Vergessene Rennstrecken | Die Steilkurven im Autodromo Nazionale di Monza

Autodromo Nazionale di Monza 1970

Fast so sehr wie die Piloten und Boliden sind manche Rennstrecken ebenfalls Stars des Motorsports. Wer hält nicht die Luft an, wenn mit Vollgas durch die Eau Rouge-Kurve in Spa geschossen wird oder nickt wissend, wenn die Begriffe Parabolica, Schwalbenschwanz oder Loews fallen? Von Monza bis Monaco, von AVUS bis Zolder, auf vielen der legendären Strecken wird heute noch gefahren. Es gibt aber auch die verlassenen und zugewucherten Strecken – teils direkt neben den aktuell noch in Betrieb befindlichen Passagen –, auf denen große Siege gefeiert und große Dramen beweint wurden.

Das Autodromo Nazionale di Monza im Königlichen Park der gleichnamigen Stadt nördlich von Mailand zählt seit Einführung der Formel 1 1950 zu den festen Terminen im Kalender – nur 1980 musste es zugunsten des Kurses in Imola aussetzen. Daher ist allen Motorsportbegeisterten der Kurs mit seinen langen Hochgeschwindigkeitspassagen ein Begriff.

Die Geschichte der Strecke geht aber bis ins Jahr 1922 zurück, als sich der Automobilclub von Mailand anlässlich des 25-jährigen Jubiläums des Vereins mit einer Rennstrecke belohnen wollte. Für die Realisierung und die Verwaltung der Rennstrecke wurde die Società Incremento Automobilismo e Sport (S.I.A.S.) aus privatem Kapital gegründet.

In der Vorphase dachte das Team um Architekt Alfredo Rosselli an eine Schnellstraße und einen Straßenring nebeneinander, mit einer Gesamtlänge von 14 Kilometern und einem geschätzten Kostenaufwand von 6 Millionen Lire.

Im Februar 1922 legten Vincenzo Lancia und Rennfahrer Felice Nazzaro den Grundstein, im Mai begannen schließlich die Arbeiten. Fast wie die Boliden später auf dem Höchstgeschwindigkeitskurs gingen auch die Bauarbeiten rasch voran.

Zwei Steilkurven im Königlichen Park von Monza

Die Strecke bestand aus einem 5,5 km langen Straßenkurs und einem 4,5 km langen Hochgeschwindigkeitsring, der sich durch zwei Steilkurven auszeichnete, die eine theoretische Höchstgeschwindigkeit von 180/190 Stundenkilometern erlaubten.

Die Steilkurven waren durch zwei Geraden von jeweils 1.070 Metern Länge verbunden. Das Publikum war in zwei verschiedenen Bereichen untergebracht: die Haupttribüne mit einer Kapazität von 3.000 Plätzen und sechs Seitentribünen mit je 1.000 Plätzen.

Am 3. September 1922 war offizielle Eröffnung, fünf Tage später fand auch schon das erste Motorrad-Rennen statt. In den Folgejahren wurden teils auf dem Gesamtkurs, teils auch nur im Oval gefahren. Mitunter kam es zu schweren Unfällen in den Steilkurven, sodass der Kurs durch Schikanen etwas entschärft wurde.

Autodromo Nazionale di Monza Totale

Stetige Änderungen am Autodromo Nazionale di Monza

Die erste große Änderung wurde 1938 vollzogen, als die Steilkurven des Hochgeschwindigkeitsovals abgerissen, die Streckenführung verändert und eine neue Tribüne gebaut wurden. Die zweite Etappe von Baumaßnahmen, die den Weg zum heutigen Erscheinungsbild ebneten, fand 1955 statt. Es wurden auch wieder Steilkurven verbaut, diesmal aber nach aktuellen Sicherheitsstandards, um das Risiko zu minimieren.

Ausschließen konnte man das Risiko durch die hohen Geschwindigkeiten in der Steilkurve aber nicht. Beim tragischen Großen Preis von Italien 1961 verloren Wolfgang Graf Berghe von Trips im Ferrari und elf Zuschauer ihr Leben. Dieses tragische Ereignis beendete die Zeit der Steilkurven und verlagerte das Geschehen auf die heutige Grand Prix-Strecke, die im Laufe der Zeit aber auch regelmäßig angepasst wurde.

Im weitläufigen königlichen Park von Monza sind die Zeugen der im nächsten Jahr einhundertjährigen Geschichte aber unverändert präsent.


Mehr zur Geschichte berühmter Rennstrecken finden Sie im Artikel über die AVUS oder Brooklands.


Fotos Autodromo Nazionale Monza SIAS S.p.A.

Autor: Paolo Ollig

Paolo Ollig schreibt als Chefredakteur regelmäßig über alle Raritäten und Meilensteine der Automobil- und Motorrad-Geschichte. Traum-Klassiker: Lamborghini Countach und Mercedes-Benz 300 SL. Eigener Klassiker: Mercedes-Benz 230 CE (W123) von 1981.

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