Mercedes-Benz 107 – „Hart aber herzlich“

Mercedes-Benz 107

Lange bevor das Wort „cool“ seinen Weg in den deutschen Wortschatz fand, wurde im Jahr 1971 der Nachfolger der legendären Pagode (W 113) der Öffentlichkeit vorgestellt. Ziemlich „kühl“ war er also, der neue SL. Sein Design war nüchtern und sachlich – aber auch damals schon zeitlos und geradezu sexy proportioniert.

Mercedes-Benz 107 – Die Anfänge

Der Mercedes-Benz 107 Designer Friedrich Geiger – 1971 wohl noch eher Formgestalter genannt – hatte sich bei dem Design einige Raffinessen ausgedacht, die in der Automobilbranche neu, wenn nicht sogar revolutionär in diesem Fahrzeugsegment waren. So waren die Rückleuchten des 107er erstmalig bei einem Mercedes geriffelt. Dies vergrößert die Oberfläche und verringert so die Verschmutzung. Ebenfalls geriffelt waren die Flanken des Mercedes-Benz 107 unterhalb der seitlichen Zierleisten. So konnte auch hier Schmutz von den Türen ferngehalten werden, damit die stolzen Besitzer sich bei der Fahrt in die Oper nicht Abendkleid und Smoking beschmutzten.

Das Lenkrad und Armaturenbrett waren ebenfalls erstmalig im Hause Daimler Benz durch Verwendung von geschäumtem Material gepolstert. Sehr chic – aber auch viel sicherer als die Blech-Armaturenbretter der 50er und 60er Jahre, an denen man bei der Ausfahrt im Toskana-Urlaub die Salami frisch aufschneiden konnte.
Friedrich Geiger gestaltete nicht zum ersten Mal einen Mercedes-Benz Sportwagen. Er war bereits für das Design des atemberaubenden 500K aus Vorkriegstagen sowie des 300 SL verantwortlich; besser bekannt als „Flügeltürer“. Die genetischen Anlagen waren also nicht die Schlechtesten für den neuen Roadster aus Stuttgart…

Mercedes-Benz 107 SeiteMercedes-Benz 107 Innenraum Mercedes-Benz 107 Rueckbank

Mercedes-Benz 107 – Ein Exportschlager

Wie auch das Vorgängermodell wurde ein Großteil der Produktion der Baureihe 107 in die USA exportiert. Während in Europa zunächst auch der 350 SL mit 200 PS V8 erhältlich war, wurde für die USA ausschließlich der 450 SL angeboten. Aufgrund der strengen Abgasvorschriften in vielen US-Bundesstaaten ebenfalls mit 200 PS durch geringere Verdichtung, um mit bleifreiem Normalbenzin betrieben zu werden.
Der 450 SL war zu dem Zeitpunkt im Rest der Welt allerdings noch nicht zu haben. So griff man in Sindelfingen in die Trickkiste und montierte an den US-450ern kurzerhand einen 350 SL Schriftzug am Heckdeckel. Deutsche Touristen im Kalifornien-Urlaub sollten ja schließlich nicht verunsichert werden.
Eine Besonderheit blieb dem 350 SL jedoch exklusiv vorbehalten: Er war der einzige V8 nach dem Krieg im Hause Daimler Benz, der mit einem manuellen Schaltgetriebe bestellt werden konnte.

Mercedes-Benz 107 350 SL 1972Mercedes-Benz R107 Innenraum

Mercedes-Benz 107 – Varianten & Stückzahlen

Das meistgebaute Modell in der gesamten Bauzeit war mit über 66.000 Einheiten übrigens der 450 SL; der seltenste sein Nachfolger, der ebenfalls von einem V8 angetriebene 420 SL, von dem lediglich knapp über 2100 Stück gebaut wurden.
Denkt man an die Baureihe 107, hat man sofort den R107 – also den Roadster – bekannt aus vielen Fernsehserien wie „Hart aber herzlich“ mit Robert Wagner oder „Dallas“ vor Augen. Oftmals ist wegen letzterer TV-Präsenz auch die Rede vom „Bobby Ewing SL“.
Unter der Werkskennziffer 107 wurde aber neben dem Roadster auch ein Coupé – der C 107 – gebaut. Dieses löste ein Jahr nach Markteinführung des Roadsters 1972 den bis heute ikonenhaft verehrten W111 ab. War der W111 mit seinen zuletzt zwei 6- und 8-Zylinder-Motorisierungen noch das klassische „Herrenfahrer“-Auto, bei dem gerne mit kalbsledernen Handschuhen am spindeldürren Volant gedreht wurde, gab sich der C107 völlig anders: nüchtern, knackig, sportlich. Erstmals basierte ein hochpreisiges Coupé aus dem Hause Daimler Benz nicht auf einer Oberklasse-Limousine, sondern auf einem Roadster. Eine einmalige Besonderheit in der gesamten Branche.
Das SLC genannte und von 1972 bis 1981 gebaute Coupé vom Mercedes-Benz 107 verfügte dabei über einen verlängerten Radstand, um eine vollwertige (wenn auch knapp geschnittene) Rückbank unterbringen zu können. Front und Heck blieben jedoch durch die Designabteilung unberührt. Das heute meist gesuchte Modell bei den Coupés ist der sportlich ausgelegte SLC 500 bzw. sein direkter Vorgänger SLC 450 5.0. Unterscheidungsmerkmal: Die Automatik des SLC 500 verfügt über 4 statt nur 3 Fahrstufen.
Äußerlich konnte man beide Modelle daran erkennen, dass sie unterhalb der seitlichen Zierleisten farblich passend etwas dunkler abgesetzt waren und einen schwarzen Heckspoiler trugen. Offensichtlich löste dieser einen Hype aus, der im Film „Manta, Manta“ seinen Höhepunkt fand: Kaum ein Jugendlicher konnte in den wilden 80ern widerstehen, sich einen schwarzen Spoiler an sein Fahrzeug zu schrauben.
1981 wurde zugunsten des nun wieder auf der S-Klasse der Baureihe 126 basierenden SEC die Produktion des SLC eingestellt. Der SL stand nun wieder ohne seinen Bruder an der Seite in den Showrooms.
…er stand aber nie lange dort: Trotz seiner bemerkenswert langen Bauzeit gab es selbst in den späten 80er Jahren noch lange Wartezeiten, wie bei einem neu eingeführten Modell.

Mercedes-Benz 107 560 SL Heck
Mercedes-Benz 107 560 SL Kotflügel

Mercedes-Benz 107 – Eine Ära geht zu Ende

Die letzte, ab 1985 angebotene Generation des R107 war als sog. „MoPf 2“ (Daimler Jargon für 2., große Modellpflege) nämlich derart ausgereift, dass selbst kritischste Kunden schnell von der überdurchschnittlichen Qualität dieses inzwischen in Würde gereiften SL überzeugt wurden. Auch die Rostvorsorge war auf einem hohen Niveau angelangt, sodass massive Durchrostungen, wie in den 70er Jahren noch üblich, der Vergangenheit angehörten.
Während sich in Deutschland wie im Rest von Europa die Kunden in erster Linie am 300 SL erfreuten, der zu Recht den legendären Namen des W 198 l Flügeltürers bzw. W198 ll Roadsters tragen durfte, hielt Mercedes-Benz für Kunden in den USA, Japan und Australien ein besonderes Modell bereit – den 560 SL!
Dieser erhielt den aus der S-Klasse stammenden V8 mit 5.6 Litern Hubraum. Er war somit das hubraumstärkste Modell, das je von einem SL bis dato angeboten wurde. Dies wurde aufgrund von abermals verschärften Abgasvorschriften in den USA nötig. So war dieser Motor zwar deutlich hubraumstärker als der zuvor auch für den US-Export angebotene 500 SL – in Sachen Fahrleistungen und Drehmoment war er ihm jedoch unterlegen.
Sollte im Handel ein 560 SL als „original Europa“ Ausführung angeboten werden, ist Vorsicht geboten: In Europa hat es diesen SL nie gegeben, da er auch nie hier homologiert wurde!
Ein roter 500 SL war es dennoch, der als letzter Vertreter des Mercedes-Benz 107 1989 in Sindelfingen nach 18-jähriger Bauzeit vom Band rollte. Der „Hundertsiebener“ (107er) war tatsächlich volljährig geworden. Ein Privileg, das bis dato keinem anderen Modell vergönnt war. Nun konnte dieser SL, der nie nur Fortbewegungsmittel war, in Ruhe zum zeitlosen Klassiker mit stetig steigender Nachfrage reifen.
Mit dem Ende des Mercedes-Benz 107 wurde ein neues Kapitel aufgeschlagen. Der R129 – erstmals u.a. mit einem elektrischen Verdeck und automatisch ausklappendem Überrollbügel ausgestattet – stand bereits in den Startlöchern. Aber dies ist eine andere Geschichte, die sich lohnt, zu einem anderen Zeitpunkt erzählt zu werden.

Mercedes-Benz 107 Angebote bei Classic Trader

Mercedes-Benz 107 – Kaufberatung

Als Kaufempfehlung kann man von keinem Modell wirklich abraten. Aktuell befinden sich die ab 1985 gebauten Fahrzeuge bereits seit geraumer Zeit in deutlichem Aufwind; insbesondere der 300 SL und 500 SL.
Der 420 SL wird dabei gerne übersehen. Dies könnte ein Fehler sein – das Auto ist extrem selten. …also Augen auf – der nächste 420 SL könnte schon in absehbarer Zeit zu einem gesuchten Sammlerstück werden.

Mercedes-Benz 107 280 SL
Mercedes-Benz 107 280 SL Front Mercedes-Benz 107 280 SL Aussenspiegel

Wie teuer ist ein Mercedes-Benz 107 in der Versicherung?

Mercedes-Benz 107 mit geschätztem Fahrzeugwert von 25.000,- EUR in der Zustandsnote 2-3

Beitrag schon ab 200,- EUR p.a.

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Fotos Classic Trader

Autor: Christian Nikolai

Christian schreibt regelmäßig für Classic Trader; in erster Linie über Klassiker mit Stern. Seit Ende der 90er arbeitete Christian im Marketing und Vertrieb der Daimler sowie für einige Mercedes-Benz Händler, wo er die dortigen Classic-Abteilungen aufbaute und führte. 2020 hat er sich mit seiner Automotive Unternehmensberatung "RaumLenker MotorConsult" selbständig gemacht, die sich mit der Entwicklung von Vertriebs- und Marketingkonzepten beschäftigt. Außerdem engagiert er sich für Kraftstoff aus nachwachsenden Rohstoffen. Auto-Enthusiasten steht er beim Kauf eines klassischen Fahrzeugs gerne zur Seite. Zum Abschalten steht eine klassische Blech-Vespa in seiner Garage.

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