Ihr gutes Recht | Unfallfrei? Was ist das überhaupt? Was gilt bei Kauf- und Zulassung?

unfallfrei Bagatellschaden ACE

Im Zuge des Handels mit klassischen Fahrzeugen wird immer wieder auch die Frage der Unfallfreiheit diskutiert. Daher vorangestellt: Was bedeutet die Begrifflichkeit unfallfrei überhaupt?

Der Begriff unfallfrei wird branchenüblich dafür gebraucht, dass das Fahrzeug in der Vergangenheit noch keinen Unfall erlitten hat, der über die sogenannte Bagatellgrenze hinausgeht, also aufklärungspflichtig ist.

Aufklärungspflichtig ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofes ein solcher Unfall, der über „Bagatellen wie Lackkratzer“ hinausgeht. Also ist immer dann, wenn sich die Beseitigungsarbeiten auf eine Lackierung beschränkt haben eine Aufklärungspflicht nicht gegeben. Das Fahrzeug gilt also weiterhin als unfallfrei. Gehen die Arbeiten über Lackierungsarbeiten hinaus, müssen also bspw. irgendwelche Karosserieteile ausgetauscht, oder auch nur Dellen herausgedrückt werden, ist die Bagatellgrenze überschritten und es liegt ein aufklärungspflichtiger Unfall vor.

Diese Aufklärungspflicht gilt immer dann, wenn das Fahrzeug in der Vergangenheit einen solchen aufklärungspflichtigen Unfall erlitten hat. Diese Aufklärungspflicht gilt auch dann, wenn die Unfallfolgen bereits vollständig beseitigt sind. Der Jurist spricht vom Unfallcharakter, dieser Unfallcharakter bleibt, auch dann, wenn der Unfallschaden bereits behoben wurde.

Vom Unfallcharakter zu unterscheiden ist der sogenannte Unfallrestschaden. Vom Unfallrestschaden spricht man dann, wenn der Unfallschaden nicht vollständig beseitigt wurde.

Was darf man nun erwarten? Unfallfrei? Beseitigung von Unfallrestschäden? Oder gar nichts?

Beim Handel mit klassischen Fahrzeugen sind die beiden Begriffe „unfallfrei“ und „Unfallrestschaden“ durchaus von Bedeutung.

Am einfachsten ist die rechtliche Bewertung dann, wenn der Verkäufer „Unfallfreiheit“ zusagt. Ist eine ausdrückliche vertragliche Vereinbarung zur Unfallfreiheit getroffen darf das Fahrzeug in der Vergangenheit keinen solchen Unfall erlitten haben, der über „Bagatellen wie Lackkratzer“ hinausgeht. Selbstverständlich darf ein Fahrzeug dann auch erst recht keine Unfallrestschäden haben.

Schwieriger zu beurteilen ist die Situation, wenn zwischen den Parteien nichts zum Unfallcharakter vereinbart ist. Dies ist häufig der Fall, wenn Vertragsformulare verwendet wurden. Betrachtet man die dortigen Formulierungen genauer, ist nur von einer Kenntnis von einem Unfallschaden die Rede, nicht aber davon, ob tatsächlich einer vorlag (der dem Verkäufer nicht bekannt ist).

Bei jungen Gebrauchtfahrzeugen geht der BGH davon aus, dass die übliche Beschaffenheit die Unfallfreiheit erfasse. Das älteste Fahrzeug, was nach meinem Überblick Gegenstand der BGH-Rechtsprechung war, war ein 6 Jahre altes Fahrzeug.

Es liegt auf der Hand, dass diese Rechtsprechung nicht 1 zu 1 auf klassische Fahrzeuge übertragbar ist, die zumeist älter als 30 Jahre sind. Betrachtet man die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Kraftfahrzeug jedes Jahr an einem Verkehrsunfall beteiligt ist, wird deutlich, dass bei einem 30 Jahre alten Fahrzeug die Wahrscheinlichkeit eines Unfallschadens größer ist als die Wahrscheinlichkeit der Unfallfreiheit. Bei einem 30 Jahre alten Fahrzeug kann man also nicht davon ausgehen, dass dieses „gewöhnlich unfallfrei“ ist. Man muss also durchaus damit rechnen, dass das Fahrzeug in der Vergangenheit einen Unfallschaden erlitten hat, der über „Bagatellen, wie Lackkratzer“ hinausgeht, aber zwischenzeitlich vollständig beseitigt wurde.

Wie sieht es dann mit Unfallrestschäden aus?

Bei Unfallrestschäden lag ein Unfallereignis vor, welches nicht vollständig sach- und fachgerecht beseitigt wurde, sondern bei welchem noch Unfallspuren vorhanden sind.

Betrachten wir für diese Konstellation zunächst die Zulassungsfähigkeit:

Die Richtlinie zum § 23 StVZO (Zulassung als H-Kennzeichen) formuliert, dass ein Fahrzeug keine sichtbaren Unfallrestschäden haben darf. Die „Sichtbarkeit“ schränkt die Richtlinie nicht ein, spricht also nicht davon, dass die Sichtbarkeit bei normaler Betrachtung auf der Straße abgestellt wird. Man muss also „sichtbar“ etwas konservativer betrachten und die eingehende Untersuchung, inklusiv Untersuchung auf einer Hebebühne, mit einbeziehen.
Wenn vor diesem Hintergrund Restspuren eines Unfalls verbleiben, ist das Fahrzeug – bei wörtlicher Betrachtung der Richtlinie – nicht H-Kennzeichen fähig. Dem Unterzeichner ist durchaus bekannt, dass zahlreiche Prüfingenieure eine großzügigere Auslegung der Richtlinie bevorzugen, bei Betrachtung des Wortlautes findet dies aber keine Grundlage!

Was bedeutet dies für den Kaufvertrag?

Dann, wenn das Fahrzeug mit frischer H-Kennzeichenabnahme veräußert wird, ist die Beurteilung einfach. Im März 2013 hatte der BGH ausgeurteilt, dass dann, wenn ein Fahrzeug mit frischer 23er Abnahme veräußert wird, das Fahrzeug dem für die 23er Abnahme geforderten Zustand auch tatsächlich gerecht werden muss. Liegt ein Unfallrestschaden vor, der sichtbar ist, ist dies nicht der Fall, weshalb das übergebene Fahrzeug dann juristisch mangelhaft wäre.

Wird ein Fahrzeug hingegen nicht mit frischer Hauptuntersuchung veräußert, kommt es alleine auf die übliche Beschaffenheit an. Betrachtet man, dass bei einer alle 2 Jahre wiederkehrenden Hauptuntersuchung mit überprüft werden muss, ob die Voraussetzung für die Erteilung des H-Kennzeichens noch gegeben sind, wäre bei der vertraglichen Zusage „HU neu“ ebenfalls zu fordern, dass keine Unfallrestschäden vorliegen, da über die Anforderung der Hauptuntersuchung die Richtlinie zum § 23 quasi durch die Hintertür doch Vertragsbestandteil wird.

Wird ein Fahrzeug veräußert, welches gar keine Zulassung besitzt, wird man aber wohl nicht üblicherweise von fehlenden Unfallrestschäden ausgehen können. Typischerweise handelt es sich um den Handel von Restaurationsobjekten. Bei diesen muss mal wohl mit allen Überraschungen rechnen.

Wie geht der Händler bei der Veräußerung von Fahrzeugen mit einer solchen Situation um?

Veräußert ein Händler ein Fahrzeug an einen Verbraucher, ist er seit Anfang 2022 dem seit diesem Zeitpunkt neu geltenden Kaufrecht unterworfen. Besondere Bedeutung spielt hier die sogenannte negative Beschaffenheit.

Will der Händler ein Fahrzeug veräußern, welches unter der üblichen Beschaffenheit zurückbleibt, muss er dies ausdrücklich und gesondert vereinbaren. Im Rahmen der hiesigen Artikelreihe waren die Besonderheiten herausgearbeitet worden.

Eine fehlende Zulassungsfähigkeit, Unfallrestschäden oder ähnliches sind sicherlich negative Beschaffenheiten. Der Händler ist also tunlichst beraten, wenn er einen solchen Zustand ausdrücklich und gesondert vereinbart.

Dies gilt auch dann, wenn der Händler sich nicht sicher ist, ob vielleicht Unfallrestschäden vorhanden sind. Auch diese Unsicherheit sollte ausdrücklich und gesondert vereinbart werden.


Fotos ACE-Wirtschaftsdienst GmbH

Autor: Dr. Götz Knoop

Dr. jur. Götz Knoop ist Fachanwalt Verkehrsrecht und Spezialist Oldtimerrecht. In seiner Kolumne "Ihr gutes Recht" gibt er praxisnahe Informationen zu juristischen Fragen rund um Old- und Youngtimer.

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