia Rally 037. Eigener Klassiker: Alfa Romeo R.Z. von 1993.

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