Volvo 740 GL – Mit dem Schweden durch den Winter

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Mit jedem Saisonende für Kradfahrer rückt neben vielen wehmütigen Momenten auch der Gedanke nahe, wie denn im Winter die Mobilität gesichert wird, wenn auch garantiert jeder letzte Sonnenstrahl mit dem Zweirad ausgenutzt wurde und herbstliche Temperaturen von 2 bis 8 Grad, rutschige nasse Blätter und Morgennebel auch den schmerzfreieren unter den Bikern die Lust aufs morgendliche Losfahren verderben.

Volvo 740 GL – Schwedischer Ziegelstein

Die Suche nach einem gebrauchten Kleinwagen mit TÜV für schmales Geld hat mich nicht wirklich zum Erfolg geführt. Diverse Pannenstatistiken von Twingo, Kaa und Co. ab einer Laufleistung von bereits weniger als 100TKM verunsicherten mich selbst im Hinblick auf meine geplante kurze Nutzungsdauer. Die Monatskarte für die öffentlichen Verkehrsmittel stellte für mich aufgrund langer Wege aber auch keine Alternative dar.

Der Zufall wollte es, dass mir aus dem Freundeskreis die Nutzung einer Volvo 740 GL Limousine als Winterleihgabe angeboten wurde. Mit zögerlicher Freude definierte ich gedanklich meine Parameter für ein „ideales Stadtfahrzeug“ neu. Klar, es würde schwieriger werden, für einen 4,78m langen Wagen in Berlin eine Parklücke zu finden, aber ich kam auch nicht mehr daran vorbei – etwas in mir hatte sich längst für den Wagen entschieden!

Und auch mit hard-facts ist diese Entscheidung im Nachhinein zu untermauern: Den damaligen Motoren der 700er Baureihe eilt ihr wartungsarmer und langlebiger Ruf voraus: Laufleistungen von über 300TKM sind durchaus üblich. Da es in Schweden bekanntermaßen kälter ist als in unseren Breitengraden, können auch Minustemperaturen einem zuverlässigen und ruhigen Lauf des 2,3l Vierzylinder-Motors mit Benzineinspritzung und 83KW nicht viel anhaben. Der Winter kann also kommen!


Volvo 740 GL


Volvo 740 GL – Mit Ecken und Kanten

Wie so vieles ist sicherlich auch in diesem Fall die Form der Karosserie reine Geschmackssache. Das von Jan Wilsgaard entworfene ungewöhnlich kantige Design der Limousine der Baujahre 1984-1989 hat Liebhaber wie Kritiker. Das Stufenheck, die eckige Form der Lampen und die Kanten von Motor- und Kofferraumklappe hat dem Modell viele Spitznamen eingebracht: Vom „Schwedischen Ziegelstein“ über den „Container-Volvo“ für die Kombi-Version. In der Schweiz wurden beide Versionen aufgrund der breiten kantigen Frontansicht auch gerne als „Schneepflug“ bezeichnet. Ich persönlich liebe diese außergewöhnliche Form und ernte viele „Daumen hoch“ an der Ampel.

Der Volvo 740 GL ist nicht nur extrem langlebig und robust, nein, er ist auch unglaublich bequem! Auf gemütlichen Velourssitzen lässt es sich ganz entspannt durch die Stadt schaukeln, Sitzheizung inklusive. Der Motor läuft so leise und ruhig, dass ich mich im Stand des Öfteren vergewissern muss, ob er überhaupt noch läuft. Der Innenraum ist großzügig ausgelegt mit breiter Mittelkonsole und einem ewig langen Fußraum. Auch auf der Rückbank kann man sich über lange Strecken bequem chauffieren lassen. Neben den skandinavischen Ländern nutzte auch die DDR-Regierung die Volvo 700er-Reihe als Repräsentations- und Behördenfahrzeuge. Und wie ich später erfuhr, war „mein“ neuer GL tatsächlich früher wohl auch so eine DDR-Staatskarosse.



Volvo 740 GL – Unterschätzter Youngtimer

Ab dem Modelljahr 1987 waren alle 740-Modelle auch in Deutschland mit einem geregelten Katalysator lieferbar und bewegen sich in der Klasse schadstoffarm EURO 2. Wesentlich häufiger als die Limousinen sieht man heute noch die Kombis, die ab 1985 auf den Markt kamen und in denen man entspannt im Kofferraum seine Isomatte ausrollen kann. Tatsächlich aber wurden von der Limousine 650.443 Fahrzeuge hergestellt, von den Kombimodellen liefen in den Jahren 1985 bis 1992 dagegen „nur“ 358.952 Fahrzeuge vom Band.

Trotz (oder wegen?) der beschriebenen Robustheit und der relativ hohen Auslieferungszahlen ist der Volvo 740 wohl eher ein Youngtimer auf den zweiten Blick. Die vielfach gut erhaltenen und rostarmen Modelle auf dem Markt liegen zwischen 900 und 4.000 Euro. Die ersten beiden Auslieferungsjahre sind bereits H-Kennzeichen-fähig. Meines Erachtens nach eine kultige Alternative zu aktuellen und wesentlich jüngeren Fahrzeugen – und der entscheidende Vorteil: Eine Wintergarage entfällt.


Volvo 740 GL


Text Katrin Czempin // Fotos Katrin Czempin, Classic Trader


Autor: Jan Fröhlich

Jan Fröhlich ist Redakteur beim Classic Trader Magazin und begeistert sich leidenschaftlich für klassische Fahrzeuge. Traum-Klassiker: Mercedes Benz 300 SL & Porsche 356 Eigener Klassiker: Velo Solex 3800 von 1968

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