Ersatzteile kommender Klassiker – Von Engpässen und neuen Chancen

Ersatzteile

Wer sich für ein klassisches Auto oder Motorrad interessiert, sollte vor dem Kauf auch beachten, wie sie oder er das Fahrzeug angemessen instand halten kann. Für ganz frühe Modelle oder auch für verhältnismäßig neuere stellen sich berechtigte Fragen nach der Verfügbarkeit der Ersatzteile. Eine Bestandsaufnahme

Käufer*innen eines Mercedes-Benz der Baureihe 123 oder eines Volkswagen Käfer müssen sich manche Frage nicht stellen. Die Regale sind voll von Ersatzteilen, originalen vom Hersteller und Nachfertigungen von Zweitanbietern. Aber wie sieht es beim einem seltenen Vorkriegsauto aus England aus oder einem Auto aus der 90ern, bei dem man nicht mehr einzelne Teile ausbessert und instand setzt, sondern die ganze Recheneinheit austauschen muss?

ersatzteil-Qualität aus erster Hand vom Hersteller

Bestenfalls existiert der Hersteller des Fahrzeuges noch und ist sich der Bedeutung der betagten Marken-Repräsentanten auf den Straßen bewusst. Porsche kommuniziert beispielsweise nicht zu Unrecht mit einem gewissen Stolz die hohe Prozentzahl aller je produzierten Fahrzeuge, die immer noch gut auf den Straßen unterwegs sind.

Auch der FCA-Konzern, der seit kurzem unter dem Namen Stellantis firmiert und unter anderem die klangvollen italienischen Marken FIAT und Alfa Romeo beheimatet, hat in Rom und Palermo zwei neue „FCA Heritage Points“ eröffnet. Diese Standorte für Servicearbeiten für die Modelle von Abarth, Alfa Romeo, FIAT und Lancia existierten zuvor schon in Mailand und Turin.

Aber auch die französischen Konzernteile und mit Opel die einzige deutsche Marke im Portfolio besinnen sich mehr oder minder immer stärker ihrer historischen Wurzeln und versuchen, mit Service-Angeboten und Ersatzteilen für die Klassiker das Erbe zu bewahren.

Aber natürlich auch die Nachfahren des Erfinders des Automobils bei Mercedes-Benz verweisen nicht ohne Stolz auf die Expertise in der Wiederherstellung nicht mehr vorhandener Komponenten. 2019 sorgte beispielsweise der Nachbau eines SSKL mit Stromlinienkarosserie für Aufsehen in Goodwood und Pebble Beach.

Die Fachleute aus dem Mercedes-Benz Classic Center in Fellbach bauten den erfolgreichen Rennwagen, der 1932 auf der Berliner AVUS siegreich war, nach. Auf ein vorhandenes SSK-Chassis und um einen SS-Motor fertigten sie anhand von Fotos und Dokumenten ein Auto, das ganz nah an den damaligen Spezifikationen war.

Mercedes-Benz SSKL - Ersatzteile

Auch wenn dieses Exemplar vor allem für einen großen Auftritt bei renommierten Veranstaltungen gebaut wurde, zeigt es die Möglichkeiten, die ein Hersteller hat, wenn er sich seiner Tradition bewusst und bereit ist, diese mit viel Einsatz und Sorgfalt am Leben zu halten.

Diese Haltung ist aber nicht nur für die Galerie, sie kommt schlussendlich auch beim Endverbraucher an, der ein Verschleißteil benötigt, was eigentlich nahezu vergriffen ist. So finden sich in den Ersatzteilshops von Mercedes bis Porsche allerlei Ersatzeile von Stoffen für Sitzbezüge über Verschleißteile in Motor, Getriebe und Bremsen bis zu Schaltern und Hebeln im Interieur. Mit dem Qualitätsversprechen und Siegel des originalen Herstellers.

Ersatzteile vom Spezialisten

Mitunter gibt es aber vom Hersteller – sei es, dass er nicht mehr existiert oder dass er die Versorgung mit neuen, alten Ersatzteilen nicht sicherstellen kann – einige Teile nicht mehr direkt zu beziehen. Die Oldtimer-Szene hat für vieles Lösungen gefunden, für zahlreiche Zweianbieter ist es zudem ein lohnendes Geschäft, vergriffene Bestandteile wieder auf den Markt zu bringen. So gibt es für nahezu jede Marke und die meisten Modelle Anbieter, die nicht mehr erhältliche Ersatzteile veräußern.

Vom englischen Roadster bis zum italienischen Coupé, mit etwas Recherche findet man in Clubs oder einfach selbst im Netz zumeist den einen oder anderen Anbieter, der das passende Teil zum Verkauf anbietet. Nicht original vom Hersteller, aber qualitativ nah dran und meist etwas günstiger.

Der 3D-Drucker als neue Chance für die ersatzteilversorgung

Eine Methode, die zunehmend in den Fokus gerät, ist die Fertigung im 3D-Drucker. Beispielsweise für Kunststoffteile im Interieur ist die Methode in Punto Ersatzteile durchaus ein Gewinn. Mit der traditionellen Fertigung von selten benötigen und nachgefragten Komponenten war der Anreiz für einen Anbieter eher gering, diese wieder ins Angebot aufzunehmen. Als Kunde blieb da nur die Möglichkeit, die Komponenten auf dem Markt als gebrauchte oder wiederaufbereitete Eratzteile zu suchen und zu erwerben.

Die Nachfertigung aus dem Drucker ist gerade in diesen Fällen eine Lösung, die teils lange – und teils auch vergebliche – Suche nach dem seltenen Teil zu vermeiden. Auch wenn die Fertigung im 3D-Drucker noch nicht allzu lange etabliert ist, gibt es schon einige Hersteller, die diesen Service und die dazugehörigen Ersatzteile anbieten.

Die Tücken der Elektronik

Eine der dringenden Fragen für die nachrückende Klassiker-Generation aus den 90er-Jahren und danach dreht sich um die Elektronik im Fahrzeug. Es heißt – zugegeben nicht ganz zu Unrecht – oft, dass mit dem Einzug der Elektronik ins Fahrzeug die Zukunft als Klassiker verbaut sei. Stand jetzt muss man auch konstatieren, dass beispielsweise die Steuerelemente oder Hydraulikzylinder eines automatischen Verdecks die Halter und Werkstätten vor neue Herausforderungen stellen.

Sollten die je nach Baujahr elf oder zwölf Hydraulikzylinders des Stoffverdecks eines Mercedes-Benz SL der Baureihe R 129 den Dienst quittieren, ist Schluss mit dem offenen Fahrvergnügen. Da hilft meist nur ein kompletter – und somit kostspieliger Austausch. Aber in diesem Fall gibt es auch andere Anbieter, die das Knowhow haben, einzelne oder alle Zylinder auszutauschen oder rundzuerneuern. Meist zu einem Bruchteil der Summe, die für den Kompletttausch des Dachsystems fällig wäre.

Ähnlich verhält es sich mit den immer komplexer werdenden Steuerelementen für allerlei Komponenten im Fahrzeug. Fraglos eine Herausforderung, sich als Werkstatt dieser Technik anpassen zu müssen. Dennoch steigt mit der Nachfrage nach solchen Reparaturen auch der Druck, auf die neuen Fragestellungen angemessen reagieren zu können. Auch in diesem Kontext gibt es schon einige Anbieter auf dem Markt, die fehlerhafte Steuerelemente instandsetzen und löten können.

So wie jeder neue Fahrzeuggeneration neue Chancen auf zahlreiche neue Klassiker bietet, so schwingen also auch stets neue Herausforderungen und Fragestellungen rund um Reparaturen und Ersatzteilversorgung mit.

Auch wenn es sich im Einzelfall manchmal nicht vermeiden lässt, dass man lange nach dem einen oder anderen Teil suchen muss, zeichnet sich dennoch nicht das Bild ab, dass die kommenden Klassiker nicht fähig wären, angemessen instandgehalten werden zu können. So wie sich die Fahrzeuge entwickelt haben, so ziehen auch der Markt für Ersatzteile und die Werkstätten nach und stellen sich den Herausforderungen, die die nachrückenden potentiellen Liebhaberfahrzeuge mit sich bringen. Damit auch die Fahrzeuge der 90er und 2000er-Jahren auch später noch an Klassiker auf den Straßen weiterleben.

Text Paolo Ollig Fotos Daimler AG, Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG

Autor: Paolo Ollig

Paolo Ollig schreibt als Chefredakteur regelmäßig über alle Raritäten und Meilensteine der Automobil- und Motorrad-Geschichte. Traum-Klassiker: Lamborghini Countach und Mercedes-Benz 300 SL. Eigener Klassiker: Mercedes-Benz 230 CE (W123) von 1981.

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