Original vs Recreation: Muss es immer das Original sein?

Original vs Recreation Porsche RS

Andrew Prill hat schon manchem Porsche-Besitzer die Tränen in die Augen getrieben bei der Frage Original vs Recreation. Auf 20-seitigen forensischen Gutachten analysiert der Porsche-Spezialist die Echtheit des nur 1500-mal gebauten Porsche 911 2.7 RS aus dem Jahr 1973.

Dabei kommen neueste kriminalistische Methoden zum Einsatz. Mit Magnet-Resonanz-Verfahren werden Manipulationen an der Fahrgestellnummer sichtbar, ohne dass der Brite am Lack kratzen müsste. Zwischen der Fälschung und dem Original liegen Preisunterschiede von ein paar 100.000 Euro. Und das weckt Betrüger. Doch manchmal sind die Käufer auch zu leichtfertig: Charles Graf Faber von Castell sah ein seltenes Schnäppchen: Nur 170.000 Euro sollte der RS kosten, in den sich der Bleistift-Erbe spontan verliebte. Originale kosten – trotz eines deutlichen Preisverfalls in den vergangenen Jahren – immer noch mindestens eine halbe Million. Da braucht man schon ein schlichtes Gemüt, wenn man annimmt, sich zu diesem Preis einen echten RS zu angeln. Der Handschlag kam den Grafen teuer zu stehen. Er musste dem Verkäufer, der den Wagen auch auf seiner Homepage korrekt als Kopie auswies, 10.000 Euro Entschädigung bezahlen.

Vom Zoll geschreddert

Kopien automobiler Ikonen gehen solange in Ordnung, wenn sie als solche ausgewiesen werden und die Hersteller damit einverstanden sind. Das ist nicht immer der Fall. Eine Kunststoff-Nachbildung des klassischen Mercedes-Benz Flügeltürer ließ die Klassik-Abteilung 2012 publikumswirksam vom deutschen Zoll schreddern. Eine Kopie kann eine ehrliche Haut sein, wenn ihr Eigentümer sie nicht als Original verkaufen will. Das tun selbst die Hersteller nicht, die verschollene oder zerstörte automobile Legenden schonungslos nachbauen oder nachbauen lassen. BMW hat das mit dem in den Sechziger Jahren zerstörten 328 Kamm-Coupé gemacht, Audi mit den Auto-Union-Silberpfeilen, von denen nur noch Rudimente existierten und Jaguar mit dem XJ-13, mit dem man eigentlich bei den 24 Stunden von Le Mans antreten wollte. Und heute macht Jaguar mit den originalen Nachbauten von XK-SS und E-Type Lightweight, die mit rund einer Mio. Pfund zu Buche schlagen, ein Geschäft. Dabei ist eine Kategorisierung dessen, was ein Original, eine Fälschung, ein Nachbau, eine Kopie oder eine Replika ist, schwierig. Eine Replika ahmt eigentlich nur das Original nach. Dabei ist der Grad der Interpretation ganz unterschiedlich.

VW-Motoren im Porsche

Unter einer nachempfundenen Karosse kann auch moderne Technik stecken. Dabei sind der Annäherung an das Original keine Grenzen gesetzt. Für Porsche 356-Nachbauten bot sich früher etwa die Technik eines VW-Käfers an. Technisch sind beide Wagen eng verwandt, Heckantrieb und Heckmotor waren genauso identisch wie die Genetik der Konstrukteure. Der VW Käfer entstammte der Konstruktionsfeder von Ferdinand Porsche, der 356 der seines Sohnes Ferry. Und weil insbesondere die komplizierten Carrera-Motoren störanfällig und wenig alltagstauglich waren, baute man auch gerne in die originalen 356 robuste VW-Motoren ein. Das verwässerte noch nicht den originalen Zustand, der sich durch die Fahrgestellnummer feststellen ließ. Und auch ein artgerechter Motor konnte ja auch wieder eingebaut werden, wie es übrigens bei vielen 356er Fahrzeugen mit zunehmendem Wertzuwachs in den vergangenen rund 20 Jahren passierte.

 

Original vs Recreation

“Recreations” nennt man gerne Fahrzeuge wie den Bugatti 35 B. An dem Auto stimmt alles, aber nichts ist original. Eine Firma aus Argentinien hat sich darauf spezialisiert und fertigt perfekte Kopien von Vorkriegs-Alfas oder auch Mercedes-Benz SSK an und liefert die auch urheberrechtlich korrekt ohne Markenzeichen oder Typenschilder aus. Es wird behauptet, die würden mit getrennter Post verschickt. Aber solange das zum privaten Vergnügen geschieht und nicht für kommerzielle Zwecke, ist das auch aus den Augen der Hersteller in Ordnung. Sieht aus wie ein Bugatti und fährt auch so. Ein anderer Fall sind die von den Herstellern selbst angebotenen “Recreations”. Aston Martin hat das erfunden. Der DB4 GT Zagato sollte 25 mal gebaut werden, verkauft wurden aber nur 19 Exemplare Das Auto war 1960 schlicht nicht konkurrenzfähig auf der Rennstrecke, aber wunderschön. So kam man auf die Idee, die 6 Fahrgestellnummern zwischen 1988 und 1996 unter dem Zusatz “Sanction” zu bauen und für jeweils rund 1,2 Mio. Euro zu verkaufen. Ein Schnäppchen, ein Original wurde unlängst für 15 Mio. Dollar versteigert. Mittlerweile legt man eine Kleinserie von 25 Stück DB4 GT neu auf. Die heißen nun “Continuation”. Hier müssen allerdings neue Fahrgestellnummern vergeben werden. Das Auto ist deshalb allerdings kaum zulassungsfähig und kann nur zur Freude seines Eigners auf der Rennstrecke bewegt werden.Mit dem siebenstelligen Kaufpreis ist gleich ein entsprechendes Programm inbegriffen.

Original vs Recreation Bugatti 35B 1

Original vs Recreation – Die Benchmark ist das Original

Die Antwort auf die Diskussion Original vs Recreation beziehungsweise ob “Recreation”, “Special” oder Replika ist ganz einfach: Benchmark ist das Original. Alle andern können zu einem Bruchteil des Preises genauso viel Spaß machen, wenn man sie fährt. Das wird sich auch der Fahrer eines Ferrari 250 GTO beim letzten Goodwood- Revival gedacht haben, als er in die Reifenstapel einschlug. Die 39 Exemplare erzielen Preise von bis zu 50 Mio. Euro. Das musste der nicht befürchten. Hinter vorgehaltener Hand wird erzählt, der Wagen war eine Kopie seines Originals.

Original vs Recreation Mercedes Benz 300 SL Coupe


Fotos Aston Martin Lagonda Ltd., Daimler AG, Jaguar Land Rover Ltd., Porsche AG

Autor: Carl Christian Jancke

Carl Christian Jancke ist Publizist (u.a. Handelsblatt, CICERO, WELTN24 Gruppe) und Analyst für die deutschsprachigen Märkte bei der Historic Automobile Group International (HAGI), die monatlich die Preisentwicklung historischer Automobile mit der HAGI-Index-Familie und dem Mercedes-Benz-Classic Index anhand von realen Verkäufen misst.

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