100 Jahre BMW Motorrad – Still going strong….

1976 BMW R100 RS BMW Motorrad

2023 ist das Jubiläum für 100 Jahre BMW Motorrad. Die Keimzellen, aus der die Bayerischen Motoren Werke hervorgingen, waren die kleinen Flugzeug- und Flugmotorenmanufakturen Rapp und Otto am nordwestlichen Stadtrand Münchens. Die Rapp-Motorenwerke wurden am 20. Juli 1917 in „Bayerische Motoren Werke GmbH“ umbenannt. Das neue Firmenzeichen stellte – einen vor dem Hintergrund der weiß-blauen bayerischen Landesfarben – rotierenden Propeller dar.

Der Konstrukteur Max Friz schuf dort Flugmotoren, deren Leistungsfähigkeit neue Maßstäbe setzte. Der verlorene Krieg zerstörte die Hoffnungen, die Motoren weiterhin anbieten zu können. So lebte BMW in den ersten Jahren der Weimarer Republik vom Bremsenbau, fertigte aber auch Fahrzeug- und Bootsmotoren, wie den Motorrad-Boxer „M 2 B 15“.

Ende 1921 wurden die Gebäude der Bayerischen Flugzeug-Werke AG, vormals Otto-Werke, das neue Domizil von BMW. Als Hypothek übernahm man zwei Motorräder: Den Mini-Zweitakter „Flink“ und die „Helios“, eine 500er Tourenmaschine mit längs eingebautem BMW M 2 B 15 Triebwerk. Der Geniestreich zum BMW-Rad gelang Max Friz im Dezember 1922: Er schuf unter Beibehaltung des M 2 B 15-Boxers ein neues Konzept. Bis heute steht es, mehr als alle anderen Bauarten, für die Motorräder von BMW. Die R 32 von 1923 trug die Zylinder quer zur Fahrtrichtung. An diesen Motor war das Dreiganggetriebe direkt angeblockt und zum Hinterrad lief eine Welle. Der Wellenantrieb wurde von BMW Motorrad bis 1993 ausschließlich verwendet und wurde wie der Boxermotor zum „zweiten Markenzeichen“.

Mit der nun R 37 getauften Maschine waren Rudolph Schleicher und Fritz Roth auf der Sechstagefahrt 1926 in England erfolgreich.

Erfolge, Rekorde und gute Presse

Der junge Ingenieur Rudolf Schleicher verpasste 1925 der bis dato seitengesteuerten R 32 OHV-Köpfe. Mit der nun R 37 getauften Maschine gewannen Schleicher und Fritz Roth auf der Sechstagefahrt 1926 in England eine Gold- und eine Silbermedaille, was BMW Motorrad international eine gute Presse einbrachte. Eine neue Modellgeneration von 750ern, mit einem den Tank seitlich umfassenden Pressstahlrahmen und Pressstahl-Blattfedergabel, löste 1929 die Rohrrahmenvorgänger mit Stecktank ab. Um auf große Stückzahlen zu kommen, wurde das BMW Motorrad-Programm 1931 durch die R 2 mit 200cm³ und das ähnliche Einzylinder-Mittelklassemodell R 4 mit 400cm³ Hubraum ergänzt.

Den Straßenrennsport hatte das Werk aufgegeben. Stattdessen blies BMW, vertreten durch den Münchner Vertragshändler Ernst Henne, zum Angriff auf den absoluten Weltrekord. Henne gelang es am 19. September 1929 mit einer kompressoraufgeladenen 750er, den absoluten Weltrekord auf 216,75 km/h zu schrauben. Sein letzter Rekord vom 28. November 1937 mit 279,5 km/h sollte noch vierzehn Jahre Bestand haben. Eine entscheidende Innovation erfuhren die 750er BMW 1935 durch die Einführung der Teleskopgabel am Vorderrad, die den Motorradbau weltweit beeinflussen sollte.

BMW R 32 aus dem Baujahr 1923, der Bezugspunkt der BMW-Zweiradgeschichte.

Neben dem Geländesport und Weltrekordversuchen wurde BMW 1935 auch wieder in der Europameisterschaft aktiv. Im Folgejahr stahl BMW der Konkurrenz mit der 24 PS starken OHV-500er R 5 die Schau. Die schwarze Maschine mit Rohrrahmen und Telegabel war zierlich und glattflächig. Straßenlage, Fahrkomfort und Leistung waren in der Gesamtheit allen anderen Halblitermaschinen überlegen.

Bei den Flugmotoren hatten Aufrüstung und weltweite Verbreitung des Luftverkehrs für volle Auftragsbücher gesorgt. Ein besonderer sportlicher Triumph gelang BMW Motorrad 1939 mit dem Sieg der Tourist Trophy. Georg Meier gewann als erster Kontinentaleuropäer, auf einer ausländischen Maschine, die 500er Klasse bei der Tourist Trophy auf der Isle of Man.

Der zweite Weltkrieg ließ BMW zu einem Konzern von europäischen Ausmaßen wachsen. Die Kolbenflugmotoren wurden ab 1943 durch Strahltriebwerke ergänzt, was BMW bei Kriegsende das Interesse fremder Geheimdienste einbrachte.

Die elegante R 51/3 symbolisiert ab 1951 den Wiederaufstieg der bayerischen Marke.

Demontage und Neubeginn

Nach Kriegsende stand BMW als Rüstungsbetrieb ganz oben auf der Demontageliste. Das Werk Eisenach war an die Sowjetunion gefallen. Die Sowjets brachten das Werk rasch wieder in Schwung und fertigten für ihren Bedarf Motorräder und PKW. In München dagegen wurde demontiert und es sah für kurze Zeit so aus, als würde BMW komplett aufgelöst werden. Man baute Bremskompressoren, Handwagen, Küchen- und Gartengeräte sowie eine kleine Serie von Fahrrad-Prototypen mit Leichtmetallrahmen. Aber 1948 erschien die R 24 als Weiterentwicklung der 250er R 23. Nach Währungsreform und Gründung der Bundesrepublik Deutschland erschien 1950 die Boxermaschine R 51/2, eine Weiterentwicklung der R 51 von 1938. Die ständig weiterentwickelten 250er BMW gehörten zu den meistverkauften Maschinen auf dem deutschen Markt der 1950er Jahre und retteten mit der BMW Isetta die Marke. Die Krönung der Motorradpalette war die R 68, die mittels ihrer 35 PS als erste Serien-BMW eine Spitze von mehr als 160 km/h erreichte. Doch die Motorradkrise der späten 50er Jahre und der schlechte Automobilverkauf stürzte BMW in die tiefste Krise seit 1919. Auch die WM-Titel im Gespannrennsport konnten den Rückgang des Motorradabsatzes nicht aufhalten.

Dabei war das 1955 neu vorgestellte BMW Motorrad-Programm erstklassig: Die Motoren blieben grundsätzlich gleich, doch die neuen Vollschwingenfahrwerke der R 26-Einzylinder und der R 50, R 60 und R 69-Boxermodelle formulierten den Begriff „Fahrkomfort“ neu. Trotzdem hätte BMW ohne Behördenaufträge den Motorradbau einstellen müssen.

Den Durchbruch im Automobilgeschäft brachte 1962 die „Neue Klasse“, die anspruchsvollen BMW-Mittelklassewagen. Das brachte Geld, um auch wieder in das Motorradprogramm investieren zu können. 1963 wurde ein neues Motorradmodell entwickelt. Beim neuen Triebwerk nahm man Anleihen beim Automobilbau. Neu – neben dem nach wie vor vorhandenen Kickstarter – war der elektrische Anlasser. Neue Detail-Ideen wie die Klappsitzbank, die herausnehmbare Werkzeugschale und die GFK-Kotflügel waren praktische Innovationen, die typisch wurden für BMW-Motorräder.

Das Berliner BMW-Werk produzierte seit 1969 Boxer-Motorräder für die ganze Welt.

Der Umzug von BMW Motorrad nach Berlin

BMW-Automobile dagegen verkauften sich so gut, dass 1967 die Verlegung der Motorradfertigung nach Berlin beschlossen und 1969 abgeschlossen wurde.

Zum Modelljahr 1970 war es dann so weit. Eine neue BMW-Motorradgeneration, die sogenannte /5-Baureihe stand bei den Händlern. Der Verkaufserfolg der neuen Maschinen auf dem sich belebenden Motorradmarkt sollte die Motorrad-Fraktion im Hause BMW stärken. Es fiel auf, dass die stärkste Maschine, die R 75/5, sich am besten verkaufte. 1971 begannen bei BMW daher Überlegungen, dass das nächste BMW-Spitzenmodell auf zwei Rädern, der Honda CB 750 Paroli bieten müsste und zugleich Sportlichkeit wie Exklusivität ausstrahlen sollte.

Das im September 1973 präsentierte Quartett der /6-Modelle nahm nicht nur damals aktuelle technische Trends wie fünfgängige Getriebe und Scheibenbremsen am Vorderrad auf, sondern dokumentierte den Einfluss professionellen Designs. Hans A. Muth hatte die sportlich-elegante Gestaltung der R 90 S, mit serienmäßiger Cockpitverkleidung und sportlich wirkendem Sitzbankabschluss samt aufwändiger Verlaufslackierung erdacht. Das Designerstück kam beim Publikum an. Der große Erfolg, den die R 90 S -trotz des hohen Einstandspreises – hatte gab ihren Verfechtern Recht.

Die R 90 S hatte gezeigt, dass der Trend vom simplen Universalmotorrad wegging. Der Weg zu Produktdiversifikation sollte bei BMW bis in die 1980er Jahre über einen geschickt variierten Baukasten führen. Hans A. Muth stylte die vollverkleidete R 100 RS, als Topmodell der neuen /7 Baureihe. Sie war das erste vollverkleidete Großserienmotorrad der Welt. Die Auffächerung des Programms ging 1978 mit der R 45/R 65 und der R 100 RT, dem „Reisetourer“ weiter.

1988 | BMW K1

Der Bruch mit den Traditionen bei BMW Motorrad

Zugleich wurde entschieden, die BMW K 100 zu bauen. Dieses Motorrad war der radikalste Bruch mit der BMW-Tradition: Gitterrohrrahmen, vier Zylinder, Wasserkühlung, Kraftstoffeinspritzung und DOHC-Technik waren für die alten Boxer-Fans schwer zu schlucken. Dazu kam ein Konzept, das es in der Tat so noch niemals zuvor gegeben hatte. Vierzylinder in Reihe mit längsliegender Kurbelwelle und Wellenantrieb zum Heck kannte man bereits, aber noch niemand hatte den Block um 90 Grad nach links gekippt.  Das ungewöhnliche Prestige-Motorrad sollte noch fünf Jahre auf sich warten lassen.

Deshalb brauchte BMW ein interessantes Übergangsmodell. BMW-Techniker hatten aus Boxern „Enduros“ gebaut und daraus entwickelte man jetzt ein Allround-Motorrad, das den Charme eines Range Rover in die damals extrem spartanische Welt der Enduros brachte.

Es wurde gespottet, dass die R 80 G/S (Gelände/Straße) offroad zu schwer und zu breit sei und auf der Straße nicht „sophisticated“ genug. Doch mit erstaunlichen Erfolgen, wie einem frischen Europameistertitel im Rücken, wurde das Motorrad 1980 präsentiert. Nach anfänglichen Startproblemen geriet die G/S zum Trendsetter. Die mit einer ungewöhnlichen Einarmschwinge ausgerüstete BMW wurde zum Urmeter der neuen Gattung „Reiseenduro“. Die G/S hatte dem Boxer wieder neues Leben eingehaucht und auch im Rallye-Sport kam der antiquierte Antrieb wieder zu neuen Ehren.

Drei Jahre später schockierte die neue BMW K 100 mit ihrer Eigenwilligkeit. Sie überzeugte aber mit tiefem Schwerpunkt, guter Ergonomie, niedrigem Verbrauch und langer Lebensdauer. Zur K 100 gesellte sich 1985 dank des cleveren Baukastens noch eine Dreizylinder-Variante. Die BMW K 75 war im Vergleich zu japanischen Sportlern erschreckend teuer und vergleichsweise lahm. Trotzdem blieb sie lange Zeit die sparsamste, tourentauglichste und langlebigste 750er Maschine. Als Technologieträger entstand am Vorabend der Wende die aerodynamisch verkleidete BMW K 1 auf Basis der K 100 RS. Die K 1 besaß als Weltneuheit eine digitale Motorelektronik, bei der Zündung und Einspritzung in einem Gerät vereint waren. Sie war zugleich das erste Motorrad mit Antiblockiersystem und einem geregelten Drei-Wege-Katalysator.

Mit der Paralever-Schwinge, die Kardanreaktionen verringerte, trat der schon fast 20 Jahre alte Boxer zur letzten Runde an. Er schickte als R 100 GS nicht nur die Konkurrenten im Reise-Endurosegment auf die Bretter, auch die Roadster-Variante R 100 R wurde 1991 zum meisterverkauften Motorrad im wiedervereinigten Deutschland. Mit Nostalgie- und „Classic“-Serien wurde den Fans noch bis 1996 kultiges Material geboten.

BMW R 100 GS Paris-Dakar (03/2010)
Die BMW-Siege bei der Rallye Paris-Dakar bescherten den alten Boxern Kultstatus und das Sondermodell R 100 GS Paris-Dakar.

Die Rückkehr des Boxers

Zugleich stieg vor 30 Jahren ein neuer Boxer in den Ring. 1993 war es soweit: Alles war neu, nur die Konzeption war erwartbar geblieben. Ein fahrtwindgekühlter Zweizylinderboxer streckte seine Zylinder seitlich in den Fahrtwind und eine Welle in einer Paralever-Schwinge trieb das einseitig aufgehängte Hinterrad an. Aber es gab keinen Rahmen mehr. Am Motorgehäuse waren ein Rahmenheck und vorn ein Lenkkopf verschraubt. Anstelle von zwei Ventilen atmete der Brennraum über je vier Ventile ein und aus. Die neben dem Zylinder liegenden Nockenwellen wurden von der Kurbelwelle aus von je einer Kette angetrieben. Diese ungewöhnliche Konfiguration machten den Ventiltrieb drehzahlfester als bei den Vorgängern, vermied aber (zu) breit ausladende Zylinderköpfe, die bei einer OHC-Lösung notwendig gewesen wären. Mit einer Kraftstoffeinspritzung, 1.100 cm³ Hubraum und 90 PS war der neue Boxer nicht überzüchtet, bot aber bessere Fahrleistungs-, Abgas- und Geräuschwerte als die vormaligen „Zweiventiler“. An der Vorderhand sorgte das patentierte „Telelever“ um eine saubere Trennung von Radführung und Federung. Zwischen Lenkkopf und einem Dreieckslenker saß ein Federbein. Der Lenker stützte sich am Motorgehäuse ab und war mit einer nur der Radführung dienenden Gabel verbunden. Feinstes Ansprechen und geringes Gabeltauchen beim Bremsen waren die Vorteile gegenüber einer Teleskopgabel. G-Kat und ABS waren zunächst gegen Aufpreis erhältliche, später obligat.

Wurde die tourensportliche R 1100 zunächst etwas verhalten aufgenommen, sollte die wenige Monate später folgende R 1100 GS, das „Schweizer Taschenmesser“ unter den Big Bikes werden. Es entwickelte sich rasant zu einem der bestverkauften hubraumgroßen Motorräder und setzte sich rasch an die Spitze der bundesdeutschen Zulassungshitparade. Mit den Nachfolgemodellen R 1150 GS und R 1200 GS wurde der große Erfolg noch weiter ausgebaut. Dazu kam, dass BMW in den letzten 30 Jahren das Motorradprogramm immer weiter auffächerte. Ab 1993 ging man mit der bei Aprilia montierten F 650 und deren Nachfolgern konzeptionell und fertigungstechnische ganz neue, globalisierte Wege. Heute gibt es im Angebot von BMW Motorrad kleine Einzylindermaschinen bis hin zu üppigen Sechszylindertourern. Doch der Markenkern bleibt der Zweizylinderboxer mit Kardanwelle: Eine Konzeption, die auch noch nach 100 Jahren nicht obsolet wirkt …


Text Karl Nachtigall, Fotos BMW AG

Autor: PS.SPEICHER

Der PS.SPEICHER ist Europas größtes Oldtimer-Museum. 2.500 historische Fahrzeuge an fünf Standorten in Einbeck warten auf Ihre Entdeckung. Von der interaktiv und spielerisch inszenierten Zeitreise durch die Mobilität bis zu zu Spezial-Ausstellungen für Motorräder, Automobile und Nutzfahrzeuge.

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