Kolumne Zeitsprünge | VW Polo Coupé G 40 und Polo Diesel

VW Polo II Volkswagen Coupe G 40 (1)

Zwischen dem VW Polo Coupé G 40 und dem Polo Diesel hat man die Qual der Wahl zwischen 115 und 45 PS. Der Text ist unter dem Titel „Der kleine und der große Zwerg“ erstmals in der Süddeutschen Zeitung 1987 erschienen.

Die Kleinwagen sind auch nicht mehr das, was sie früher einmal waren: der direkte Aufstieg vom Fahrrad zur motorisierten Pellerine, zum Gewitterabweiser und Freund frischverliebter Paare. Sie sind heute vernünftig und ökonomisch, der Luftwiderstandsbeiwert ist ihnen genauso wichtig wie die Werkstattfreundlichkeit – und gut aussehen tun sie auch noch (jedenfalls zumeist).

Der VW Polo ist einer dieser vernünftigen Kleinwagen: Klein und handlich, in der Coupé-Version lieblicher als in der Steilheck-Version anzusehen – wobei manchen die sperrige Limousine doch besser passt.

Seit 1981 (Limousine) und 1982 (Coupé) ist der kleine Bruder des Golfs auf dem Markt. Nun ist die Angebotspalette aufgefüllt worden: Es gibt auch eine Diesel-Version und eine aufgeladene Variante, dass G 40-Coupé mit dem Spirallader.

VW Polo II Volkswagen (4)

Als Diesel ist der VW Polo Rau und herzlich

Wer heutzutage zu einem Diesel-Triebwerk greift, hat meistens sein Herz an den Selbstzünder verloren – oder er lebt in einem der vielen europäischen Länder, in denen der Diesel-Treibstoff stark verbilligt abgegeben wird. In diesen Ländern mag er noch seine Berechtigung haben – bei uns stellt sich die Frage, ob die Mehrkosten durch die geringfügig niedrigeren Unterhaltskosten hereingeholt werden. Dazu zeichnet sich immer deutlicher ab, dass der Selbstzünder auch nicht gerade zu den umweltfreundlichsten Gefährten gerechnet werden darf. Da hilft auch das Prädikat „schadstoffarm“ nicht besonders, denn schließlich hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass die Rußpartikel (nur weil sie bei den derzeit angewandten Messmethoden nicht zur Kenntnis genommen werden) keinen Beitrag zur Umwelthygiene leisten.

Bleibt also zu konstatieren: Der Volkswagen Polo Diesel wurde eigentlich für die Länder südlich der Alpen konzipiert – aber man kann ihn dennoch auch bei uns erwerben. Ein Grund mehr, ihn einmal ein paar Kilometer zu bewegen.

Der Diesel-Motor, der ja erst bei steigenden Betriebstemperaturen damit beginnt, sein typisches Nageln abzulegen, hat natürlich in einer kleinen und relativ ungedämpften Karosserie beim Anlassen erst einmal einen prächtigen Resonanzboden. Der moderne 1,3-Liter-Vierzylinder nagelt vernehmlich vor sich hin; erst bei steigenden Temperaturen und bei steigender Geschwindigkeit pegelt er sich dann bei der Lautstärke ein, die man bei einem Diesel heutzutage akzeptieren kann. Richtig leise wird er jedoch nie, aber das war wohl auch nicht zu erwarten – die 45 PS (33 kW) reichen zum Mitschwimmen im Verkehr allemal aus. Wer fleißig schaltet, hat nach 21,2 Sekunden die 100-km/h-Grenze erreicht – mehr genügend Anlauf hat, erklimmt auch die 140 km/h Höchstgeschwindigkeit, die vor zehn Jahren noch den Mittelklassewagen vorbehalten waren.

Ein Diesel wäre kein Diesel, wenn die Verbrauchswerte nicht (zumindest nach der DIN-Norm) gut wären. Für den kleinen und leichten (810 Kilogramm) schweren Polo gibt das Werk 4,4 Liter bei konstant 90 km/h 6,4 Liter bei konstant 120 km/h und 6,1 Liter beim Stadtzyklus an. In der Realität werden es dann aber auch einmal sechs bis sieben Liter, denn die Leistungscharakteristik dieses Triebwerks fordert einen öfter zum Schalten und Gasgeben auf, als einem zuweilen lieb ist.

Diese Tatsache sorgt dann in Verbindung mit der – bei niedrigen Geschwindigkeiten – schwergängigen Lenkung (hier wirkt sich das höhere Gewicht des Diesel-Motors auf der Vorderachse aus) dafür, dass die Freude an Stadtfahrten und an Ein- und Ausparkmanövern doch deutlich reduziert ist.

Auf der Landstraße zeigt der Wagen dann mehr von seinen Stärken – das ausgezeichnete Fahrwerk, die absolut standfesten Bremsen und der bei diesen Geschwindigkeiten reduzierte Lärmpegel machen den VW Polo Diesel zu einem akzeptablen Partner.

Auf der Autobahn bietet der Polo Diesel die Kraftreserven, die genügen, um im Verkehrsstrom problemlos mitschwimmen zu können – mehr darf von ihm nicht erwartet werden. Aber auch diese Aussage reicht für den Normalverbraucher absolut aus.

Ob sich der VW Polo Diesel rechnet? Eine schwierige Frage, denn für 15.540 Mark bekommt man auch andere Polo-Modelle, die praktisch genauso sparsam sind, jedoch mehr Temperament bieten. Aber wie bereits am Anfang gesagt: Diese Variante wurde eigentlich für die Länder rund ums Mittelmeer entwickelt.

VW Polo II Volkswagen (2)

Der VW Polo G 40 ist mit Vorsicht zu genießen

Hat die Diesel-Variante zuweilen unter Temperamentmangel zu leiten, so ist das G 40-Coupé der Sprinter in der Polo-Familie. Mit 115 PS (85 kW) kann das – nur in schwarz lieferbare – Coupé vor Kraft kaum laufen. Das Ergebnis ist eine Höchstgeschwindigkeit, die sich an der 200-km/h-Grenze orientiert, und eine Beschleunigungszeit von knapp neun Sekunden zu der auf unseren Landstraßen gültigen Höchstgeschwindigkeit offeriert.

Da der Vierzylinder auch beim G 40 Coupé nur über 1,3 Li Hubraum verfügt, mussten die Techniker auf die Aufladung zurückgreifen, um die 115 PS zu erreichen. In diesem Fall ist es ein Spiral- oder G-Lader mit 40 mm Durchmesser – daraus resultiert auch die Bezeichnung G 40. Der Golf, der in nächster Zeit ebenfalls mit so einem Spirallader ausgestattet wird, bekommt ein Exemplar mit 60 mm Durchmesser – so wird er dann wohl Golf G 60 heißen.

Der Spirallader selbst besteht aus einem schneckenförmigen Gehäuse, in dem sich – auf einer Welle gelagert – ein zweites spiralförmiges Gebilde dreht. In diesem mechanisch angetriebenen Gebilde wird nun die Ansaugluft verdichtet und der höhere Sauerstoffanteil sorgt – in Verbindung mit einer kräftigeren Benzindosierung – für jene 115 PS, die die Fahrleistungen des G 40 im Sportwagenbereich ansiedeln.

Natürlich haben die Techniker die Resttechnik dieser Leistung angepasst – das Fahrwerk ist etwas straffer, die Bremsen (vorne innenbelüftet Scheiben) sind großzügig dimensioniert, die Lenkung scheint etwas direkter. Dennoch bleibt ein schales Gefühl; nicht weil man sich unsicher fühlt oder das Auto in irgendeiner Form überzogen scheint, sondern weil man einmal mehr die Frage stellen muss, ob Kleinwagen (bei aller technischen Brilliance) wirklich für 19.950 Mark 200 km/h schnell sein müssen.

Wir neben sich an der Ampel einen Mercedes oder Porsche stehen sieht, wird nur allzu oft mit quietschenden Rädern den Nachweis erbringen, dass man auch mit weniger Geld „sportlich“ fahren kann – und dass die Appelle der Hersteller an die Vernunft der Fahrer nichts nutzen, zeigt sich tagtäglich auf unseren Straßen.

Gerade bei Nässe sind 115 PS für 805 Kilogramm Leergewicht und Frontantrieb zuweilen 50 PS zu viel. Der G 40 fordert bei feuchten Straßen nicht nur ein gutes Maß an Fahrroutine, sondern auch eine ausgeglichene Psyche, damit man sich nicht allzu oft vom Rest der Umwelt provozieren lässt.

Um es noch einmal klar zu sagen: Der VW Polo G 40 ist ein handliches, liebevoll zurechtgemachtes Coupé. Es hat reichlich Leistung und die Techniker haben bewiesen, dass heutzutage Kleinwagen Kraft sowie aktive und passive Sicherheit in einem Maß zusammenpacken können, dass man den Hut ziehen muss. Der G 40 kann – in den richtigen Händen – für 19.950 Mark Fahrspaß bieten, wie es vor wenigen Jahren nur teure Sportwagen bieten konnten.

Der G 40 demonstriert aber auch, dass die Industrie (und hier ist nicht nur Volkswagen gemeint) einen Hang zu Fahrzeugen hat, die dem Image des Verkehrsmittels Auto einen schlechten Dienst erweisen können.

Nun sind von diesem Wunder-Autochen nur 500 Stück produziert worden, damit die Techniker-Clique erst einmal bei einer überschaubaren Stückzahl dem Spirallader die Schwächen austreiben kann. Und viele dieser Autos dürften in den Händen von Technik-Begeisterten gelandet sein, die bereits jetzt erkannt haben, dass dieses Coupé – dank der kleinen Stückzahl und dem erstmals eingesetzten G-Lader – ein Stück Automobilgeschichte darstellt. Bald werden wir die ersten Exemplare in den Automuseen betrachten – wenn ich ein Museum hätte, würde ich mir auf jeden Fall einen G 40 hinstellen.

VW Polo II Volkswagen Coupe (3)


Dieser Text ist erstmals in der Süddeutschen Zeitung Nr. 167 vom 24. Juli 1987 erschienen.


Fotos Volkswagen AG

Autor: Jürgen Lewandowski

Jürgen Lewandowski schreibt seit mehr als 40 Jahren über Menschen und Autos - und hat mehr als 100 Bücher veröffentlicht. Traumklassiker: Alfa Romeo 8C 2900 Touring Spider und Lancia Rally 037. Eigener Klassiker: Alfa Romeo R.Z. von 1993.

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