Motorräder der 50er – Bleibt alles anders

Motorräder der 50er Triumph 6T Thunderbird (6)

Vom Weltkrieg zermürbt, durch dessen Ende aber motiviert, brach die Motorradindustrie Anfang der 1950er auf in ein neues Zeitalter. Der Beginn der Moderne sorgte für pragmatische Innovationen, die Motorräder der 50er mobilisierten im Zwei- und Viertakt die Massen. Teil zwei unserer Reise durchs Motorrad-Jahrhundert.

Nichts war nach 1945 mehr wie es war, auch für die Motorradindustrie. Die großen Hersteller hatten sich in den vergangenen Jahren zwangsweise auf Militärmaschinen eingeschossen. Nun, nachdem der Krieg vorbei und die Rüstung kaum noch von Bedeutung war, standen Marken wie Harley-Davidson, Triumph oder DKW vor einer Schicksalsfrage: Wohin führt die Zukunft? Die Unternehmen sollten darauf ganz individuelle Antworten finden. Denn ihre Ausgangspunkte hätten unterschiedlicher nicht sein können.

Motorräder der 50er – Altbewährtes in den USA

Das Festland der USA blieb von Kriegshandlungen glücklicherweise verschont. Die Motorrad-Werke waren, anders als in Europa, völlig intakt. Harley-Davidson hatte dank 90.000 Militärmaschinen längst Routine in der Produktion der WL-Baureihe. Die 750er von der Front begründeten nach 1945 das coole Image der Big Twins und trugen ihrem Ruhm in die ganze Welt. Harleys waren schon damals ein Faszinosum, um das sich besonders in den USA ein Kult entwickelte. Veteranen liebten ihre treuen Bikes und organisierten sich zusehends in Clubs. Das Bild des „Bikers“ – männlich, rebellisch, freiheitsliebend – war alles andere als positiv besetzt. Die Szene wuchs trotzdem rasant. In Milwaukee vertraute man daher nicht ohne Grund bis in die 1960er auf altbewährte Knuckle- und Panheads. Indian hatte sich durch den Konkurs 1953 selbst vernichtet. So genügte es, mit Modellen wie Hydra Glide (1949) und Duo Glide (1958) in Sachen Fahrwerk maßvolle Innovation zu betrieben, um am Markt zu bestehen.

Motorräder der 50er 1958 Harley-Davidson FLH Duo-Glide (3)

Motorräder der 50er – Britische Rebellen

Marlon Brando, die Ikone der aufkommenden Jugendbewegung, fuhr im Film-Klassiker „The Wild One“ (1953) jedoch nicht Harley, sondern Triumph. Denn der britischen Marke eilte mitsamt ihren nationalen Mitbewerbern ein Ruf wie Donnerhall voraus. Drahtiger, schneller und agiler als jede Harley waren sie, die britischen Motorräder der 50er, die Triumphs, Nortons oder BSA jener Zeit. Der Triumph Speed Twin, ein Zweizylinder aus den späten 1930ern, wurde zum vielleicht einflussreichsten Antrieb des Jahrhunderts weiterentwickelt. Spätestens im Rahmen der Triumph Thunderbird wurde er zur Legende. Solche Weiterentwicklungen ohne große Experimente führten die britische Motorradindustrie in eine goldene Ära. Die BSA-Gruppe galt zwischen 1951 und 1959 als größter Hersteller weltweit. Und auch im Motorsport dominierte der Union Jack. Selbst wenn man in der Woche auf AJS Model 16 pünktlich zur Arbeit fuhr, konnte man in ihrem Sattel am Sonntag über Rundkurse donnern. Oder baute sich einen Café Racer.

Motorräder der 50er – Neuordnung in Deutschland

Deutschland konnte mit dieser Freizügigkeit nicht mithalten. Macht und Unabhängigkeit der deutschen Hersteller wurden von den Besatzern kontrolliert. Zwar brachte auch hier – so makaber es klingen mag – der Krieg großen technischen Fortschritt mit sich. Konstruktionen aus dem Flugzeugbau hielten Einzug, etwa in Form hochwertiger Federelemente oder kompakter Press-Stahl-Rahmen. Doch zu früherer Stärke fand beispielsweise DKW nie wieder zurück. Das Werk in Zschopau gehörte nun MZ. EMW spaltete sich von BMW ab und ging später in IFA auf. Und die simple DKW RT 125 musste im Rahmen einer Reparationszahlung als preiswerte Blaupause für unzählige Kopien herhalten, von Hummer (USA) bis zu BSA (UK) und Yamaha (Japan).

Motorräder der 50er 1959 Heinkel Tourist 103 A1 (4)

Motorräder der 50er – Die aufgehende japanische Sonne

Überhaupt, die Japaner. Später so dominante Marken wie Suzuki oder Yamaha unternahmen in den 1950ern erste Gehversuche, konnten aber erst zum Ende des Jahrzehnts Akzente setzen, etwa in Form von Honda Cub (1958) oder CB 72 (1959). Diese Zweiräder zeugten, wie auch Velocette Viper (1955) oder Heinkel Tourist (1953), vom Wunsch, die Technik effizienter, visuell unaufdringlicher und alltagstauglicher zu machen. Denn trotz allem Aufbegehren, trotz allem Optimismus war ein Motorrad jener Tage vor allem ein Fahrzeug, das ein Grundbedürfnis der Massen befriedigte. Unabhängige Mobilität, möglichst einfach, zu einem günstigen Preis. Die Last der Nachkriegsjahre war noch lange nicht abgeschüttelt.

Motorräder der 50er Triumph 6T (5)

Fotos Sven Wedemeyer, Classic Trader

Autor: Sven Wedemeyer

Auf einem Bein kann man nicht stehen, weiß der Volksmund. Deshalb schreibt Sven Wedemeyer nicht nur spannende Berichte für Classic Trader oder Lifestyle- und Fachmagazine, sondern blickt als Fotojournalist auch gern durch den Sucher seiner Kamera. Im Fokus hat der Petrol Head vor allem automobile Klassiker und besondere Motorräder // Traum-Klassiker: Bugatti 35B // Aktueller Klassiker: MGB GT V8

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