Vorkriegsklassiker und Rahmenfahrzeuge: Jetzt kaufen?

Rahmenfahrzeuge Ford Model A Sedan 1930

Nicht zuletzt durch den demografischen Wandel hat sich der Markt für klassische Fahrzeuge in den vergangenen Jahren drastisch verändert. Youngtimer und Emerging Classics erfahren weiter einen starken Zuspruch und entsprechenden Wertzuwachs. Fahrzeuge aus den frühen Nachkriegsjahren und ältere Rahmenfahrzeuge verzeichnen hingegen eine zurückgehende Nachfrage. Einer der Gründe hierfür ist sicherlich, dass jeder, der an die Anschaffung eines klassischen Fahrzeugs denkt, am ehesten geneigt ist, sich seinen Kindheits- oder Jugendtraum zu erfüllen.

Die Generation derer, die sich diesen Traum mit einem Fahrzeug aus den 50er-Jahren oder älter erfüllt haben, trennen sich aktuell aus Altersgründen eher von Ihren Klassikern, als dass sie sich einen zweiten in die Garage stellen. Wer sich den Kindheitstraum eines Rahmenfahrzeugs aus den 30er-Jahren erfüllt hat, dürfte in aller Regel dieses inzwischen bereits vererbt haben. Die Erben – Kinder und Enkel – teilen allerdings oftmals nicht die gleiche Leidenschaft mit dem letzten, langjährigen Besitzer. Dadurch sind relativ viele Fahrzeuge auf dem Markt, bei denen sich aber die Nachfrage eher in überschaubaren Grenzen hält.

Wer kann sich schon einen 500K leisten?

Ein Mercedes-Benz 500 K Spezial-Roadster, Horch 853 Roadster oder Duesenberg SSJ Speedster bleibt normalerweise in der Familie oder findet seinen neuen Besitzer auf einer internationalen Auktion. Haken dran, von dieser Kategorie Rahmenfahrzeuge reden wir hier nicht – es gibt ja eh nur ein paar Exemplare, die alle zu 7- oder 8-stelligen Summen gehandelt werden.

Was aber ist mit den „Brot-und-Butter“ Autos der 30er- bis 50er-Jahre?

Eines muss jedem klar sein, der sich auf dieses Vorhaben einlässt: Vergessen Sie Begriffe wie „Wertzuwachs, Wertanlage, Garagengold (übrigens ein furchtbares Wort!) oder sogar „gesuchtes Sammlerobjekt“. Dafür ist aber aktuell die Gelegenheit günstig, sich ein Rahmenfahrzeug zu kaufen, da das Angebot groß ist, der Wertzuwachs bis auf Weiteres gestoppt wurde und das Preisgefüge sich stabilisiert hat.

Ein Vorkriegsklassiker, der nicht aus exquisiter Manufaktur stammt, von dem mehr, als nur eine Handvoll produziert wurden und der obendrein noch ansehnlich, original und fahrbereit sein soll, verursacht bei Anschaffung und Unterhalt Kosten, die nicht zwingend als Investition betrachten werden dürfen.

Es handelt sich – von wenigen Ausnahmen abgesehen – um Gewinn an Lebensqualität und einen persönlichen Beitrag zur Erhaltung von automobilem Kulturgut, an dem man viel Freude haben kann. „Will ich das?“ sollte also die erste, alles entscheidende Frage vor dem Kauf sein.

Beantwortet man diese Frage mit „JA“, kann die Suche losgehen. …wonach genau, muss dann ebenfalls wieder neu entschieden werden.

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Vor- oder doch lieber Nachkriegsklassiker – Welche Rahmenfahrzeuge sollen es sein?

Bei Nachkriegsfahrzeugen ist die Ersatzteilversorgung bei den großen Herstellern mit werksseitiger Klassik-Betreuung hierbei deutlich besser, als bei Vorkriegsfahrzeugen. Bei den deutschen Herstellern darf nicht vergessen werden, dass große Teile der Archive, Produktionsanlage und Ersatzteillager den Bombenangriffen des zweiten Weltkriegs zerstört wurden.

Dennoch kann man aber davon ausgehen, dass auch ein Vorkriegsfahrzeug von einem heute noch existenten Hersteller weniger Probleme bereitet, als ein Fahrzeug von einer längst verschwundenen Marke.

Gute Beispiele hierfür sind in Serie hergestellte Fahrzeuge von Ford, Mercedes-Benz, BMW und Jaguar. Für Einsteiger in die Szene der Rahmenfahrzeuge empfiehlt sich die Suche nach einem „fertigen“ – also restaurierten und fahrbereiten Fahrzeug, wie z.B. einem Ford A.

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Fahrbar, bezahlbar, verfügbar: Ford Model A!

Der Ford A – Nachfolger der legendären Tin-Lizzy, dem 18 Jahre lang als erstes Fahrzeug am Fließband gebauten Serienfahrzeugs – wurde zwar nur von Ende 1927 bis 1931 in verschiedenen Aufbauvarianten gebaut; dafür aber in einer Stückzahl von über 4.4 Millionen Exemplaren, von denen viele bis heute überlebt haben.

Eine sehr lebhafte, internationale Szene kümmert sich um den Erhalt der Fahrzeuge, organisiert den Handel sowie die Nachfertigung von Ersatzteilen und bietet zu moderaten und weitestgehend stabilen Preisen Roadster, Cabrios, Sedans und weitere Karosserievarianten zum Kauf an.

Apropos „andere Karosserievarianten“: Das Model A war weltweit der erste PickUp, den Ford seinerzeit auf Betreiben der australischen Vertriebsorganisation anbot. Die australischen Farmer brauchten ein Auto, mit dem sie in der Woche die Schafe zum Markt und am Sonntag die Familie zum Kirchgang chauffieren konnten. Bis zur lokalen Einstellung der Produktion blieben die „Ute“ genannten PickUp-Varianten von den jeweils aktuellen Limousinen bis vor einige Jahren im Angebot von Ford Australia und Holden! Der PickUp ist also eigentlich kein Ami – er ist ein Aussie! …das aber nur am Rande.

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Suche und Kauf über 90 Jahre nach Markteinführung der Rahmenfahrzeuge

Hat man das passende Fahrzeug gefunden, gilt der erste Blick der Vollständigkeit, Originalität und dem Baujahr entsprechenden Korrektheit aller Anbauteile und Komponenten. Sofern nachvollziehbar, sollte die Historie der Rahmenfahrzeuge möglichst komplett sein, was sich in der Praxis aber oft schwierig gestaltet.

Selbstverständlich müssen auch die üblichen Verdächtigen geprüft werden: Ist der Rahmen gerade und nicht durchgerostet? Läuft aus dem Motor Öl, wie bei einem Springbrunnen? Bläut der Motor (sofern er überhaupt anspringt?) Ist die Karosserie verbaut, mit der der Ford das Werk verlassen hat? Hilfreiche Informationen findet man auf den einschlägigen Seiten im Internet.

Ein zum Roadster nachträglich umgebauter Sedan ist nämlich deutlich weniger wert, als ein originaler Roadster oder ein Cabrio. Dies gilt allerdings für sämtliche Klassiker, wie man zum Beispiel vom gerne nachträglich zum Cabrio umgebauten Mercedes W111 Coupé weiß…

Hat ein Vorkriegsklassiker bis heute überlebt, wurde er nicht immer nur gepflegt und gehegt, sondern jahrelang auf einer Farm, auf Baustellen und in Viehzuchtbetrieben (auf-)gebraucht, mit allem Möglichen am Leben und Fahren gehalten, bis man ihn in einer Scheune parkte, weil der Motor nicht mehr lief – und ihn dann einfach vergaß, bis die ersten Oldtimer-Freaks in den späten 60ern auftauchten, um das verrostete Häufchen Elend gegen eine Kiste Bier zu tauschen und wieder zum Laufen zu bringen und mit der Lammfellrolle zu lackieren.

Mit dem Wertzuwachs, der immer besser organsierten, professionelleren Szene und steigenden Nachfrage wurden diese Fahrzeuge dann zu Liebhaberstücken, erneut restauriert und fortan endlich geliebt und gepflegt.

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Kaufempfehlung

Wie bei ausnahmslos jedem Klassiker empfiehlt sich hier – allerdings in besonderem Maße – das bessere, komplettere und originalerer Fahrzeug teurer zu kaufen, als einen Klassiker „mit Potential“, was oftmals nichts anderes bedeutet, als dass die Restarbeiten dem Besitzer zu kostspielig zu aufwändig geworden sind.

Nehmen Sie Kontakt zu einem Marken-Club auf und lesen sich in das Thema ein. Gespür für den Markt und die Preise ist unerlässlich. Informieren Sie sich über die Besonderheiten einzelner Modellvarianten und Baujahre.

Fragen Sie im Club, ob Sie mit einem Fahrzeug, wie Sie es suchen fahren dürfen. 1. wissen Sie dann genau, ob Sie auch eines kaufen wollen und 2. vergeigen Sie dann nicht die Probefahrt. Vorkriegsautos und Rahmenfahrzeuge sind in der Handhabung eine ganz andere Geschichte, als eine 280 SL Pagode, die beim ersten Schlüsseldreh schon anspringt.

Zur Besichtigung sollten Sie immer jemanden mitnehmen, der im Thema ist – also den Typreferenten des Clubs, oder einen Sachverständigen für klassische Fahrzeuge, die mit Ihnen gemeinsam auf Besichtigung und Probefahrt gehen. Kommen Sie heile und ohne Hilfe des ADAC zurück, ist die erste Hürde genommen.

Bei den Preisverhandlungen sollte man nicht strikt nach Classic Data Tabelle oder Wertentwicklungsprognosen vorgehen. Stellen Sie sich lieber die Frage, ob Sie einen Roadster suchen, oder auch mit einem Cabrio, oder sogar einem deutlich günstigen Sedan leben können und vor allem: …ob Ihnen das Autos X den Preis Y wert ist und Ihnen gefällt, oder nicht.

Wie schon eingangs erwähnt: Als Geldanlage dürfen Sie einen Ford A, einen Mercedes 170 Limousine oder einen Citroën Traction Avant eh nicht betrachten.

Sind Sie fündig geworden, gilt: Fahren Sie ihn, pflegen Sie ihn und trinken mal ein Gläschen Wein auf einem Klappstuhl in der Garage vor dem Kühlergrill. Sie können dabei nicht verlieren, denn Wertverluste sind passé, Lebensqualität aber unbezahlbar, wenn man nicht ständig über einen möglichst hohen Gewinn beim Wiederverkauf nachdenken muss!

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Fotos Audi AG, Daimler AG, Classic Trader

Autor: Christian Nikolai

Christian schreibt regelmäßig für Classic Trader; in erster Linie über Klassiker mit Stern. Seit Ende der 90er arbeitete Christian im Marketing und Vertrieb der Daimler sowie für einige Mercedes-Benz Händler, wo er die dortigen Classic-Abteilungen aufbaute und führte. 2020 hat er sich mit seiner Automotive Unternehmensberatung "RaumLenker MotorConsult" selbständig gemacht, die sich mit der Entwicklung von Vertriebs- und Marketingkonzepten beschäftigt. Außerdem engagiert er sich für Kraftstoff aus nachwachsenden Rohstoffen. Auto-Enthusiasten steht er beim Kauf eines klassischen Fahrzeugs gerne zur Seite. Zum Abschalten steht eine klassische Blech-Vespa in seiner Garage.

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