Pontiac GTO & Co. – Zwischen Heckflosse und Ölkrise

Ein Autokauf ist von vielen Faktoren abhängig. Schlussendlich entscheidet in den meisten Fällen die Vernunft. Aber was heute gilt, war in den 50er- und 60er-Jahren in den USA noch ganz anders. Der Pontiac GTO, Cadillac Fleetwood und der Lincoln Continental konnten nicht ausladend und opulent genug sein.
Parkplatznot, Benzinverbrauch, ein kleiner Wendekreis und hohe Praktikabilität: was heute und hierzulande Autofahrerin und Autofahrer bewegte oder antrieb, ein bestimmtes Auto zu fahren, stand nicht immer auf der Liste der gewünschten Fähigkeiten eines Automobils gerade in den USA. Für den durchschnittlichen Autofahrer in einer europäischen Stadt mag es hochgradig unvernünftig klingen, Abmessungen eines Fahrzeugs jenseits der Kompaktklasse und Verbräuche im mittleren zweistelligen Bereich zu akzeptieren.
Jedoch erfreuen sich US- Cars mit ihren opulenten Maßen, den geschwungenen Heckflossen und den durstigen V8-Triebwerken ungebrochen großer Beliebtheit. Schließlich ist es auch ein besonderer Stil und ein gewisses Lebensgefühl, das mitschwingt, wenn man sich beispielsweise in die weichen Polster eines Pontiac GTO fallen lässt.
Die 50er-Jahre waren von den Karosseriegestaltungen noch deutlich verschnörkelter und verspielter, die 60er bilden aber in gewisser Weise das Abschlussjahrzehnt des automobilen Hedonismus. Gewiss wurden auch in den folgenden Epochen potente, verschwenderische Muscle Cars gebaut, die Ölkrise der 70er sorgte aber zumindest für einen Moment der Besinnung und des Downsizings.
Pontiac GTO – Der Sportler
Straßenkreuzer, Muscle Car, Filmstar – Der Pontiac GTO war irgendwie alles in einem. Bewahrer des Straßenkreuzer- Images und Wegbereiter in eine neue Epoche starker Straßenwagen. Hinter dem Auto stand der damalige Pontiac- Chefingenieur John DeLorean, später machte er seinen eigenen Namen berühmt mit einer Marke, die ihm dann doch nicht den nachhaltigen Erfolg brachte.
Bei Pontiac war der Weg zum Erfolg aber noch viel einfacher. Man nehme ein recht gewöhnliches Mittelklasse-Modell wie den Tempest und pflanze einen mächtigen 6,4 Liter-V8 in den Rumpf ein, fertig ist der Traum halbstarker Jungs und dynamischer Familienväter. 1964 hieß das noch einfach GTO-Package, das man noch als Ausstattungsvariante im Tempest buchen konnte, ab 1965 erwuchs daraus ein eingeständiges Modell – Der Pontiac GTO.
Unter der Haube blieb ein Motor mit 6,4 Litern beziehungsweise 389 Kubikzoll Hubraum, der weit mehr als 300 PS auf an die Hinterräder transportierte. Pontiac warb damit, dass das Leistungsgewicht es mit einem Ferrari aufnehmen könne. Wohl auch nicht zufällig sollten die magischen Buchstaben GTO, die im italienischen Ursprung für Gran Turismo Omologato stehen, italienische Wurzeln vermitteln.
Mit der straffen Sportlichkeit eines italienischen Sportwagens hat der Pontiac GTO aber so gar nichts gemein. Leistungsgewicht ist das eine, das Schaukelfahrwerk, das recht mäßige Handling und unzureichende Bremsen das andere. Aber der Pontiac GTO wurde ja auch für eher für den Sprint auf der Viertelmeile genutzt als für ein Bergrennen auf verwinkelten Serpentinen.
Bei Sprintrennen schlug er sich wacker und machte dabei auch noch eine sehr gute Figur. Ab 1966 ging es zudem mit Hubraum und Leistung nochmal aufwärts. Spätestens mit den späten Baureihen ab 1968 gibt der Pontiac GTO noch viel deutlicher in Richtung Musclecar, bis ihm dann die Ölkrise 1974 den Garaus machte.
Im Vergleich zu anderen Modellen war dem Pontiac GTO nur ein recht kurzes Automobilleben vergönnt. Aber immerhin wusste er es eindrucksvoll zu nutzen. Die Wirkung darüber hinaus wurde im Übrigen auch durch zahlreiche Auftritte in Filmen und Fernsehserien befeuert.
Cadillac Fleetwood Eldorado – Der Sonnyboy
Auch wenn die präsidialen Auftritte dem Lincoln Renommee verschafften, die Mehrzahl der potentiellen Käufer entschieden sich doch eher für einen Cadillac. Der Premium-Marke von General Motors gelang es besser, die Mehrheit solventer Interessenten aus der behobenen Bürgerschicht anzusprechen.
Für diejenigen Beobachter, die nicht ganz so intensiv den US-Fahrzeugmarkt der letzten Jahrzehnte beobachten, wirken die Modellbezeichnungen mitunter wie böhmische Dörfer. Da wechseln Namen zwischen Modellreihen und Ausstattungsvarianten und am Ende weiß man gar nicht mehr, zu welcher Zeit welcher Name für ein Modell oder nur für eine Ausstattungslinie stand.
Veranschaulichen kann man dies beispielsweise am Eldorado. Erstmals wurde ein Auto mit diesem Namen 1953 lanciert. Zunächst wurde er als Sondermodell der Series 62 positioniert. Wobei er schon zu diesem frühen Zeitpunkt im Hinblick auf die Karosserie Eigenheiten hatte, die ihn von einem Standard-Series 62 unterschieden. 1959 wurde er schließlich aus dieser Serie herausgelöst. Kurioserweise verlor er dadurch stilistische Unterscheidungsmerkmale gegenüber anderen Modellen, weil er sich die Karosserien mit Standardmodellen teilte.
Blitzstart dank Frontantrieb
1967 begann für den Eldorado ein neues Zeitalter. Um ihn endlich komplette eigenständig werden zu lassen, wurde er als Fleetwood Eldorado und erstmals mit Frontantrieb auf den Markt gebracht. Er war technisch eng verwandt mit dem Schwestermodell Oldsmobile Toronado, der ein Jahr zuvor ebenfalls frontgetrieben herauskam. Ausschließlich als Coupé konstruierte das Designteam von GM um Chefdesigner Bill Mitchell ein neues Auto.
Klare, gerade Linien mit scharfen Winkeln sollten später den Begriff des „Razor Edge Design“ für diese Art von Autodesign prägen. In den ersten beiden Jahren verbargen sich die Scheinwerfer hinter Abdeckungen, die im geschlossenen Zustand den Kühlergrill zu verbreitern scheinen. Ab 1969 war diese Mode wieder vorbei und die Scheinwerfer waren sichtbar. Unter der Haube bewährte US-Power aus V8-Motoren. Unter dem Motto „viel hilft viel“ waren Aggregate zwischen 7 und 8,2 Litern Hubraum mit Leistungsdaten zwischen 340 und 400 SAE-Brutto-PS zu haben.
Dass das Fahrwerk und die Dreigang-Hydra-Automatik die Motorleistung nicht auf die Straße bringen konnten und sportliches Fahren eigentlich nicht möglich war, geschenkt.
So erfreute sich der neue Fleetwood Eldorado großer Beliebtheit bei ver- gleichsweise vielen Käufern. Unter anderem bei Elvis Presley höchstpersönlich.
Wobei seine Zuneigung einst auf die Probe gestellt wurde. Die Legende besagt, dass sein 67er Eldorado eines Morgens nicht ansprang und er wütend mit einer Pistole in den Kotflügel schoss. Ob es dem Wagen auf die Sprünge half, ist nicht überliefert. Aber über die Existenz des Einschussloches kann man sich beim Original-Exemplar vergewissert, das bei ChromeCars zum Verkauf steht.
Lincoln Continental – Der Staatsmann
Von Downsizing weit entfernt waren in den 60ern noch die Full-Size-Modelle der Hersteller. Gerade die Premium- Marken Lincoln, das zum Ford-Konzern gehörte, sowie Cadillac (GM), geizten üblicherweise nicht mit Platz und Luxus. Aber beispielsweise mit der vierten Generation des Lincoln Continental zog 1961 schon eine neue Formensprache ein. Mit Elwood Engel war ein ausgewiesener Gegner von Heckflossen und funktionslosen Schnörkeln für das Design verantwortlich.
Und so stellte er klare und fließende Linien in den Vordergrund und verschaffte der ganzen Marke ein neues Gesicht. Ein Gesicht, das zum Start schon einmal von Vertretern der Design-Zunft honoriert wurde: Als erstes Auto wurde der Continental mit dem „Industrial Design Award“ ausgezeichnet.
Die neue Sachlichkeit des Lincoln Continental
Schon 1958 hatte Engel einen Entwurf mit einer ähnlichen Formensprache für den Ford Thunderbird eingereicht, der aber abgelehnt wurde. Für den Lincoln Continental wurde er drei Jahre später aber einfach überarbeitet, der Radstand verlängert und die Karosserie mit vier anstatt zwei Türen versehen. Technisch teilten sich die beiden Modelle aber viele Teile.
Wie es bei amerikanischen Autos üblich war, wurde das Aussehen und die Technik nahezu jährlich modifiziert. Teils durch neue gesetzliche Bestimmungen, teils einfach aus geänderten ästhetischen Bedürfnissen. Die grundsätzliche Erscheinung des Continental war aber bereits 1961 so fortschrittlich, dass die Updates in kleinen Dosen vollzogen wurden. Mal waren die Leuchteinheiten dran, mal der Kühlergrill. So verpasste Lincoln dem Continental 1966 einen verlängerten Kühlergrill, der die später häufig gebrauchte „Knudsen-Nase“ vorwegnahm.
Eigentlich passt der 60er-Contintenal nicht so ganz in die Auflistung von Straßenkreuzern. Im Vergleich zum opulenten Vorgänger aus den 50ern büßte der neue 30 Zentimeter Länge ein und verzichtet auf Chrom, Flossen und Bling Bling. Aber andererseits war er immer noch ein stattliches Exemplar von einem Full Size-Car. Was Ausstattung, Verarbeitung und Renommee angeht, war der Lincoln ohnehin über den anderen Marken angesiedelt, vergleichbar mit europäischen Premiummarken.
Allein schon die hinten angeschlagenen hinteren Türen, die suicide doors, waren etwas Besonderes. Zumal im viertürigen Cabriolet, was in dieser Zeit wahrlich außergewöhnlich war. Mit diesem präsidialen Erscheinungsbild verwundert es nicht, dass auch die Führer der freien Welt auf die Dienste von Lincoln zurückgriffen. Neben den glamourösen Auftritten bleibt beim Continental allerdings vor allem die tragische Episode der Ermordung John F. Kennedys 1963 in Erinnerung.
Die Bilder, wie er im offenen Continental, Baujahr 1961, von den Schüssen getroffen wurde, gingen um die Welt.
Text Paolo Ollig Fotos ChromeCars
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