Kolumne Zeitsprünge | Neue Ära mit dem Porsche Taycan

Porsche Taycan Turbo S (1)

Wenn man Jahrzehnte seines Berufslebens mit Verbrennungsmotoren aller Art verbracht hat, fällt es einem ehrlich gesagt nicht leicht, der Elektro-Mobilität mit großem Enthusiasmus gegenüber zu treten. Dazu kommt auch, dass die ersten E-Gefährte nicht wirklich überzeugend waren: Entweder zu klein wie der Renault Twizy oder mit unakzeptablen Reichweiten wie manche Gefährte aus Japan ausgestattet, die im Winter noch weiter schrumpften wie Frühjahrsschnee. Und seien wir ehrlich: Ohne die massive Unterstützung der Politik wäre das Thema noch immer kein so großes Thema. Doch dann kam Tesla und ist das Thema war IN. Und die Konkurrenz musste nachziehen.

Porsche Taycan – Neues Familienmitglied mit viel Temperament

Am schnellsten ist das Porsche geglückt: Auf der IAA 2019 feierte der Taycan als viertürige Limousine Weltpremiere – und obwohl der Name eine Melange aus Cayenne, Cayman und Macan ist, lehnt es sich an die türkische Sprache an und bedeutet sinngemäß „Seele eines lebhaften Fohlens“. Kein schlechter Name für ein neues Mitglied des Porsche-Universums, das sich über mangelndes Temperament nicht beklagen kann. Und Temperament ist im Überfluss vorhanden – um es einmal völlig untechnisch zu sagen: Elektromotoren sind sofort „da“, sie benötigen keine anschwellenden Drehzahlen um auf Leistung und Drehmoment zu kommen. Man drückt auf das Gas-(?)-Pedal und der Taycan setzt sich derart vehement in Bewegung, dass man sich schwertut, Vergleiche zu ziehen. Vielleicht ein Katapult?

Drei Varianten bietet Porsche an: Taycan 4S, Turbo, Turbo S – wobei es ja erheiternd ist, dass Porsche ein E-Auto als Turbo anbietet. Doch die Leistungs-Bandbreite ist beeindruckend: Von 435 PS bis 625 PS – mit Overboost bis zu 560 kW oder 761 PS. Dazu 1.000 Nm Drehmoment. Top-Geschwindigkeit zwischen 250 und 260 km/h – für Tempo 100 werden zwischen 4,0 und 2,8 Sekunden benötigt. Und diese Leistung steht immer zur Verfügung – auch nach 100 oder 200 Ampelstarts, bei Super-Sportwagen dürfte da bereits die Kupplung verglüht sein.

Und da hinter dem Taycan Porsche-Ingenieure mit reichlich Erfahrung im Abstimmen von Fahrwerken stehen, fährt sich der Taycan prächtig – er liegt wunderbar, lenkt ein wie ein Sportwagen soll und die Bremsen vermitteln stets das Gefühl, ihren Aufgaben gewachsen zu sein.

Aber natürlich ist nicht alles Gold, was sich derart agil präsentiert: E-Fahrzeuge tönen nicht wirklich – genauer gesagt: Man kann die Geschwindigkeit trotz Sound-Generatoren nur über den Blick auf die Umwelt und den Tachometer erahnen. Und man ist beim mutigen Tritt auf das E-Pedal sehr schnell sehr viel schneller als man vermutet – und die nächste Kurve nähert sich sehr rasch. Null auf 200 km/h in 9,8 Sekunden – da werden viele Führerscheine in Gefahr geraten.

Tanken mit dem Porsche Taycan

Und natürlich müssen wir uns auch über das Thema „Tanken“ unterhalten. Je nach Fahrweise dürfte man mit einem Porsche Taycan Turbo realistisch zwischen 320 und 450 Kilometer weit kommen – aber irgendwann einmal muss eine elektrische Zapfsäule angefahren werden, und die Insassen dürfen sich dann zu einem – sagen wir 20minütigen – Kaffeeplausch zurückziehen. Das muss auf unseren überfüllten Straßen kein Nachteil sein, im Gegenteil: Etwas Ruhe finden, die Mails ungestört lesen und beantworten, ein Croissant genießen, einen Blick in eine Zeitung werfen – das kann die Nerven beruhigen. Wer sich auf Elektro-Mobilität einlässt, wird diese Pausen einplanen müssen.

Wer sich auf einen Porsche Taycan einlässt, wird aber auch mit dessen Preisen leben müssen – die Preisspanne liegt zwischen 103.802 und 181.638 Euro und wir haben dabei noch nicht die Aufpreisliste in die Hand genommen. Der Taycan kann – zu einem deutlich höheren Preis – alles besser als ein Tesla, aber glücklich werden kann man mit ihm nur, wenn man seine Parameter für die automobile Glückseligkeit neu justiert: Dieser Porsche ist kein röhrender Gefährte für Fahrten, an die man sich noch nach Jahrzehnten erinnert – sondern ein immens schneller Weggefährte für die Reise in eine neue Zukunft.

Porsche Taycan 4S (1)


Fotos Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG

Autor: Jürgen Lewandowski

Jürgen Lewandowski schreibt seit mehr als 40 Jahren über Menschen und Autos - und hat mehr als 100 Bücher veröffentlicht. Traumklassiker: Alfa Romeo 8C 2900 Touring Spider und Lancia Rally 037. Eigener Klassiker: Alfa Romeo R.Z. von 1993.

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