Von der Eröffnung der AVUS 1921 bis zum Bau der Steilkurve

Eröffnung der AVUS 1937 Mercedes-Benz W 125 von Brauchitsch

Die Planungen von AVUS100 zum 100. Geburtstag der Eröffnung der AVUS sind im vollen Gange. Corona macht es sicher nicht leichter, aber mit umso mehr Engagement arbeitet Ulf Schulz und sein Team mit Hochdruck zum großen Tag hin. In unserer Serie widmen wir uns heute den Anfangsjahren zwischen den Weltkriegen.

Nach einem historisch bedingen aufgeschobenen Bau der Automobil-Verkehrs- und Übungsstraße, über die im ersten Teil geschrieben wurde, war es am 24. und 25 September 1921 endlich soweit: Die Schranken öffneten sich und die Automobile durften endlich die 19,573 Kilometer Strecke in Angriff nehmen.

Das große Rennen zur Eröffnung der AVUS

Die Eröffnung der AVUS konnte natürlich nicht anders begangen werden als mit einem großen Rennwochenende. Das Hauptrennen gewann Lokalmatador Christian Riecken in einem NAG C 4 b. Die heute nicht mehr existierende Marke stammte ebenfalls aus Berlin-Oberschöneweide.

Dieses Duo aus Riecken und einem NAG-Rennwagen sollte auch beim zweiten großen Rennen auf der AVUS am 11. Juni 1922 siegen. Bereits einen Tag zuvor fand das erste Motorradrennen auf dem Kurs statt.

Die wirtschaftlich belastete und unsichere Zeit forderte allerdings ihren Tribut. Wegen der hohen Inflation fanden weniger große Rennsportveranstaltungen als geplant statt. Dafür gingen in den Jahren 1923 und 1924 „Kleinwagenrennen“ an den Start. Die Fahrzeuge durften maximal 1.500 ccm Hubraum haben, was dazu führte, dass die Rundenzeiten und Geschwindigkeiten nicht mit denen des Vorjahres mithalten konnten. Aber dennoch lag die Durchschnittsgeschwindigkeit der Sieger bei etwa 150 km/h.

Am 11. Juli 1926 bekamen die Zuschauer wieder hubraumstärkeren Motorsport beim Ersten Großen Preis von Deutschland zu sehen. 46 Piloten waren in mehreren Klassen gemeldet, um die 20 Runden à 19,57 km, also fast 400 Kilometer in Angriff zu nehmen. Die fatale Mischung aus fehlenden Sicherheitsstandards, schlechtem Straßenbelag und widrigen Witterungsbedingungen machten aus dem Großen Preis ein Ausschlussrennen mit tödlichem Risiko. Bereits im Training starb in der Südkehre Carlo Cattaneo, der damals noch vorgeschriebene Beifahrer und Mechaniker von Luigi Platé in einem Fahrzeug der Marke Chiribiri.

Beim Rennen schließlich kam Adolf Rosenberger mit seinem Mercedes-Benz 2-Liter-Rennwagen Typ Monza in der Nordkurve von der Strecke ab und raste in ein Zeitnehmerhäuschen und gegen eine Rundenzähltafel. Rosenberger und sein Beifahrer wurden lediglich verletzt, aber zwei Personen in der Hütte sowie der Schildermaler kamen ums Leben.

So kamen schlussendlich nur 17 der eigentlich 46 gemeldeten Autos im Ziel an. Als erster – ebenfalls im Mercedes-Benz Typ Monza – sah ein vielversprechendes junges Talent die Zielflagge: Rudolf Caracciola.

Eröffnung der AVUS 1926 Rudolf Caracciola Mercedes-Benz (1)
Großer Preis von Deutschland für Sportwagen auf der AVUS, 11. Juli 1926. Sieger Rudolf Caracciola mit Beifahrer Eugen Salzer (Startnummer 14) auf Mercedes 2-Liter-8-Zylinder-Rennwagen mit Kompressor.

Fritz von Opels wilder Ritt auf dem RAK 2 Raketenauto

Die AVUS war aber in dieser Zeit auch immer Schauplatz für Rekordjagden jeglicher Art. Im Mai 1928 gelang Fritz von Opel im Raketenbetriebenen RAK 2 ein vielbeachterer Auftritt. Vor 3.000 geladenen, teils prominenten Gästen zündet der Abenteurer eine Zündstüfe nach der anderen und erreicht einen neuen Rundenrekord mit der Spitzengeschwindigkeit von 238 km/h.

Eröffnung der AVUS 1928 Opel RAK 2

Zehn Jahre nach Eröffnung der AVUS

„Karratsch“, wie Rudolf Caracciola auch gerufen wurde, sollte auch 1931 siegen. 1932 wurde er in seinem Alfa Romeo noch kurz vor dem Ziel von Manfred von Brauchitsch in dessen Mercedes-Benz SSKL überholt. Das Rennen schrieb aber auch eine andere, traurige Geschichte. Der tschechoslowakische Privatrennfahrer und Adlige Georg Christian Prinz von Lobkowicz verunglückte bereits in der ersten Runde tödlich. Bei einem Überholmanöver von Hans Lewy brach der Bugatti T 54 von Lobkowicz aus und krachte gegen einen Bahndamm.

Während des dritten Reiches wurden die Rennen natürlich vermehrt unter den Gesichtspunkten des nationalen Wettstreits gesehen. Ähnlich wie bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin sollte auch der Rennsport die vermeintliche Überlegenheit deutscher Athleten und Fabrikate dokumentieren. So wurden dem Motorsport mehr finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt, was im Ergebnis die sogenannten Silberpfeile von Mercedes-Benz und Auto Union zur Folge hatte. 1935 gewann so Luigi Fagioli auf Mercedes-Benz in einer neuen Rekord-Durchschnittsgeschwindigkeit.

Die Steilkurve

Die Geschwindigkeiten nahmen ab 1937 noch mehr zu, als die überhöhte Nordkurve gebaut wurde. Die aus Ziegelsteinen gemauerte Steilkurve ermöglichte den teils stromlinienförmigen Rennwagen sagenhafte Geschwindigkeiten. Der Sieger von 1937, Mercedes-Benz Fahrer Hermann Lang, erreicht fast 400 km/h in der Spitze, Bernd Rosemeyer in seinem Auto Union-Boliden die lange danach nicht mehr erreichte Durchschnittsgeschwindigkeit von fast 280 km/h.

Wo Rekorde purzeln und die Geschwindigkeiten stetig ansteigen, die Beschaffenheit und Sicherheit der Strecke – gerade der neuen Steilkurve – aber nicht Schritt halten können, sind die Katastrophen fast vorprogrammiert. Erfahren Sie mehr in über den Neustart der AVUS nach dem Zweiten Weltkrieg im geteilten Berlin im nächsten Teil der AVUS-Serie.

Eröffnung der AVUS Steilkurve 1937 Bernd Rosemeyer Auto Union (18)
Bernd Rosemeyer (Auto-Union) in der Steilkurve 1937.

Mehr unter
www.avus100.de


Fotos Audi AG, BMW AG, Daimler AG

Autor: Paolo Ollig

Paolo Ollig schreibt als Chefredakteur regelmäßig über alle Raritäten und Meilensteine der Automobil- und Motorrad-Geschichte. Traum-Klassiker: Lamborghini Countach und Mercedes-Benz 300 SL. Eigener Klassiker: Mercedes-Benz 230 CE (W123) von 1981.

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