Motorsport in den 80ern: Neue Wege in Rallye- und Tourenwagensport

Lancia Delta S4 Motorsport

Die 80er-Jahre waren ein prägendes Jahrzehnt für den Motorsport. Vor allem im Rallye- und Tourenwagen-Rennsport wurden neue Rekorde aufgestellt und große, aber teilweise auch tragische Geschichten geschrieben.

Rallyesport – Die Königsdisziplin im Motorsport

Wenn man heute an den Motorsport denkt, kommen einem zumeist die Boliden und Piloten der 80er in den Sinn. Was auch kaum verwunderlich ist, sind die Fahrzeuge dieser Epoche doch in vielerlei Hinsicht mit das Extremste, was der Rallyesport auf die Straße brachte. „Die 80er-Jahre waren die Hochblüte der Rallyezeit. Die Begeisterung der Fans war vor allem in den südlichen Ländern immens“, sagt auch Jörg Pattermann.

Von 1976 bis 2000 war der Österreicher als Co-Pilot im Rallye-Zirkus dabei. Außerdem fuhr er als „Spion“ die Strecken kurz vor den Rennen ab. Seine Informationen zu den aktuellen Begebenheiten des Untergrunds konnte unter anderem Walter Röhrl zu zwei Siegen im Motorsport bei der Rallye Monte Carlo ummünzen.

Das Jahrzehnt begann durch die deutsche Motorsports Brille betrachtet sehr erfolgreich. Walter Röhrl wurde gleich 1980 mit deutlichem Vorsprung Weltmeister in seinem FIAT 131 Abarth. Im folgenden Jahr musste der amtierende Titelträger pausieren, nachdem sein neuer Partner Mercedes-Benz kurz vor dem ersten Lauf bei der Rallye Monte Carlo einen Rückzieher machte. So war der Weg frei für den Finnen Ari Vatanen im Ford Escort RS1800.

1982 schlug wieder die Motorsport-Stunde des „Langen“ aus Bayern. Im Opel Ascona 400 ließ er in der Jahresabrechnung die renommierte Konkurrenz Michèle Mouton, Hannu Mikkola (beide Audi quattro) und Stig Blomqvist (Talbot Sunbeam Lotus) hinter sich.

Das Jahr 1982 deutete mit dem Konstrukteurstitel für Audi bereits die Zeitenwende im Rallyesport an, die sich dann im WM-Fahrertitel 1983 für Hannu Mikkola (Audi quattro) widerspiegelte: die Abkehr vom Heckantrieb und die Dominanz des Allradantriebs sowie vor allem die Einführung der Gruppe B.

Den heckgetriebenen Fahrzeugen gelang aber ein Abgang mit Würde, durch den Konstrukteurstitel für Lancia. Dank der fahrerischen Klasse von Walter Röhrl, Markku Alén und Attilio Bettega sowie der gewitzten sportlichen Leitung des Lancia-Teams, das den Graubereich des Reglements durchaus kreativ zu nutzen wusste, konnte man in der Konstrukteurswertung den Sieg erringen. Gerade bei den Asphalt-Rallyes mit engen Serpentinen konnte der Lancia 037 seinen Konkurrenten ein ums andere Mal ein Schnippchen schlagen.

Aber bereits 1984 gewann mit Stig Blomqvist im Audi quattro den Fahrer- und Konstrukteurstitel. Ohnehin war das 1984 das Jahr der konkurrierenden Systeme. Audi mit Frontmotor und Allrad, Lancia mit Mittelmotor und Heckantrieb und mittendrin wuselte der Peugeot 205 T16 mit Mittelmotor und Allradantrieb. Mit dem Finnen Timo Salonen am Steuer gelang Peugeot mit dem Weltmeistertitel für Fahrer und Team im Jahr 1985 der große Wurf.

Mercedes-Benz Motorsport

Das Ende der Gruppe B

In der Entwicklung des Rallyesports und der Rennwagen gab es 1986 einen Bruch. Nachdem die 1982 eingeführten Gruppe B-Fahrzeuge immer weiter ausgereizt wurden, kam die Quittung verzögert, aber vehement. Die Nähe zu Großserienfahrzeugen wurde durch die Homologation gesichert. Nachdem zuvor 400 baugleiche, straßentaugliche Autos zur Zulassung einer Rennversion nötig waren, senkte der Dachverband FIA diese Zahl um die Hälfte auf 200.

Zur Homologation von Evolutionen, also Weiterentwicklungen von bestehenden Rennautos, wurden gar nur 20 gefordert. Außerdem war durch die aufgeweichten Regularien zum Thema „Seriennähe“ eine sehr laxe Interpretation dessen möglich. Peugeot 205 T16, Renault Turbo oder MG Metro 6R4 hatten recht wenig mit den Serien-Kleinwagen zu tun. Mittelmotor, Allradantrieb und überbordende Kraft machten die Rennwagen zu wahren Giftzwergen im Motorsport.

Ein wesentlicher Punkt, der das Ende der Gruppe B besiegelte, war kurioserweise auch einer der Meilensteine der Entwicklung. Mit der Umstellung auf Allradantrieb und den Einsatz von Turbomotoren gelang ein großer Schritt nach vorne.

Mit diesem Konzept enteilte Audi der Konkurrenz und jeder Hersteller kopierte den Ansatz. Die schönen Drifts der Hecktriebler mögen zwar Eindruck schinden, aber ein Allradantrieb mit guter Aerodynamik wird meist die Nase vorn haben. Das Absurde an der besseren Aerodynamik und den Flügeln war, dass die Autos besser beherrschbar schienen, je schneller man fuhr. Durch Spoiler und Leitbleche stieg der Anpressdruck.

Allerdings ist der Grip auf festem Asphalt einfach nochmal etwas anderes als auf losem Untergrund. In Verbindung mit der steigenden Leistung bis über 500 PS hinaus waren die Autos aber doch Geschosse, die immer schwerer beherrschbar waren, selbst für ausgesprochen gute Rallyepiloten. „Das war wirklich für alle Beteiligten sehr anspruchsvoll. Die Autos waren für die Piloten schwer beherrschbar und auch der Streckenaufschrieb konnte die Teams nicht wirklich darauf vorbereiten, wenn hinter der nächsten Kurve oder Kuppe Zuschauer auf der Straße stehen“, bestätigt auch Jörg Pattermann.

Die toxische Entwicklung des Rallyesports hatte also weniger nur mit den Autos zu tun, sondern vielmehr mit den Rahmenbedingungen. Die Strecken konnten, unter Sicherheitsaspekten gesehen, nicht mithalten und das Verhalten der Zuschauer war wagemutiger und fahrlässiger, als es dem Renngeschehen angemessen war.

Es gehört zwar zu den Vorteilen für die Schaulustigen, dass sie dicht an den Rallyestrecken stehen können. Allerdings lag darin auch die große Gefahr wegen fehlender Auslaufzonen und Reifenstapeln, wie auf Rundstrecken üblich. Das große Drama begann auf der Rallye Portugal 1986. Am 5. März 1986 wich Joaquím Santos mit seinem Ford RS200 Zuschauern, die sich auf der Strecke befanden, aus, verlor die Kontrolle über den Wagen und raste in die nah neben der Strecke befindlichen Zuschauer.

Drei Menschen starben, mehr als 30 Personen wurden schwer verletzt. Daraufhin stiegen sämtliche Werksteams aus der Rallye Portugal wegen Sicherheitsmängeln und mangelnder Streckenabsperrung aus. Dennoch ereignete sich bereits bei der Rallye Korsika im Mai der nächste schwere Unfall. Am 2. Mai kamen der Finne Henri Toivonen und sein Beifahrer Sergio Cresto (USA) mit ihrem Lancia Delta S4 von der Straße ab und prallten unterhalb der Straße gegen einen Baum. Durch die Explosion der Benzintanks verbrannte das Auto fast vollständig und ließ den Insassen keine Chance zu überleben.

Zusätzlich zu den weiteren ebenfalls schweren Unfällen von Marc Surer 1986 und zuvor schon 1985 von Attilio Bettega war diese Gefahr für die meisten Teams nicht mehr tragbar. Die meisten Werksteams zogen sich aus der WM zurück, lediglich Peugeot, Lancia und MG sowie einige Privatteams fuhren die Saison 1986 noch zu Ende.

Zur nächsten Saison verbot die FIA die Gruppe B-Fahrzeuge in der Rallye-WM. Die Boliden dieser Ära haben aber das Gesicht des Sports über Jahrzehnte geprägt. Wenn heute noch ein ehemaliges Rennfahrzeug oder auch „nur“ ein Homologationsmodell auf den Markt kommt, erzielen sie beim Verkauf oder der Auktion Bestwerte. Erst 2019 wurde beispielsweise ein Audi sport quattro über Classic Trader für 425.000 EUR verkauft.

Tourenwagensport – Die seriennahe und massentaugliche DTM

Betrachtet man beispielsweise die heutige Formel 1, sind seit Jahren die gleichen Kritikpunkte evident: Kaum Überholmanöver und zu große Unterschiede im Leistungsvermögen der Fahrzeuge. Kurzum, die Rennserie wird gerne als zu vorausschaubar, zu langweilig gesehen.

Die Antwort mag im aktuellen Kontext nicht ohne Weiteres durchgesetzt werden können, aber eigentlich liegen die Lösungen auf der Hand: Ausgewogenes Teilnehmerfeld, Rad-an-Rad-Duelle, Rennwagen mit Bezug zur Realität und Veranstaltungen auf geschichtsträchtigen Rennstrecken.

All diese Attribute von „richtigem“ Rennsport waren dabei, als in den 80er- und 90er-Jahren die Deutsche- Tourenwagen-Meisterschaft für volle Ränge auf dem Nürburgring, der AVUS und dem Norisring sorgte, neben den zahlreichen Fernseh-Zuschauern, die die Rennen medial verfolgten.

DTM Motorsport

Der Traum von der klassenlosen Gesellschaft im Motorsport

Bereits ab 1972 war die Deutsche-Rennsport-Meisterschaft (DRM) mit ihren FIA-Gruppe 2-Rennwagen und später auch mit den turbogetriebenen Gruppe 5-Boliden populär. Spätestens mit dem Wechsel zu den sündhaft teuren Gruppe C-Sportwagen war man an dem Punkt angelangt, an dem man die Serie nicht sinnvoll weiterentwickeln konnte, weil das Starterfeld aufgrund der hohen Kosten immer weiter schrumpfte.

Die Lösung dafür konnte nur eine Rückkehr zu seriennahen, kostengünstigen Tourenwagen sein. Auf Basis der FIA Gruppe A-Rennwagen entwickelte die Oberste Nationale Sportkommission für den Automobilsport in Deutschland (ONS) ein Reglement für seriennahe Tourenwagen, das zunächst in den ersten beiden Jahren als Deutsche Produktionswagen-Meisterschaft (DPM) gefahren wurden und ab 1986 als Deutsche-Tourenwagen-Meisterschaft vermarktet wurde.

Die Idee war auch, eine „klassenlose“ Gesellschaft in der DTM bzw. DPM zu schaffen. Durch die Reglementieung der Gewichte und Reifenbreiten in Abhängigkeit zum Hubraum sollte eine Chancengleichheit geschaffen werden. Für die Zuschauer hatte das den angenehmen Effekt, dass derjenige, der als erster die Ziellinie überquerte, auch tatsächlich der Sieger war, sei es ein leichter VW Golf GTI oder ein schwerer Ford Mustang.

Buntes Starterfeld in den Anfangsjahren des motorsports

Auch wenn in den ersten sieben Jahren der Konstrukteurstitel an BMW ging, täuscht das nicht darüber hinweg, dass das Startfeld bunt war und vom Werksteam bis zum „kleinen“ Privatier nahezu jede Starterin und jeder Starter auch als Erste/Erster über die Ziellinie kommen konnte.

So konnten im ersten Jahr 1984 sieben verschiedene Fahrzeuge die Siege einfahren: Alfa Romeo GTV6, BMW 635 CSi (E24), BMW 325i (E30), Chevrolet Camaro, Ford Mustang, Rover Vitesse und Volvo 240 Turbo. Das allererste Rennen gewann Harald Grohs in seinem BMW 635 CSi. Er gewann auch vier weitere Rennen, kurioserweise wurde Volker Strycek, ebenfalls in einem E24 unterwegs, Meister ohne ein einziges Rennen gewonnen zu haben.

Im zweiten Jahr der DPM war die Meisterschaft international ausgeschrieben, sodass auch nicht-deutsche Fahrer punkteberechtigt waren. Prompt gewann der Schwede Per Stureson in seinem Volvo 240 Turbo. Eric van de Poele (Belgien) im BMW M3 (E30) 1987, Klaus Ludwig (Deutschland) im Ford Sierra RS 500 Cosworth 1988 und Roberto Ravaglia (Italien) im BMW M3 Evo 1989 waren die weiteren Meister der 80er Jahre.

Zum Ende des Jahrzehnts verließ Ford die DTM, mit Audi konnte aber ein anderer Hersteller mit Rennsportaffinität gewonnen werden. Durch den V8-Motor und den Allradantrieb mussten wieder Kompromisse gefunden werden, um die verschiedenen Antriebskonzepte in Einklang zu bringen.

Ohnehin muss man sagen, dass die DTM es durch alle Jahre hinweg es immer wieder meistern musste, sich auf neue Gegebenheiten einzustellen. Das betraf die Turbomotoren, die bei gleichem Hubraum deutlich mehr Leistung hatten. Daher musste ein geeigneter „Turbofaktor“ gefunden werden, mit der der Hubraum multipliziert wurde, um die Obergrenze für die Saugmotoren zu finden. Aber sowohl der Faktor, als auch später der Luftmengenbegrenzer führten zu keiner fairen Lösung, so dass die Turbomotoren 1991 komplett verboten wurden. Daraufhin stieg Ford aus und Audi kam dazu. Später kamen noch Opel und Alfa Romeo als Werksteams hinzu.

Ohnehin hatte der Anteil der Werksteams im Motorsport im Laufe der Zeit zugenommen. Zwischen Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre hatte sich die Anzahl der Privatfahrzeuge in etwa halbiert. Spätestens ab der Einführung der „Klasse 1“ und damit einhergehenden Abkehr von der seriennahen Gruppe A führte der Weg fort vom Tourenwagensport, hin zu Prototyp-Rennwagen.

Der Begeisterung des Publikums taten alle Änderungen und Neuerungen freilich keinen Abbruch. Auch bedingt durch die guten Fernsehdeals war der Motorsport in Form der DTM präsent in deutschen Wohnzimmern. Neben dem Enthusiasmus auf den prall gefüllten Tribünen an den Rennstrecken. Bleibt abzuwarten, ob es der heutigen DTM gelingt nach dem Ausstieg von Audi und Mercedes-Benz zu Ende des Jahres 2020 sich nochmals neu zu erfinden und die Tourenwagen-Tradition fortzuführen.

 Fotos BMW AG, Daimler AG, Girardo & Co Ltd

Autor: Paolo Ollig

Paolo Ollig schreibt als Chefredakteur regelmäßig über alle Raritäten und Meilensteine der Automobil- und Motorrad-Geschichte. Traum-Klassiker: Lamborghini Countach und Mercedes-Benz 300 SL. Eigener Klassiker: Mercedes-Benz 230 CE (W123) von 1981.

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