Kolumne Zeitsprünge | Mazda 929 L – Besser als die Europäer?

Mazda 929 L LA4 Luce Legato (9)

Eine Fahrt im Mazda 929 L der zweiten Generation LA4, in Japan besser bekannt als Luce Legato: Einfache Technik muss kein Nachteil sein.

Gedämpftes Licht, getönte Scheiben und ein butterweicher Teppichboden. So präsentierte sich mir die Niederlassung der eingeführten deutschen Marke, und ich muss gestehen, dass sie bildschön aussahen: die von Blumen eingerahmten matt leuchtenden Automobile. Gut platzierte Spotlights und ein dezent in Grau gekleideter Verkäufer taten das ihre, mein Wunschauto ins rechte Licht zu rücken.

Die Umgebung bei dem Händler japanischer Automobile war hingegen – gelinde gesagt – etwas einfacher: Dem Verkaufsraum, der zudem noch ein wenig abseits der Hauptstraße lag, sah man sofort an, dass in ihm auch noch mit anderem gehandelt wurde. Und der Verkäufer war der Meister selbst, der mit dem Schraubenschlüssel in der Hand darauf hinwies, dass er selbst bereit war, sie um den Wagen zu kümmern und ihn zu pflegen.

Das sollte er gleich am besten, dachte ich, als der Meister auf dem Hof das merkwürdige Auto herausfand, das „mir auf den Leib geschneidert“ sein sollte.

Mazda 929 L LA4 Luce Legato (1)

Opel Rekord oder Mazda 929 L?

Um welche Art von Automobil ist dabei ging? Nun, ich beabsichtigte einen Mittelklassewagen mit zwei Liter Hubraum zu erwerben, war bereit, bis zu 15.000 Mark auf den Tisch des Hauses zu blättern – und hatte mich eigentlich schon entschieden. Denn der wohlerzogene Verkäufer hatte mir die zahlreichen Vorzüge des Opel Rekord 2.0 nachdrücklich bestätigt. Der Kaufpreis lag mit 14.740 Mark sogar noch knapp unter der kalkulierten Obergrenze.

Wenn der Mazda-Meister nicht noch diesen Prospekt hervorgekramt hätte: Mazda 929, stand da, zum Komplettpreis von 14.400 Mark – alles Zubehör inklusive: Scheinwerfer-Waschanlage, getönte Scheiben, Radio, Antenne und vieles mehr.

Den Opel-Verkäufer mit der schicken Pucci-Krawatte beeindruckte das wenig: „Können Sie auch bei uns haben – zudem nach ihren persönlichen Wünschen zusammengestellt.“ Wir suchten, trugen zusammen und addierten: 17.271 Mark für einen Opel Rekord – für ein Auto, das bis hin zum abschließbaren Tankdeckel für 17 Mark nun der Ausstattung des Mazda entsprach.

Am Ende also knapp 3000 Mark Preisunterschied für zwei absolut vergleichbare Wagen mit sehr ähnlichen Maßen und identischer Leistung von 90 PS. Im deutlichen Preisvorteil liegt einer der Gründe für den langsamen, aber steten Erfolg der Japaner auf dem deutschen Automobilmarkt. Das gilt für alle Klassen und eben auch für den gerade vorgestellten neuen Mazda 929 L.

Warum die Autos aus dem „Land der aufgehenden Sonne“ den deutschen Markt trotzdem noch nicht überrollt haben, geht ebenfalls aus unserem Beispiel hervor: Natürlich hat die ausgeklügelte Aufpreispolitik der deutschen Hersteller nicht nur Nachteile: Sie erlaubt dem Kunden, nur die Details zu bestellen und zu bezahlen, die er für gut und nützlich erachtet.

Natürlich profitieren die hiesigen Firmen von ihrer perfektionierten Vertriebs- und Service-Organisation. Natürlich haben die alteingesessenen Firmen in Jahrzehnten ein Markenimage aufgebaut, das so schnell kein Newcomer erschüttern kann. Natürlich machen die Stärksten am Markt Mode und bestimmen mit ihrem Styling, was der Kunde als schick und modern empfindet.

Und ehrlich, wer unterscheidet schon auf den ersten Blick einen Mazda von einem Toyota, einem Datsun von einem Mitsubishi? Erst der Autofahrer, der es beim Status-Symbol Auto schafft, die Emotionen beiseite zu lassen, für den reduziert sich die Entscheidung für die Qualitäten unter Blech und Chrom auf Technik, Alltagstauglichkeit und Wirtschaftlichkeit und im Hinblick auf diese Faktoren testeten wir den neuen Mazda 929 L.

Wirtschaftliche Pluspunkte für den Mazda 929 L

In Bezug auf die Wirtschaftlichkeit steht der Wagen aus dem Fernen Osten zweifellos recht gut da. Zu dem günstigen Preis kommt da der niedrige Benzinverbrauch. Bei gemütlicher Landstraßenfahrt begnügte sich der Mazda mit gut neun Litern, und selbst bei schnellem Autobahntempo blieb er unter der Zwölf-Liter-Marke. Hinzu kommt die Anspruchslosigkeit der Mechanik, die bei manchen Händlern bereits herbe Kritik ausgelöst haben soll: „Die Qualität unserer Fahrzeuge ist nämlich so gut, dass von einem Ersatzteilgeschäft in diesem Sinne gar nicht gesprochen werden kann“, kommentiert Heinz Schmickt, Leiter des Mazda-Ersatzteilwesens.

Trotzdem: Auch bei dem neuen Mazda wird der Wertverlust rapide von statten gehen und damit manche Einsparung zunichte machen. Für die Technik in eine Vokabel: grundsolide. Delikatessen fehlen jedoch. Für den Vortrieb sorgt ein Zweiliter-Vierzylinder, der 90 PS (66 kW) und 4.800/min abgibt. Diese nominelle Leistung setzt der Motor im oberen Drehzahlbereich nur zäh und mit größerer Geräuschkulisse frei und sorgt nach entsprechendem Anlauf für eine Höchstgeschwindigkeit von 163 km/h. Hier ist es aber angeraten, aufmerksam zu fahren, denn der 929 reagiert auf Seitenwind äußerst empfindlich. Das resultiert einerseits aus der Karosserieform, die zwar gegenüber früheren Modellen anschaulicher geworden ist, die aber immer noch eine zu hohe Gürtellinie besitzt.

Der zweite Grund ist im Fahrwerk zu suchen, denn hier tut hinten eine Starrachse Dienst, die noch nicht so perfekt geführt ist wie etwa beim Opel Rekord. Da poltert es schon einmal auf schlechter Straße, und bei Autobahnrillen überrascht der Mazda mit kleinen seitlichen Versetzern. Unproblematisch benimmt sich der 929 bei Kurvenfahrten: Brav schiebt er über die Vorderräder und bremst sich bei zu hohem Kurventempo selbst ab. Federung und Dämpfung des Mazda vermitteln einen ausreichenden Komfort.

Mazda 929 L LA4 Luce Legato (10)

Brav und grundsolide – Reicht das für den Mazda 929 L?

Bequem ist auch der Einstieg durch vier weit zu öffnende Türen. Ansprechend der Innenraum, der auch den Beifahrern hinten ausreichend Kniefreiheit bietet. Nicht ganz so rosig ist es um den Sitzkomfort bestellt: Bieten die gemütlich und bequem anzuschauenden Plätze doch nur wenige Seitenführung. Und auch die Auflagefläche für die Oberschenkel ist zu kurz geraten.

Nun zum Arbeitsplatz des Fahrers: der Sitz, auch in der Höhe verstellbar, lässt sich fast jeder Statur anpassen. Das Armaturenbrett ist klar gezeichnet und spiegelt kaum; die Bedienungshebel liegen gut zur Hand – bis auf den Frischluftgebläseschalter, der zu klein ist.

Wenn man sich einmal dazu durchgerungen hat, auf große Reise zu gehen, findet man im Heck einen auch für vier Personen ausreichenden Kofferraum vor, und der über der Hinterachse liegende 65-Liter-Tank sorgt – dank des günstigen Verbrauchs – für Aktionsradien von über 500 Kilometer.

Die niedrige Verdichtung von 8,6:1 ermöglicht außerdem auch noch zügiges Vorwärtskommen mit anatolischen Hochlandsprit.

Bleibt zu resümieren: der Mazda 929 L ist ein Automobil, das zu einem vergleichsweise günstigen Preis allen Ansprüchen eines Fahrers genügt. Er ist aber auch ein Wagen, der außer in der reichhaltigen Ausstattung nirgendwo über den normalen Durchschnittsstandard hinausgeht. Ein vernünftiges Nutz-Fahrzeug, aber kein Partner für ausgesprochene Langstrecken oder besonders sportliche Piloten.

Noch haben die deutschen Hersteller einen Vorsprung durch Technik. Noch – denn die Japaner lernen schnell.


Dieser Artikel ist erstmals in der Zeitschrift hobby Nr. 22/1978 vom 16. Oktober 1978 erschienen.


Fotos Mazda Motor Europe GmbH

Autor: Jürgen Lewandowski

Jürgen Lewandowski schreibt seit mehr als 40 Jahren über Menschen und Autos - und hat mehr als 100 Bücher veröffentlicht. Traumklassiker: Alfa Romeo 8C 2900 Touring Spider und Lancia Rally 037. Eigener Klassiker: Alfa Romeo R.Z. von 1993.

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