Vélosolex – La Grande Nation auf der Rolle

Frankreich, La Grande Nation, hat etliche Autos hervorgebracht, die über einen langen Bauzeitraum zu großen Fahrzeugen wurden. Die Citroën DS und der Renault 5 beispielsweise. Aber auch auf zwei Rädern gibt es einen Star – einen bescheidenen zwar, der aber eine große Fangemeinde hat: die Vélosolex.
Der Ruhm des Mofas geht nicht vom bahnbrechenden Design oder opulenter Leistung aus, sondern durch Robustheit und Einfachheit. Eine schlichte Formel, die auch dem Citroën 2CV oder dem Renault 4 und in Italien beispielsweise der Vespa ein langes Leben bescherten.
Hinter der Erfolgsgeschichte steht die Firma Solex von Maurice Goudard und Marcel Mennesson. 1905 gründeten sie ihr Unternehmen, das ab dem Ersten Weltkrieg in Europa Marktführer für Vergaser wurde. Nahezu alle Marken, auch die glamourösen, bezogen die Vergaser von Solex.
Günstige Mobilität für die breite Masse war rund um den Zweiten Weltkrieg vonnöten. Also holten die beiden Unternehmer alte Pläne für einen Hilfsmotor aus der Schublade und präsentierten 1941 den ersten Prototypen eines reibrollengetriebenen Mofas.
Auf ein handelsübliches Herrenfahrrad von Alcyon wurde der Motor verbaut. Die Zutaten entsprachen weitestgehend denen, die später für Jahre zur Serienfertigung gehören sollten: Reibrollenantrieb über das Vorderrad, einseitig gelagerte Kurbelwelle und schwimmerloser Vergaser mit Kraftstoffpumpe. Nur der Hubraum betrug beim Prototyp lediglich 38 cm³.
Von einer Idee zur Serienreife
Ein neues Gesetz erlaubte rechtzeitig zur Serienfertigung Hilfsmotoren bis 50 cm³, daher rollte die erste Vélosolex mit 45 Kubikzentimetern und 0,4 PS auf die Straße. Die bauartbedingten Mängel, dass bei Nässe oder abgefahrenen Reifen die Reibrolle durchrutschte und einiges (der ohnehin nicht im Überfluss vorhandenen) Kraft verloren ging, waren das eine. Dass die Schlichtheit der Technik Abzüge in der Bedienerfreundlichkeit mit sich brachte, das andere. Keine einfache Möglichkeit, während der Fahrt die Reibrolle vom Reifen zu lösen, keine Kupplung, nicht mal ein Ständer. Die Vélosolex musste an die Hauswand angelehnt werden oder mit dem tieferliegenden Pedal an der Bordsteinkante fixiert werden – beide Varianten ein vertrauter Anblick im Frankreich-Urlaub.
Die Verbesserungen kamen mit jeder größeren Modellpflege. 1951 gab es beispielsweise einen Mittelständer und endlich den ersehnten Hebelmechanismus zum Lösen des Motors vom Rad. Eine Kupplung gab es nach wie vor nicht, es gab nur die Wahl zwischen „Vollgas“ und Bremse.
Konkurrenz belebt das Geschäft, auch bei der Vélosolex
Aufkommende Konkurrenz bedeutete für Vélosolex, mit den Wettbewerbern mithalten zu müssen. So stieg 1954 die Leistung auf 0,5 PS aus 49 cm³ Hubraum.
Spätestens als das VéloVap der Firma ABG-VAP mit Fliehkraftkupplung präsentiert wurde, musste Vélosolex nachziehen. Das Modell 1700 von 1960 hatte schließlich eine Kupplung, was einige bauliche Veränderungen am Motor und Tank mit sich brachte.
Das vermutlich bis heute geläufigste Modell 3800 kam 1966 auf den Markt, bis auf wenige Modifikationen wurde es bis 1988 gebaut. Hauptaugenmerk wurde auf eine Verbesserung des Komforts und der Alltagstauglichkeit gerichtet. So erfolgte die Gasregulierung durch einen Drehgriff, der Tank war nun aus Kunststoff.
Die Vélosolex wurde auch in anderen Ländern in Lizenz gebaut, auch teilweise weit über 1988 hinaus. Es gab und gibt auch immer wieder Bestrebungen, das Mofa – auch mit Elektroantrieb – wieder aufleben zu lassen. Der Charme der originalen Vélosolex ist aber ungebrochen. Vom Departement Alpes-Maritimes bis zu Hessischen Bergstraße finden sich Enthusiasten, die mit 25 km/h durch die Lande fahren. Auch in den Niederlanden, wo die Vélosolex lange in Lizenz gefertigt wurde, gibt es eine lebendige Tradition, spaßig-sportlich eine Art von Rennen auszutragen.
Dank der einfachen Technik und der großen Anzahl an engagierten Enthusiasten ist die Vélosolex auch heute noch unterwegs. Manchmal sind 25 km/h und etwas französische Nonchalance auch völlig ausreichend.
Fotos Ruote da Sogno S.r.l.
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