Kolumne Zeitsprünge | Nissan Micra – So klein, so fein

1992 Nissan Micra K11 (1)

Der legitime Nachfolger des MINI – witzig und rund: Ist der Nissan Micra das Traumauto der Frauen?

Wir alle wissen es: die Städte werden größer und zugleich kleiner, da sie von den Automassen überrollt werden, die die Silben mobil zur Farce werden lassen. Einige Konstrukteure haben dieses Dilemma bereits vor vielen Jahren erkannt – die Ergebnisse waren kleine Flitzer, deren Namen noch heute allen bekannt sind: Der Cinquecento, der Polo, und natürlich allen voran der Mini, der zum Klassiker schlechthin mutierte. Und auch Nissan machte sich vor zehn Jahren daran, mit dem Micra seinen Beitrag zum Thema Stadtauto abzuliefern.

Zehn Jahre Nissan Micra – für japanische Verhältnisse eine unglaublich lange Zeit. Allerdings hatte es sich der japanische Konzern vorgenommen, den Nachfolger im britischen Werk Sunderland vom Band rollen zu lassen, damit er in einem vereinten Europa leichter an den Mann und ganz besonders an die Frau zu bringen ist. An die Frau deshalb, weil der Micra zu 70 Prozent von Frauen erworben wird.

1992 Nissan Micra K11 (2)

Nissan Micra – Praktischer Parkplatzfreund

Und bei dieser Zielgruppe wird auch der neue Micra wieder auf ein gestiegenes Interesse stoßen, schließlich entspricht er in vielen Details dem, was sich Frauen unter einem vernünftigen Automobil vorstellen: Er ist mit einer Außenlänge von nur 3,70 Meter der Liebling aller Parkplatzsucherinnen. Er bietet – dank der kurzen Überhänge – erstaunlich viel Innenraum, und er hat im Windkanal die Raumhöhe behalten dürfen, die auch Hutträgerinnen Respekt abnötigt. Dazu kommen vernünftige Details wie Türgriffe, die sich nicht als natürliche Feinde aller Fingernägel gebärden; ein logisch aufgebautes Armaturenbrett, für dessen Verständnis man keinen großen Pfadfinder-Lehrgang benötigt und eine hervorragende Rundumsicht, die den chaotischen Stadtverkehr zu ordnen hilft.

Nun soll hier nicht der Eindruck entstehen, dass der Micra zu feminin geworden ist – er ist kein rollendes Boudoir auf Rädern, sondern schlicht und einfach ein gelungener Kleinwagen, der zudem noch den Vorteil hat, über eine geglückte Hülle zu verfügen. Er sieht nämlich auch noch gut aus: ein moderner Mini eben.

Unter der kurzen Motorhaube arbeiten zwei neue Triebwerke mit 1,0 Liter Hubraum und 40 kW (55 PS) Leistung (Höchstgeschwindigkeit: 150 km/h) und mit 1,3 Liter Hubraum und 55 kW (75 PS) Leistung und 170 km/h Höchstgeschwindigkeit. Beide Motoren verfügen über Vierventil-Technik und überzeugen durch Drehfreude, Agilität und sparsame Verbrauchswerte, die sich zwischen fünf und acht Litern auf 100 Kilometer einpendeln.

Keine Magerkost im Nissan Micra

Das Kleinwagen heute keine Mager-Wagen mehr sind, zeigt sich auch an der Ausstattung: Anti-Blockier-System (Serie in der Top-Version), Servolenkung, Zentralverriegelung, elektrische Fensterheber und sogar eine Klimaanlage – alles ist gegen Aufpreis lieferbar. Und auch bei der Sicherheit sind diese Fahrzeuge heute gut dabei – bis hin zu den Stahlrohren in den Türen, die beim Seitencrash helfen können.

Es sind nicht zuletzt die Fahrzeuge dieser Art, mit denen die Japaner den Europäern das Wasser abgraben: klein, schnuckelig anzusehen, ökonomisch und auf Wunsch auch individuell aus zu statten. Die Preise beginnen bei 17.595 Mark und enden bei 23.995 Mark – den Erfolg werden wir von Dezember an, wenn der Micra bei den Händlern stehen wird, in den Verkaufsstatistiken lesen können.

Nissan Micra K10 K11 K12 (5)


Dieser Text ist erstmals am 14./15. November 1992 in der Zeitschrift Süddeutsche Zeitung erschienen.


Fotos Nissan International SA

Autor: Jürgen Lewandowski

Jürgen Lewandowski schreibt seit mehr als 40 Jahren über Menschen und Autos - und hat mehr als 100 Bücher veröffentlicht. Traumklassiker: Alfa Romeo 8C 2900 Touring Spider und Lancia Rally 037. Eigener Klassiker: Alfa Romeo R.Z. von 1993.

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