Kolumne Zeitsprünge | Opel Omega A – Innovative Technik gibt es noch dazu

1990 Opel Omega A 3000 (2)

Der Rekord-Nachfolger Opel Omega A hat gute Chancen, seinen Vorgänger vergessen zu machen. Ein Zeitzeugenbericht aus dem Jahr 1986.

Achtzig Prozent aller Deutschen kennen den „Rekord“ – sie ordnen ihn korrekt der GM-Tochter Opel zu und sie behaupten, dass sich hinter diesem Modell ein braver, treuer Gefährte verbirgt, der mit ihnen durch ein langes Autoleben fährt. Nun gut, er protzt nicht mit Cw-Werten und raffinierten Achskonstruktionen, aber er bietet einen soliden Gegenwert fürs Geld, findet im Falle eines Verkaufs einen zahlungsbereiten Käufer und steht auch nicht so schrecklich aufdringlich vor dem Eigenheim, wie dies manch anderes Gefährt tun würde.

„Der Opel Omega hat alle die Vorzüge des Rekord, er ist aber zugleich ein konsequenter Schritt in die Zukunft“, so der Vorstandsvorsitzende Horst W. Herke, „und deswegen musste er den neuen Namen bekommen“. Und wenn man sich die Namen, die eine renommierte Agentur nach monatelangen Untersuchungen dem Vorstand vorlegte, auf der Zunge zergehen lässt – Antara, Modena und Omega –, dann scheint Omega doch die richtige Wahl gewesen zu sein. Zumal dieser Name bei den Befragten Assoziationen wie „technische Avantgarde, Progressivität, Eleganz und Komfort“ auslöste.

1990 Opel Omega A 2.0 Interieur (8)

Die fehlende Progressivität des Opel Omega A

Wenn man den Opel Omega A dann das erste Mal vor sich sieht, hat man zu akzeptieren, dass durch Flucht in den Windkanal zwar Eleganz und glatte Linien produziert – dass die Progressivität aber doch ein wenig auf der Strecke geblieben ist.

Der Omega sieht gut aus, aber nicht außergewöhnlich – erst ist bestimmt (und alleine dafür sollte man Opel schon loben) für die Rüsselsheimer ein Schritt nach vorne. Aber er löst mit seinem Erscheinen keinen solchen Ästhetik-Schub aus, wie es Konkurrenzmodelle von ihm von zwei oder drei Jahren getan haben. Er ist eben vernünftiger, schlichter, in sich geschlossener.

Dass dies mit einem Cw-Wert von 0,28 gelingen konnte (fairerweise sollte man sagen, dass die Werte – je nach Ausstattung und Bereifung – zwischen 0,28 und 0,30 pendeln), ist eine beachtliche Leistung, zumal auch der Innenraum problemlos zu besteigen und sehr übersichtlich ist.

Wandern wir den Wagen einmal vom Bug zum Heck ab: Die flache Schnauze mit dem integrierten Spoiler ist maßgeblich an der Aerodynamik beteiligt. Dahinter kommen die neuen Triebwerke, die mit 1,8 und 2,0 Liter Hubraum ausgestattet wurden.

Zum Einstieg gibt es einen 1,8-Liter-Vierzylinder mit ungeregeltem Katalysator und 83 PS (60 kW). Die 1,8 S-Version steht wahlweise als Vergaser mit 90 PS (66 kW) und als Einspritzer mit 115 PS (85 kW) zur Verfügung. Wer es gerne etwas verstanden hat, kann zum 2-Liter-Triebwerk greifen, das mit Katalysator 115 PS (85 kW) und ohne diese umweltfreundlich Anlage 122 PS (90 kW) leistet. Ab Dezember wird dann noch der Omega 3000 in Serie gehen, der mit einem 3-Liter-Sechszylinder und 177 PS (130 kW) mehr als 220 km/h erreichen soll. Natürlich hat man bei Opel auch an die Diesel-Freunde gedacht: Der bereits bekannte 2,3-Liter-Vierzylinder ist ohne Turbolader – 75 PS (54 kW) – und mit dem mechanischen Leistungsspender mit 90 PS (66 kW) erhältlich.

1992 Opel Omega A (3)

Die neuen 1,8- und 2,0-Liter-Motoren erwiesen sich bei einer ersten Fahrt als laufruhig und drehmomentstarke – was sie weniger schätzen sind hohe Drehzahlen, bei denen sie mit erhöhten Geräuschpegel ihren Unwillen deutlich zum Ausdruck bringen. Verbrauchswerte liegen – nach den Opel-Unterlagen – in Regionen zwischen etwa sieben und neun Litern. Das sind Zahlen, die auf realistische Werte zwischen acht und elf mit schließen lassen. Bei dem Cw-Wert und dem Leergewicht, das sich zwischen 1.177 und 1.265 Kilogramm (Werksangaben) einpendelt, ist das ein guter Durchschnitt.

Gute Cw-Werte, niedrige Gewichte und stärkere Motoren haben ja schon immer auch zwangsläufig höhere Geschwindigkeiten mit sich gebracht – so erreichen die Omega-Versionen zwischen 155 km/h (2,3-Liter-Diesel-Automatik) und 200 km/h (2.0i). Das noch nicht lieferbare Spitzenmodell Opel Omega 3000 erreicht 220 km/h.

Neu sind auch die handgeschalteten Getriebe, von denen man nur sagen kann – und das ist ein Kompliment –, dass sie unauffällig und angenehm ihre Arbeit verrichten. Ob die Abstufungen der Fünfganggetriebe (vier Gänge gibt es nicht mehr) absolut ideal sind, muss jeder und seiner Fahrcharakteristik selbst bestimmen: wer gerne „schaltfaul“ fährt – und die drehmomentstarken Motoren verführen dazu – wird bestimmt zufrieden sein. Wer gerne aktiver fährt, wer auch einmal zurück schalten will, der wird oft mit den hohen Drehzahlen konfrontiert werden, die den Vierzylindern nicht so liegen.

Was die Automatikgetriebe betrifft, so wird man noch bis zur Präsentation des neuen Senator warten müssen – bei diesem Anlass wird auch eine neue Automatik vorgestellt, die die – derzeit auch im Omega angebotene – alte Automatik ablösen wird. Über sie ist das Alter nun doch schon ein wenig hinweggegangen – sie schaltet recht rauh und vermittelt nicht den Komfort, den das Auto sonst anzubieten hat.

Weiter zum Innenraum: Das Armaturenbrett lässt ergonomisch keine Wünsche offen, die Instrumente sind gut ablesbar und lassen keinesfalls den Wunsch aufkommen, die ebenfalls lieferbaren digitalen Armaturenunsinnigkeiten zu erwerben. Aber auch diese Modewelle wird sich wieder verlaufen, immerhin spricht der Omega nicht mit seinem Fahrer.

Die bequemen Sitzen, die geteilte Rücksitzlehne, die eine direkte Verbindung zu dem großen Kofferraum schafft, die Höhenverstellung der Automatikgurte auch auf den Rücksitzen, der gut zur Hand liegende Schaltknüppel und das in der Höhe verstellbare Lenkrad – all diese Details beweisen, dass man sich in Rüsselsheim viele Gedanken zur Perfektionierung des automobilen Alltags gemacht hat.

Der bereits erwähnte große Kofferraum (520 Liter nach VDA-Meßmethode) ist durch einen Kofferraumdeckel, der sich absolut senkrecht stellen lässt, problemlos zu beladen. Wer noch mehr Raum benötigt, kann auch zum Caravan greifen, der bis zum 1.850 Liter fasst – und damit sogar die T-Modelle aus Stuttgart überbietet. Die Zuladung beträgt hier bis zu 596 Kilogramm – bei entsprechender Sonderausrüstung sind bis zu 675 Kilogramm möglich. Der Caravan bietet – im Gegensatz zur Limousine – etwas mehr persönliche Ausstrahlung, er dürfte bei den Kombis derzeit mit zu den „schönsten“ gerechnet werden.

Ein Blick noch an die Radaufhängungen: Die McPherson-Federbeine an der Vorderachse haben nun – dank einem bei heckgetriebenen Wagen nicht üblichen negativen Lenkrollradius – in Verbindung mit einem Lenkersystem, das unter den am Rad auftretenden Störkräften eine programmierte Bewegung vollzieht, eine „einkonstruierte Geradeausstabilität“ (Pressetext). Und auf die Hinterachse – nun mit zwei Schräglenkern – hat mit der ihres Vorgängers nichts mehr gemein.

1993 Opel Omega A Caravan Kombi (1)

Das Fahrwerk als Pluspunkt des Opel Omega A

Das Ergebnis ist überzeugend: Der Opel Omega darauf zu den Fahrzeugen gezählt werden, die mit über das beste Fahrwerk verfügen. Auch auf schlechten Straßen folgt der Omega präzise den Wünschen des Fahrers und bei Bremsungen bleibt er ungewöhnlich spurstabil. Das Einlenkverhalten ist gegenüber dem Vorgänger deutlich besser geworden, die Fahrfreude gewachsen. Zusammen mit dem lieferbaren ABS (bei Omega CD und 3000 serienmäßig) bietet der Rekord-Nachfolger Fortschritte, die der Konkurrenz noch manch harte Nuss zu knacken geben werden. Dazu könnte auch der Preis beitragen, der bei 25.000 DM beginnen soll.

Fraglich ist hingegen, ob das Fahrwerk wirklich so hart werden mussten, wie es sich bei den Testwagen darstellte, gerade auf schlechten Straßen stuckerte der Wagen und jede Bodenwelle teilten sich den Insassen ungemildert mit. Vielleicht lässt sich hier noch ein besserer Kompromiss finden.

Erste Eindrücke über ein neues Automobil können viel und wenig zugleich sagen, so weiß man beispielsweise noch nichts über die Alltagstauglichkeit, über die Produktionsqualität. Hier hat man den Worten der Vorsitzenden zu glauben, die – natürlich – versichern, dass alles noch besser werde als beim Vorgänger. Andererseits gibt einem doch schon der erste Eindruck ein Gefühl dafür, wie sich die Techniker der neuen Herausforderung genähert haben – wie er aussieht, im anderen sitzt, wie er sich fährt.

Bei Omega bleibt nach der ersten Begegnung das Gefühl, dass die Opel-Ingenieure – trotz aller Griffe in das Hightech-Regal – am Boden geblieben sind. Der Wagen wirkt solide, schon jetzt ausgereift, man fühlt sich auf Anhieb drin wie in einem alten Bekannten. Natürlich kann er vieles deutlich besser, aber das erwartet man ja schließlich bei einer völligen Neukonstruktion, bei der alle Erkenntnisse der letzten Jahre eingeflossen sind.

Wer weiß, wie gerne sich Opel von alten Vorurteilen lösen möchte – von Vorurteilen, die zum größten Teil nicht mehr berechtigt sind. Der Omega wird diese Bemühungen deutlich unterstützen, aber er macht es auf eine bodenständige Art und Weise, und das ist kein Nachteil, denn die Dynamik und Zukunftsgläubigkeit, die die Marketing-Spezialisten so gerne auch ins Opel-Image ziehen möchten, könnte viele der Rekord-Käufer verschrecken, und das hätte der Omega nicht verdient.

1992 Opel Omega A (4)


Dieser Text ist erstmals in der Süddeutschen Zeitung Nr. 198 vom 30./31. August 1986 erschienen.


Fotos Opel Automobile GmbH

Autor: Jürgen Lewandowski

Jürgen Lewandowski schreibt seit mehr als 40 Jahren über Menschen und Autos - und hat mehr als 100 Bücher veröffentlicht. Traumklassiker: Alfa Romeo 8C 2900 Touring Spider und Lancia Rally 037. Eigener Klassiker: Alfa Romeo R.Z. von 1993.

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