Die unglaubliche Wiedervereinigung zweier Porsche 911 S Soft Window Targa

Porsche 911 S Soft Window Targa 1967 (75)

Was ist besser als ein Porsche 911 S Soft Window Targa? Richtig, zwei davon. Und wenn es der Zufall will, teilen die beiden noch eine gemeinsame Geschichte. So geschehen bei zwei aufeinander folgenden 67er Exemplaren, die bei Vehicle Experts stehen.

In den 60er Jahren stand es schlecht um das offene Fahrvergnügen. Das Cabriolet war aus Sicherheitsgründen schwer in Verruf geraten, zu unsicher erschien der Fahrzeugtyp ohne schützendes Dach oder zumindest einem Überrollbügel. Gerade in den USA mit den strengeren Sicherheitsvorschriften drohte das Aus für die beliebten Cabrios.

Der Targa-Bügel als Lösung für offenes Fahrvergnügen

Findige Köpfe bei verschiedenen Herstellern überlegten, wie man beides – offenes Fahrvergnügen bei gleichzeitigen hohen Sicherheitsstandards – miteinander vereinbaren könne. In Zuffenhausen entschied man sich nach langer Entwicklungszeit für eine Version des 911 mit festem, herausnehmbarem Dach, einem strahlend mit Nirostastahl verkleidetem Überrollbügel und faltbarem Heckfenster. Im September 1965 stellte Porsche auf der IAA in Frankfurt am Main dann den ersten Porsche 911 Targa vor.

Die ersten Targas verließen das Werk mit einem Faltfenster mit Reißverschluss. Dem „Soft Window“ war kein allzu langes Leben beschieden. Der Reißverschluss war manchen zu fummelig, wenn man auch das Targa-Dach ausbauen wollte, kostete es manchen Porsche-Fahrer zu viel Zeit und Nerven. Zudem zog sich der Kunststoff bei Kälte zusammen, was Porsche zur Empfehlung veranlasste, das Soft Window unter 15 Grad besser nicht zu öffnen, um zu vermeiden, dass es sich danach nicht mehr richtig schließen lässt. Ab Herbst 1967 konnte der Targa mit abnehmbarer fester Scheibe geordert werden, zum Modelljahr 1970 wurden dann alle Porsche 911 Targa nur noch mit fester Glasscheibe ausgeliefert.

Aber wie es so ist, gleich ob Ölklappe oder Soft Window Targa, was damals nicht so häufig gebaut wurde, ist heute selten und gefragt. Man nehme beispielsweise den 911 S, der von 1967 bis 1969 gebaut wurde, seinerzeit das stärkste 911 F-Modell mit 118 kW/160 PS. Für den europäischen Markt wurden vom Targa nur etwa 300 Stück gebaut. Laut Porsche Classic haben etwa 40 bis 50 Prozent überlebt und sind heute noch auf den Straßen unterwegs.

Wie es der Zufall will, trafen beim Porsche-Spezialisten Vehicle Experts unabhängig voneinander 2017 gleich zwei Stück der frühen Porsche 911 S zusammen. Bei genauerer Betrachtung der Dokumente offenbarte sich ein noch viel größerer Zufall: Die beiden Exemplare haben 1967 direkt nacheinander das Produktionsband in Stuttgart verlassen. Nummer 500 273 am 29.3.1967, 500 274 am 10.4.1967. Nachdem sich die Wege nach der Fertigstellung schnell getrennt hatten, kreuzten sie sich 41 Jahre später wieder.

Porsche 911 S Soft Window Targa Nr. 500 273

Nummer 500 273 ging von Stuttgart nach Köln zum Händler Fleischhauer, der ihn an den Kölner Erstbesitzer verkaufte. In den frühen 70er Jahren wanderte der Zweitbesitzer mitsamt des Soft Window Targa in baliblau in die USA aus. Dieser wiederum verkaufte den Porsche später seinem besten Freund in Oklahoma, der irgendwann beschloss, den Wagen in seiner Scheune einzulagern. Dort bliebt er für mehrere Jahrzehnte und sah entsprechend aus, als ihn Vehicle Experts 2015 ausfindig machte und das Fahrzeug kaufte.

Der ehemals blaue und nun schwarze 911er machte wahrlich einen ziemlich jämmerlichen Eindruck. Nach der Restaurierung strahlt er nicht nur wieder in seiner Ausgangsfarbe baliblau, sondern besticht durch sorgfältig wiederhergestellte Details. Alles strikt nach den Spezifikationen von 1967.

Porsche 911 S Soft Window Targa Nr. 500 274

Nummer 500 274 wurde 1967 von der Firma Mahag in München an die ersten Besitzer ausgeliefert, die den 911er Anfang der 1970 Jahre kurioserweise ebenfalls mit in die USA nahmen. Sie fuhren ihn bis 1991 in seiner originalen, damals speziell georderten „Paint-to-sample“ Farbe Mittelgrau Metallic. Danach verlor sich die die Spur des Wagens. Als 1999 ein deutscher Arzt den Porsche bei einem bekannten Händler in Los Angeles entdeckte, präsentierte sich #274 in einer neuen roten Lackierung.

Gezeichnet vom bewegten Leben wurde ihnen bei Vehicle Experts neues eingehaucht. Die rote Lackierung von Nr. 274 wurde zugunsten des Original-Farbtons Mittelgrau Metallic wieder aufgegeben und auch sonst blieb kein Stein auf dem anderen.

Mit großer Sorgfalt und strengem Blick auf die Unterlagen zur den originalen Auslieferungsspezifikationen wurden die beiden Geschwister in einen Zustand versetzt, den sie in dieser Form vermutlich auch 1967 in Zuffenhausen noch nicht hatten. Gerade 273 hatte nach Jahrzehnten in der Garage eine Restaurierung von Grund auf nötig.

So präsentieren sich die beiden 1967er Porsche 911 S Targa mit dem frühen Soft Window vereint und strahlend wieder in ihrem Heimatland.


Fotos Vehicle Experts

Autor: Paolo Ollig

Paolo Ollig schreibt als Chefredakteur regelmäßig über alle Raritäten und Meilensteine der Automobil- und Motorrad-Geschichte. Traum-Klassiker: Lamborghini Countach und Mercedes-Benz 300 SL. Eigener Klassiker: Mercedes-Benz 230 CE (W123) von 1981.

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