McLaren F1 – Rennsport in Reinform

1998 McLaren F1 (16)

Die 90er waren an der Spitze ein Wettkampf unter wenigen, aber sehr potenten Supersportlern. Die bewährten Kräfte wie Ferrari und Porsche nahmen teil, mit Bugatti tauchte ein alter Name wieder auf und mit dem McLaren F1 kam eine neue (Auto-) Marke mit einem neuartigen Konzept auf die Bühne.

„Vom Rennsport auf die Straße“ ist ein häufig bemühtes Gleichnis für einen Straßen-Sportwagen. Selten ist es zutreffender als beim McLaren F1. Nicht nur der Name ist der Formel 1 entliehen, der Wagen atmet durch jede Pore puren Rennsport.

1962 gründete der australische Rennfahrer Bruce McLaren den nach ihm benannten Rennstall. Auch wenn McLaren bereits 1970 bei Testfahrten in Goodwood tödlich verunglückte, legte er den Grundstein für das Team, das bis heute existiert.

McLarens goldenes Jahrzehnt in der Formel 1

Anfang der 90er-Jahre konnte das McLaren Formel 1-Team auf ein ausgesprochen erfolgreiches Jahrzehnt zurückblicken. Niki Lauda (1984), Alain Prost (1985, 1986, 1989) und Ayrton Senna (1988, 1990, 1991) gewannen sieben Weltmeisterschaften in acht Jahren. Auch den Konstrukteurstitel konnte sich McLaren in diesem Zeitraum sechs Mal sichern.

Mit dieser Historie im Rücken wurde 1989 der Zweig „McLaren Cars“ mit dem Ziel gegründet, ein nach eigener Aussage „einzigartiges Hochleistungs-Straßenfahrzeug zu bauen, das die rekordverdächtigen Standards des Formel 1-Teams widerspiegelt.“ Für das neue Projekt stellten sich der technische Direktor Gordon Murray und der kaufmännische Leiter Creighton Brown ein erfahrenes Team aus Ingenieuren zusammen, die alle ihre komplette Motorsport-Expertise mit in den neuen Supersportler einbringen sollten.

Wie es sich für ein Team mit Rennsport-DNA gehört, musste es einfach das schnellste, beste und performanteste Automobil seiner Zeit werden. Mehr noch, für Gordon Murray war das Ziel klar umrissen: „Unser Ziel war, das reinste Fahrerauto zu bauen, kompakt und vor allem ultra-leicht, um das Optimum an Performance in allen Lebenslagen zu erreichen. Ein Neustart, ein Design, dass alle bestehenden Standards neu schreibt.“

1990 wurden schließlich dafür die Weichen gestellt und das dreijährige Prototypen-Programm lanciert. In der eigens für den McLaren F1 errichteten Anlage in der Nähe der Rennstall-Sitzes in Woking wurden mit der Arbeit an den ersten Vorserien-Fahrzeugen begonnen.

1998 McLaren F1 (15)

McLaren F1 – Purer Rennsport in Straßenkleidung

Wie ernst McLaren es mit der Formel-Nähe meinte, konnte man spätestens bei der Präsentation des Serienautos 1993 sehen. Allein der Name F1 lässt wenig Interpretationsspielraum zu, aber auch das Konzept des Monoposto wurde in ein „Alltags-Auto“ übersetzt. Der Fahrer sitzt mittig, leicht versetzt dahinter können sich links und rechts noch zwei Beifahrer*innen gesellen. Das hatte mehrere Vorteile: Bei Seitenbewegungen gelangte der Fahrer nicht gegen die seitlichen Dachholme und hatte dafür noch mehr das Gefühl in einem veritablen Rennwagen zu sitzen. Außerdem war so die Gewichtsverteilung deutlich besser.

Auch wenn sich der McLaren F1 gleich als Supersportler zu erkennen gibt, kommt er auch mit einer klaren Linie daher und verzichtet – in der Straßenvariante – gänzlich auf auffällige Flügel und Protzerei. Wer so aerodynamisch durchdacht ist wie der F1, der braucht auch keine Frittentheke am Heck. Beispiel gefällig? Der Unterboden ist wie im Rennsport damals üblich aufgebaut und nutzt den „Ground effect“, der den Anpressdruck auf die Straße erhöht. Durch ein Gebläse wird der Effekt durch den Luftstrom noch erhöht, was die Straßenlage verbessert und höhere Kurvengeschwindigkeiten zulässt.

Leistung satt dank BMW Motorsport

Möchte man den F1 auf drei Attribute herunterbrechen, sind es genau die drei Eigenschaften, die einen Sportwagen herausstechen lassen: stark, leicht und ausgewogen. Für die Stärke sorgt ein Zwölfzylinder in Mittelmotor-Bauweise vor der Hinterachse platziert.

Das von BMW Motorsport gebaute und weiterentwickelte Aggregat S70/2 hat einen Hubraum von 6.064 cm³ und erzeugt mindestens 461 kW/627 PS. Je nach Leistungsstufe konnten auch 500 kW/680 PS erreicht werden. Unter der Leitung von Paul Rosche wurde der Zwölfzylindermotor konsequent auf Leistung getrimmt und das Gewicht des Motorblocks und seiner Einzelteile durch den Einsatz von Aluminium und Magnesium genauso konsequent reduziert.

1998 McLaren F1 Motor (9)

Was nützt der stärkste Motor, wenn man unnötigen Ballast mit sich herumtragen muss? Daher steckte McLaren sein ganzes Knowhow in die Entwicklung eines leichten, verwindungssteifen Monocoque-Chassis. Die Karosserie wurde aus CFK, karbonfaserverstärktem Kunststoff, gefertigt. Dieses Material sicherte ein geringes Gewicht bei gleichzeitig hoher Steifigkeit, insgesamt wiegt der F1 nur knapp mehr als eine Tonne. Um den Fahrer herum wurde ein Monocoque gegossen, das durch zwei Längsboden-Balken, die die seitlichen Cockpit-Streben verbinden, eine feste Struktur selbst bei hohen Geschwindigkeiten und Kräften bietet. Hinter dem Fahrersitz erhebt sich der Kohlefaser-Rahmen in die Airbox des Motors und bildet so einen Überrollschutz, nahezu einen Käfig, der die Insassen sicher einschließt.

Bei so viel Leistung, die an die Hinterräder abgeben wird, und den Kräften, die auf das Fahrzeug wirken, müssen auch sämtliche anderen Komponenten Schritt halten. So muss auch das kompakte, längs eingebaute manuelle Sechsgang-Getriebe und die Dreischeiben-Karbon-Kupplung einiges aushalten. Mit Brembo entwickelte McLaren belüftete Scheibenbremsen in der Dimension 332 mm Durchmesser, 32 mm Stärke vorn sowie 305 mm und 26 mm hinten, mit Goodyear Reifen im Format 235/45 (Front) und 315/45 (Heck) auf 17 Zoll Magnesiumfelgen, dazu Verbundglas rundum; alles für das große Ziel, das schnellste und das beste Serien-Sportauto der Welt zu bauen.

1998 McLaren F1 Interieur (8)

Spitze in allen Bereichen – auch bei den Kosten

Wer keine Rücksicht auf Kosten nimmt, muss am Ende des Tages auch von potentiellen Käufern einiges abverlangen. Aber die überschaubare Klientel zahlte es gerne. 1993 wurde der erste McLaren F1 in Monaco ausgeliefert. Nur 106 Stück wurden je produziert, Neupreis damals etwa 1,5 Millionen DM. Dafür bekam man aber das Exklusivste, was seinerzeit auf den Straßen unterwegs war. Und McLaren Special Operations, die Abteilung für maßgeschneiderte Kundenlösungen, individualisierte jeden ausgelieferten F1 nach den Wünschen der Kunden.

Für diese Kundschaft spielen glücklicherweise profane Dinge wie die fünfstellige jährliche Summe für die Versicherung, Verbrauchswerte bei beherzter Fahrweise weit über 40 Liter pro 100 Kilometer oder Servicetermine, die mindestens ordentlich vierstellige Beträge kosten, eine untergeordnete Rolle. Das erhabene Gefühl, eine oder einer der wenigen glücklichen zu sein, einen McLaren F1 fahren oder gar besitzen zu können, ist ohnehin unbezahlbar.


Fotos McLaren Automotive Ltd

Autor: Paolo Ollig

Paolo Ollig schreibt als Chefredakteur regelmäßig über alle Raritäten und Meilensteine der Automobil- und Motorrad-Geschichte. Traum-Klassiker: Lamborghini Countach und Mercedes-Benz 300 SL. Eigener Klassiker: Mercedes-Benz 230 CE (W123) von 1981.

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