Kolumne Zeitsprünge | Alpina – Weit mehr als ein Autohersteller

ALPINA 7er E38 B12 6.0

Perfektionist, Ästhet, Autoliebhaber, Weinkenner – vor 50 Jahren begann Burkhard Bovensiepen die Marke ALPINA aufzubauen, heute gibt es keinen vergleichbaren Hersteller geschmackvoller und intelligenter automobiler Pretiosen.

Burkhard Bovensiepen habe ich Mitte der siebziger Jahre kennen gelernt. Ich diente damals bei Auto, Motor und Sport – und die ganze Redaktion war den Erzeugnissen aus Buchloe verfallen. Jenen von der Firma ALPINA verfeinerten BMW-Modellen, die so gar nichts mit der Fülle leistungsgesteigerter Vier- und Sechszylinder zu tun hatten, die andere Tuner zuhauf auf den Markt warfen. Ich lernte damals aber auch rasch, dass Burkhard Bovensiepen eben kein Tuner war, sondern ein Hersteller exklusiver Automobile – und nach einem ersten Besuch in seinem Reich hatte er auch mich überzeugt: Hier entstanden großartige Fahrzeuge mit großartiger Technik, hinter denen sich intelligente Ingenieure und ein präzises Marketing verbergen.

Damals war die Firma gerade einmal zehn, zwölf Jahre alt. Zwölf Jahre, weil der junge Betriebswirtschafts- und Maschinenbau-Student 1963 in der feinmechanischen Fabrik seines Vaters mit dem Bau eigener Vergaser-Anlagen für die eben eingeführten BMW 1500-Modelle begonnen hatte. Sie lieferte zehn Mehr-PS und wurden in der Fachpresse hymnisch beschrieben. Zehn Jahre, weil Bovensiepen am 1. Januar 1965 in Kaufbeuren die ALPINA Burkhard Bovensiepen KG gründete. Der junge Unternehmer hatte auf die richtige Marke gesetzt, denn die damals noch in Schwierigkeiten befindliche BMW AG war mit seiner neuen Klasse gerade dabei, zur sportlichen Alternative der deutschen Mittelklasse zu werden. Die vielen Rennsiege des Hauses sorgten für stetig steigende Zulassungszahlen – und ALPINA sorgte mit vielen Siegen auf den Rennstrecken dafür, dass sich auch die PS-steigernden Umbausätze und erste eigene, nach dem Gusto des Hausherrn aufbereitete, Fahrzeuge immer besser verkaufen ließen.

Die Meriten von Alpina im Rennsport

Die Rennwagen, darunter die legendären CSL-Coupés – für die ALPINA vom Werk mit der Projektleitung beauftragt wurde – fuhren mit erstklassiger Fahrerbesetzung, darunter waren Namen wie Niki Lauda, Hans-Joachim Stuck, Derek Bell, Harald Ertl oder James Hunt. Und die Zahl der Siege mehrte sich, so gewann ALPINA 1970 die legendären „24 Stunden von Spa“ sowie die deutsche Rundstrecken-, Berg- und Rallyemeisterschaft. Dazu gesellte sich dann 1973 noch die Tourenwagen-Europameisterschaft und nährte so den Mythos, bis BMW seine Motorsport GmbH gründete und mit eigenen M-Modellen den meisten BMW-Veredlern den Boden unter den Füßen wegzog.

Zu diesem Zeitpunkt hatte aber auch die erste Ölkrise die Autobranche erschüttert, etliche edle Hersteller in den Konkurs getrieben und bei ALPINA neue Überlegungen ausgelöst: Die Zukunft gehört der intelligenten Mischung aus Leistung und Verbrauchsreduzierung. Diese Melange aus Ökologie und Fahrfreude, vermengt mit einem guten Selbstbewusstsein und der Kenntnis, was elitäre Käufer wünschen, ließ das Unternehmen zu der heutigen Größe wachsen. Und während der Rennsport langsam auslief um 1977 mit dem Gewinn der Tourenwagen-Europameisterschaft gegen die von der Papierform überlegenen Jaguar-Coupés zu einem furiosen Ende zu gelangen, schufen die Techniker drei völlig eigenständige Modelle, die 1978 das Licht der Welt erblickten: Den B6 2.8 – einen Dreier mit einem 2,8-Liter-Sechszylinder –, den B7 Turbo, der auf der Basis des Fünfers mit 300 PS zur schnellsten Limousine der Welt geriet und das ebenfalls 300 PS leistende B7 Coupé, das in der Liga von Porsche und Ferrari mitspielen konnte.

Die Alpina-Modelle als perfekte Ergänzung zum BMW-Portfolio

Fritz Indra, später Technik-Chef bei Audi, bei Opel und bei General Motors hatte einen hocheffizienten Motor geschaffen, der als erster BMW-Sechszylinder mit Turbolader in Serie ging. 149 Limousinen und 313 Coupés wurden verkauft und katapultierten ALPINA in das Geschäft der Eitelkeiten, in denen nur die Mischung aus Leistung, Qualität und Image zählt. Und als es dann noch eine 330 PS leistende B7 S-Version gab, hatte sich das Unternehmen als Edel-Schmiede der Münchner etabliert. Man muss an dieser Stelle erwähnen, dass es Burkhard Bovensiepen als einzigem Produzenten gelang, zum Partner von BMW zu mutieren – er überzeugte mit Qualität, mit cleveren Ideen und vor allem mit dem Geschick, stets Modelle anzubieten, die der Mutter BMW nicht die Butter vom Brot nahmen. Im Laufe der Jahre wurde so, lange bevor neue Modelle das Licht der Welt erblickten, bereits vorab mit dem Werk geklärt, in welcher Nische man sich tummeln dürfte – und dank des makellosen Rufs konnte ALPINA die Modelle bauen, die sich für einen Großserien-Hersteller wie BMW nicht lohnten. So gab es immer wieder Anfragen, ob BMW nicht einen Dreier mit einem kleinen Achtzylinder-Triebwerk bauen könnte – lieferbar war er dann bei Burkhard Bovensiepen. Und BMW lieferte die Roh-Karosse so, dass der Motor perfekt montiert werden konnte und seiner Edel-Dependance Kosten zu sparen.

Andererseits entwickelte Bovensiepen auch für BMW, wo man die technische Kompetenz und Verschwiegenheit zu schätzen wusste: So wurde der legendäre Formel 1-Motor, der den Münchnern 1982 zur Weltmeisterschaft verhelfen sollte, entscheidend in Buchloe entwickelt. Und als BMW die Produktion des M1 einstellte, hätte man diese Ikone – die damals noch niemand als Ikone entdeckt hatte – nur allzu gerne in die Hände von Burkhard Bovensiepen weitergegeben, der dieses Ansinnen aber zurückwies: „Wir wären damals nicht in der Lage gewesen, den M1 selber weiterzubauen und weiter zu entwickeln“.

Stattdessen entwickelte Bovensiepen kleine Serien feiner Automobile und neue Technologien – so kam man 1985 mit dem ersten Metallkatalysator auf den Markt und 1989 schrieb Paul Frère dann über den B10 Bi-Turbo: „This is the best 4-door in the world.“ 1993 präsentierte man die Switch-Tronic, die über Knöpfe am Lenkrad geschaltet wurde und der SUPERCAT – ein elektrisch beheizter Metallkatalysator – konnte die gültigen Abgaswerte um mehr als 80 Prozent reduzieren. Bovensiepen wusste schon damals, dass die Akzeptanz starker Fahrzeuge eng mit deren Umweltfreundlichkeit verbunden war. Und es gab viele starke Modelle – 1999 überraschte er dann mit dem ersten ALPINA-Dieselmodell und 2002 eroberte man sich dann mit dem Roadster V8, einer Automatikversion des Z8 mit einem hauseigenen V8-Motor die USA, denn die Amerikaner wollten den Z8 nur mit Automatikgetriebe haben. Es gibt manche solcher Geschichten: Die Einführung des Radialverdichters 2003, der B5 mit aufgeladenem 4,4-Liter-V8 im Fünfer oder der B3 Bi-Turbo – dazu 2013 der erste SUV aus Buchloe, der XD 3. Heute produziert ALPINA jährlich etwa 1700 Fahrzeuge und ein erklecklicher Teil davon geht in die Schweiz, wo die Allrad-Varianten besonders erfolgreich sind.

Diese Erfolgsgeschichte wäre aber unvollständig ohne den Hinweis auf den Weinhändler Bovensiepen, der – stets seiner Lust an den schönen Dingen des Lebens folgend – 1979 mit dem Import exklusiver Weine begonnen hatte. Und es wundert nicht weiter, dass Burkhard Bovensiepen auch hier heute zu den größten und besten Adressen europaweit zählt.


Dieser Text ist erstmals in der NZZ am Sonntag vom 7. Juni 2015 erschienen.


Fotos ALPINA Burkard Bovensiepen GmbH & Co. KG

Autor: Jürgen Lewandowski

Jürgen Lewandowski schreibt seit mehr als 40 Jahren über Menschen und Autos - und hat mehr als 100 Bücher veröffentlicht. Traumklassiker: Alfa Romeo 8C 2900 Touring Spider und Lancia Rally 037. Eigener Klassiker: Alfa Romeo R.Z. von 1993.

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