Kolumne Zeitsprünge | Porsche 911 Carrera – Besser denn je

Porsche 911 Carrera G-Modell 1984 (5)

Galten die ersten 911er-Modelle noch als rechte Heckschleudern, die einen erfahrenen Fahrer erforderten, so ist der Klassiker aus Zuffenhausen im Laufe der Jahrzehnte immer ausgereifter und besser geworden. Die Erfahrungen aus unzähligen Renneinsätzen sind hier stets konsequent in die Serie eingeflossen – und so präsentiert sich der Carrera nun besser denn je. Aber zuerst kurz zum Verständnis: Aus dem 3-Liter-SC wurde nun der neue Porsche 911 Carrera mit 3,2- Liter Hubraum und 231 PS Leistung.

Die Qualitäts-Offensive beginnt bei der hervorragenden Detail-Verarbeitung: Alles sitzt, passt und schließt so, wie man es von einem anderen Hersteller aus dem Stuttgarter Raum gewöhnt ist – und das endet bei der erstaunlichen Ökonomie, die man diesem Sportwagen im Laufe der vergangenen Jahre anerzogen hat. Es fällt schwer, im Durchschnittsverbrauch über 13 und 14 Liter Superbenzin auf 100 Kilometer zu kommen. Im Gegenteil: Bei etwas verhaltener Fahrweise – und damit gehört man noch immer zu den Schnellsten im Lande – liegen die Verbrauchswerte über zehn und unter zwölf Litern.

Über die Fahrleistungen selbst braucht man nicht so viel Worte zu verlieren, schon kleine Buben mit ihren ersten Modellautos wissen, dass der 911er zu den Schnellsten im Lande gehört – er erreicht etwa 250 km/h, und die 100 km/h-Grenze wird nach knapp sechs Sekunden durcheilt. Allerdings macht das reine Vollgas-Fahren weniger Freude als gemeinhin angenommen wird – schließlich wird die Autobahn bei diesen Geschwindigkeiten erstaunlich schmal, der Geräuschpegel nähert sich der Schmerzgrenze, und bei starkem Seitenwind wird dann noch der Adrenalinpegel etwas weiter angehoben, so dass Fahrer und Beifahrer am Zielort erst einmal an eine Erholungspause denken.

Porsche 911 Carrera G-Modell 1984 (4)

Stärken und Schwächen des Porsche 911 Carrera

Die Stärken des Porsche 911 Carrera (G-Modell) liegen auf einer anderen Ebene: in dem Beschleunigungsvermögen, das ein beachtliches Maß an aktiver Fahrsicherheit darstellt – in den Sicherheitsreserven des Fahrwerks, die auch überraschende Situationen zu meistern hilft, und in der Gewissheit, dass dieser Wagen mit deutscher Solidität gebaut wird. Fahrleistungen von 150.000 Kilometern sind mit diesem Wagen keine Seltenheit, die Alltagstauglichkeit ist gesichert – und wie hoch der Wiederverkaufswert eines gebrauchten 911ers ist, zeigen regelmäßig die Gebrauchtwagenanzeigen in der SZ an jedem Wochenende.

Man macht also relativ wenig Geld kaputt, hat allerdings andererseits auch erst einmal kräftig hinzulegen: 63.950 Mark für das Coupé, 67.0550 Mark für den Targa und 71.200 Mark für das Cabriolet. Diese Zahlen beweisen, dass der Vorstand in Zuffenhausen sehr wohl weiß, dass die Käufer dieser Modelle nicht eben zu den Sozialhilfefällen unseres Landes gehören.

Andererseits sollte man sich im Vorstand dennoch einmal fragen, wie viele Preiserhöhungen dieses Modell noch verkraften kann (und ob die für Ende Juli geplante Preiserhöhung wirklich gleich gepflegte neun Prozent ausmachen muss).

Porsche 911 Carrera G-Modell 1984 (2)

Natürlich macht es Spaß mit einem Carrera – am besten mit dem Cabriolet – an einem sonnigen Vormittag über Nebenstraßen zu fahren; zu spüren, wie der Sechszylinder-Boxermotor auch bei niedrigen Drehzahlen bereits lustvoll seine Leistung abgibt; ein perfekt abgestuftes Fünfgang-Getriebe zu bedienen, mit der präzisen und direkten Lenkung Kurven anzuvisieren – und dabei die Straßenunebenheiten noch immer (nach 21 Jahren Produktionszeit!) im Lenkrad zu spüren. Andererseits kann er laut und giftig sein (auf nassem Untergrund), seine Insassen auf langen Strecken nerven – und den Fahrer zuweilen, gerade wegen seiner Überlegenheit, zu einer Fahrweise hinreißen lassen, die etliche der großen Masse von Besitzern in der Meinung der Öffentlichkeit zu einer Schar von Rasern mutieren lässt.

Es ist nicht einfach, einem Wagen wie dem Porsche 911 Carrera gerecht zu werden – dafür ist er in vielen Punkten zu provozierend. Eines kann man ihm aber sicher nicht absprechen: Er erfüllt seine Aufgabenstellung nahezu perfekt – er ist schnell mit einem großen Maß an aktiver und passiver Sicherheit, er ist robust und langlebig, er ist wertbeständig und gut verarbeitet, und Porsche hat noch nie mit dem Attribut „Schnelligkeit“ geworben. Dafür spricht auch die Tatsache, dass mehr als die Hälfte der Produktion in die USA gehen, wo die 250 km/h-Höchstgeschwindigkeit bestimmt kein Verkaufsargument sind.

Porsche 911 Carrera G-Modell 1984 (1)


Dieser Text ist erstmals in der Süddeutschen Zeitung Nr. 135 vom 13. Juni 1984 erschienen.


Fotos Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG

Autor: Jürgen Lewandowski

Jürgen Lewandowski schreibt seit mehr als 40 Jahren über Menschen und Autos - und hat mehr als 100 Bücher veröffentlicht. Traumklassiker: Alfa Romeo 8C 2900 Touring Spider und Lancia Rally 037. Eigener Klassiker: Alfa Romeo R.Z. von 1993.

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