Kolumne Zeitsprünge | Ford Fiesta ´89 – Viel Auto fürs Geld

1992 Ford Fiesta RS 1800

Der Ford Fiesta ´89 präsentiert sich größer, besser, vernünftiger – und alles ohne Preiserhöhung.

Um die oben genannten Bedingungen zu erfüllen, musste als erstes ein längerer Radstand her – er wuchs um 15 Zentimeter auf 245 Zentimeter, zwangsläufig wuchs auch die Gesamtlänge – um 10 Zentimeter – auf nunmehr 374 Zentimeter. Aus der Differenz der Zahlen lässt sich ableiten, dass der Innenraum damit ebenfalls an Größe gewinnen musste – und da auch noch die breite zugenommen hatte (um 2 Zentimeter), bietet der Fiesta nun den größten Innenraum seiner Klasse. Außerdem wurde das Kofferraum-Volumen von 215 auf 250 l Fassungsvermögen vergrößert (was in den alltäglichen Gebrauch übersetzt bedeutet, dass nun auch eine Kiste mit den großen Flaschen einer bräunlichen Limonade aus den USA Platz findet) – und wenn wir schon bei den Vergrößerungen sind, sollte auch der nun 42 l fassende Treibstofftank Erwähnung finden.

Bevor wir jedoch in dem großen Innenraum Platz nehmen, ist ein kurzer Marsch um die Karosserie angesagt. Sie ist glatt und schlicht geworden, nicht ohne Eleganz – die Frontpartie wurde der der anderen Modelle des Hauses angeglichen. Das Heck wird von den tropfenförmigen Leuchteinheiten (hausintern gerne auch „Rumpler-Leuchten“ bezeichnet) dominiert, die die große Heckklappe – die ladefreundlich bis zur Stoßstange hinab reicht – einrahmen. Der Cw-Wert von 0.35 ist für diese Fahrzeugkategorie in Ordnung, weitere Schleifarbeit hätte nur zu Kompromissen bei der Alltagstauglichkeit gefühlt, und die ist bei einem Fahrzeug dieser Klasse allemal wichtiger als ein paar km/h mehr Höchstgeschwindigkeit.

Innen fühlt man sich auf Anhieb wohl, die Rundumsicht ist hervorragend, die Sitze sind gut, das Armaturenbrett ist übersichtlich, und dass die Gurtpeitschen nicht am Sitzrahmen befestigt sind, stört eigentlich nur die Autotester, „Bei Tausenden von Befragungen hat kein Kunde jemals daran Anstoß genommen“, so Ford-Chef Daniel Goeudevert. Außerdem bedarf die Hupe der Gewöhnung, die durch einen Druckknopf am Lichthebel ausgelöst werden muss. Ansonsten: Was soll man über einen Wagen sagen, bei dem alles da ist, wo es sein soll und wo es keine Kritikpunkte gibt.

1990 Ford_Fiesta_RS_Turbo

„Wir wollen mehr bieten – und das in allen Klassen“. Für den Vorstandsvorsitzenden beinhaltet diese Aussage auch mehr Sicherheit und mehr Umweltfreundlichkeit. Deshalb ist der Ford Fiesta ´89 auch der erste Wagen seiner Klasse, bei dem (gegen einen Aufpreis von 1.100 DM) ein mechanisch-hydraulisches Anti-Blockier-System lieferbar ist – damit ist Ford der erste Hersteller, der für die gesamte Produktpalette dieses wichtige Sicherheit-System anbietet.

Was die Umweltfreundlichkeit betrifft, gibt es ebenfalls erfreuliche Neuigkeiten: Ford ist der erste Hersteller, der auch beim kleinsten Modell bereits einen Dreiwege-Katalysator anbietet: die 1,1-Liter-Variante leistet immerhin 50 PS, die für 143 km/h ausreichen. Die anderen Motoren: 1,1-Liter-Vierzylinder mit Vergaser und 55 PS (40 kW) und 1,4-Liter-Vergasermotor mit 73 PS (55 kW) – diese beiden Motoren erfüllen die Euro-Norm. Zu dem 1,1-Liter-Vierzylinder mit Einspritzung 50 PS (40 kW), kommt noch ein 1,6-Liter- Einspritzer mit 104 PS (76 kW) Leistung, der ebenfalls über einen geregelten Katalysator verfügt. Für die Freunde des Selbstzünders gibt es einen 1,8-Liter- Dieselmotor mit 60 PS (44 kW). Die Ottomotoren benötigen alle bleifreien Superkraftstoff (95 ROZ). Die Höchstgeschwindigkeiten pendeln sich zwischen 143 und 187 km/h ein, und am schnellsten erreicht der 1,6-Liter-XR 2i die 100 km/h-Grenze: nach 10,1 Sekunden – am längsten braucht der 1,1-Liter-Kat-Fiesta: 18,1 Sekunden.

Die erste Fahreindrücke: der Ford Fiesta ´89 ist komfortabler geworden – der längere Radstand, das neue Fahrwerk, die breitere Spur ergeben zusammen ein Plus an Fahrfreude und aktiver Fahrsicherheit. Die größeren Motoren bieten reichlich Drehmoment, der kleine 1,1-Liter-Kat-Motor braucht hohe Drehzahlen (bei denen er zum Dröhnen neigt), um rasch voran zu kommen. Das Fahrwerk ist erstaunlich gutmütig, es neigt weniger zum Untersteuern als das des Vorgängers – durch die Betonung des Komforts neigt es aber nun zum Aufschwingen, bei stärkeren Bodenwellen schlägt es sogar zuweilen durch. Aber das sind Kleinigkeiten, die nur bei Geschwindigkeitsbereichen zum Tragen kommen, die von den Käufern selten erreicht werden dürfte.

1990_Ford_Fiesta_S

Was ist der neue Ford Fiesta ´89 denn nun?

Ein Wagen, der in der Tat praktisch alles besser kann als sein Vorgänger – er bietet mehr Innenraum, mehr Komfort, mehr aktive und passive Sicherheit und er bietet bis hin zum Einstiegsmodell die beste Katalysator-Technik. Und dass sich Daniel Goeudevert im Hause durchgesetzt hat, all diesen Fortschritt zum Preis des alten Modells zu verkaufen (obwohl alle Welt mit einer Preisanhebung gerechnet hatte und sie auch – wie stets in der Vergangenheit – geschluckt hätte), ist ein echter Ford-Schritt – und zur Nachahmung dringend empfohlen.

1989 Ford Fiesta XR 2i


Dieser Artikel ist erstmals in der Süddeutschen Zeitung Nr. 35 vom 11./12. Februar 1989 erschienen.


Fotos Ford-Werke GmbH

Autor: Jürgen Lewandowski

Jürgen Lewandowski schreibt seit mehr als 40 Jahren über Menschen und Autos - und hat mehr als 100 Bücher veröffentlicht. Traumklassiker: Alfa Romeo 8C 2900 Touring Spider und Lancia Rally 037. Eigener Klassiker: Alfa Romeo R.Z. von 1993.

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