Helden der Jugend – Eine Generationenfrage

Helden der Jugend Lamborghini Diablo (4)

Gibt es irgendwann keine Oldtimer mehr? Und noch schwerwiegender, entwickeln nachfolgende Generationen keine automobilen Helden der Jugend und gibt es irgendwann keine Classic Car-Enthusiasten mehr? Mitnichten! Jede Generation bringt neue Fans für neue Autos und Motorräder mit, auch wenn sich die Modelle wandeln.

Von Generation zu Generation geht der bange Blick in die Garage und nicht wenige fragen sich, „war es das?“, „interessiert sich irgendwann niemand mehr für das alte Blech?“ Gewiss, alles ist stetig im Wandel, Interessen und Geschmäcker verschieben sich, aber ist der Abgesang nicht verfrüht? Um das Ergebnis vorweg zu nehmen, es ist nicht nur verfrüht, sondern schlichtweg falsch.

Was wurde nicht schon alles abgeschrieben: Von Vorkriegsfahrzeugen bis zu den „Future Classics“ mit allerlei Elektronik, da heißt es mitunter „die Liebhaber von Vorkriegsautos sterben aus“ und „ab dem Einzug umfangreicher Elektronik gibt es keine Klassiker mehr“. Aber was ist dran an diesen hartnäckig sitzenden Prognosen?

Neue Generationen, neue Fahrzeuge

Sätze, die mit „früher…“ oder „heutzutage…“ beginnen, haben ein wenig den melancholischen Beigeschmack, dass manche Zeiten vorbei seien. Sie ignorieren aber die Erkenntnis, dass jede Generation auf ihre eigene Art die Geschichte fortschreibt und ihre eigenen Helden der Jugend findet.

Exemplarisch kann man das vielleicht am Filmgeschmack belegen. War die ältere Generation noch vom Original-Film „The Italian Job“ mit Michael Caine und dessen Mini Cooper begeistert, waren es die Enkel vom Remake der späten 90er genauso. Nur eben, dass es dann schon der neue Mini Cooper aus München war. Quasi ein alter Klassiker in neuem Gewand.

Beginnend mit der Baureihe R50, dem ersten Mini One aus Bayern, kam ein neuer Kleinwagen auf den Markt, der die Formensprache und die Details des Originals aufgriff und weiterführte. Sicherlich sind die Materialien, die Alltags-Anforderungen und die Haltbarkeit gewiss anders als Jahrzehnte zuvor.

Doch haben die Käufer und Enthusiasten dieser Modellreihen die Fahrzeuge auch gerade wegen der Reminiszenz an die britische Ikone gekauft. Es ist durchaus davon auszugehen, dass einige besondere Exemplare auch Jahre danach gehegt und gepflegt werden und nicht als Gebrauchtwagen von Hand zu Hand gehen, sondern sich als Liebhaberfahrzeug in beheizten Garagen wiederfinden.

Von der Leinwand in die Sammlergarage

Wie es bei emotionalen Geschichten so ist, reicht manchmal ein flüchtiger Eindruck und ein kurzer Moment, um ein Feuer zu entfachen. Dabei spielt es eine untergeordnete Rolle, ob man ganz aktiv oder eher passiv dabei ist. So wie Filme und Serien die Möglichkeit haben, auch Nebendarsteller in den Fokus zu rücken.

So wie der Film „Gone in 60 Seconds“ oder in der deutschen Fassung „Nur noch 60 Sekunden“ aus dem Jahr 2000, in dem eine Diebesbande um Nicolas Cage 50 Autos klauen musste.

Dabei waren nicht nur damals aktuelle Fahrzeuge vom Schlage des Mercedes-Benz SL Baureihe R 129 oder Lincoln Navigator auf der Liste, sondern auch veritable Klassiker wie ein 1970er Plymouth Superbird oder „Eleanor“, ein 67er Shelby Mustang GT 500. So kamen auch die „Millenials“ in den Geschmack der althergebrachten Klassiker.

So wurde auch dieser nachrückenden Generation der Charme der 60er und 70er-Muscle Cars nähergebracht, gleichermaßen aber auch die modernen Autos prominent platziert und mit der Aura der Traumwagen versehen.

Kinder der 80er denken bei Helden der Jugend vielleicht eher an Knight Rider und dieses unglaubliche, sprechende und denkende Auto. Oder an die Daytona Replica und später den Ferrari Testarossa aus Miami Vice. Selbst wenn es nur die pastellfarbenen Anzüge Don Johnsons waren, oder eine Nummer kleiner der lässige Sprung Sascha Hehns in das Golf Cabrio in der Schwarzwaldklinik, es können auch manchmal einfach die Details sein, die das Interesse an einem Auto erwecken.

Aus diesem ersten flüchtigen Kontakt kann aber oft eine nachhaltige Leidenschaft für eine Modell erwachsen. Wie oft sind es die Autos oder Motorräder der Eltern oder Großeltern, die man sich irgendwann mal (zurück-) kaufen möchte. Oder eben die Helden aus Funk und Fernsehen.

Die Einordnung als Klassiker ist schlussendlich nicht nur eine Frage des Fahrzeugalters, sondern auch einfach eine Definitionsfrage, bei der die Meinungen weit auseinandergehen.
Am weitesten verbreitet ist sicherlich die Annahme, dass ab der mit Elektronik überladenen Stangenware ab den 90er-Jahren die Zeit der Klassiker abgelaufen sei.

Helden der Jugend – Alles nur eine Definitionsfrage?

Es ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass die Instandhaltung und die Reparaturen von Elektronik und geänderten Bauweisen der Karosserie neue Herausforderungen die Besitzer vor neue Herausforderungen stellt. Aber das ist ein ganz eigenes Thema, mehr dazu finden Sie hier.

Mindestens ebenso interessant ist die emotionale und geschmackliche Frage der Klassikerperspektive. Die Mercedes-Benz SL-Baureihen 113 und 107 gelten seit jeher als begehrte Sammlerfahrzeuge, der R 129 musste noch eine Weile gegen die Prognose ankämpfen, er sei zu modern für einen Klassiker.

Helden der Jugend Mercedes-Benz SL W 194 R 230

Die konstant ansteigenden Preise für gute R 129 zeigen aber, dass er sich in den vergangenen Jahren als gefragtes Modell mit Klassiker-Perspektive etabliert hat. Den Nachfolgern R 230 und 231 steht dies noch bevor. Aber wieso sollte ein SL, zumal wenn es sich um einen stark motorisierten oder ein Exemplar aus einer seltenen Serie handelt, nicht für Enthusiasten genauso die Sammlungsberechtigung haben wie ein R 107 einige Generationen zuvor?

Oder nehme man aus dem Hause Daimler die Einstiegsfahrzeuge, den 190er und die Nachfolger der C-Klasse oder die erste A-Klasse. Was wurden sie am Anfang als Baby-Benz und Elchtest-Umfaller belächelt. Eine erste C-Klasse ist heute noch durchaus günstig zu erwerben und eine gut erhaltene A-Klasse W 168 selten im Straßenbild. Zudem haben viele, die in den 90ern ihren Führerschein gemacht haben, von früh auf Kontakt mit diesen Modellen gemacht. Gerade deshalb – in Verbindung mit dem günstigen Preis – haben diese Autos alle Berechtigung, als Einstieg in die klassische Mobilität herangezogen zu werden.

Die Chancen der Massenproduktion für die Helden der Jugend

Liegt in den neuen Fahrzeugen nicht gerade auch eine riesige Chance, dass noch viel mehr Enthusiasten heranwachsen? Die Massenproduktion fördert zwar eine Menge reiner Alltagsautos zutage, gleichwohl kann man aber auch annehmen, dass sich prozentual die Anzahl der Fahrzeuge mit Klassiker-Perspektive erhöht. Aus dem VW Golf oder Ford Focus-Regal werden die Highlights wohl eher in den starken Sonderserien liegen, aber dafür werden Sie immer noch erschwinglicher sein als ein vergleichbares Auto der 60er und 70er.

Wenn man die Social Media-Reaktionen als Maßstab für die Verschiebung der Interessen der nachfolgenden Generationen heranziehen möchte, zeigt sich ein Schwerpunkt in den Autos der 90er schon recht deutlich. Von Instagram bis TikTok, ein Renault Twingo hat im Schnitt in den Classic Trader-Kanälen deutlich mehr Likes als eine R 5, eine S-Klasse W 140 mehr als die Baureihe 116.

Social Media Kanäle und Aufrufe von Online-Beiträgen taugen ohnehin gut als Index für das Interesse an klassischer Mobilität. Betrachtet man sie genauer, kann man schnell feststellen, dass das Interesse unverändert hoch ist. Die Medien mögen sich geändert haben, die Traumautos und Helden der Jugend ebenfalls.

Es ist aber kein Anlass, mit bangem Blick auf einen möglichen Abgesang der Klassikerszene zu schauen. Im Gegenteil, es ist ein Grund, sich offen den neuen Klassikern der Zukunft zu widmen und daran zu arbeiten, dass auch sie gut erhalten werden und all den kommenden Generationen genauso viel Freude bereiten wir den Eltern und Großeltern die traditionellen Oldtimer.


Fotos Automobili Lamborghini. S.p.A., BMW AG, Mercedes-Benz AG

Autor: Paolo Ollig

Paolo Ollig schreibt als Chefredakteur regelmäßig über alle Raritäten und Meilensteine der Automobil- und Motorrad-Geschichte. Traum-Klassiker: Lamborghini Countach und Mercedes-Benz 300 SL. Eigener Klassiker: Mercedes-Benz 230 CE (W123) von 1981.

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