Kolumne Zeitsprünge | Ford Explorer – Passt nicht rein – gibt es nicht

2019 Ford Explorer Plug in Hybrid (1)

Ford Explorer Plug-in-Hybrid – der SUV für die großen Aufgaben des Lebens.

Natürlich hat die Ford Motor Company den Explorer nicht dafür konzipiert und gebaut, dass man mit ihm Downtown zum Kramerladen fährt und dort ein paar Rollen Toilettenpapier erwirbt – und sich dafür durch schmale Sträßchen schlängelt und (zumeist lange und oft vergeblich) nach einem Parkplatz sucht. Aber der Wagen scheint seine Berechtigung zu haben – in den USA haben sich von diesem Leviathan Millionen und Aber-Millionen von Exemplaren verkauft.

Und nach ein paar Tagen und rund 600 Kilometern kann man die Begeisterung verstehen: Auf den Vordersitzen thront man wie auf Königs-Sesseln, die zweite Reihe bietet Raum wie E- und S-Klassen und Kinder haben in der dritten Reihe sowieso Spaß wie Bolle. Aber passt so ein Gefährt auch nach Deutschland? Kann es mit der Konkurrenz mithalten?

2020 Ford Explorer Plug in Hybrid (2)

Ford Explorer – Platz für sehr viel Gepäck

Klar ist, der Explorer ist für die offene Strecke gedacht – und für den Transport von bis zu sieben Menschen und viel Gepäck, oder für den Transport von weniger Menschen und sehr viel Gepäck. Wofür schon der Kofferraum spricht, der bereitwillig bis zu 2.274 l Zuladung schluckt. Und die maximale Zuladung beträgt beeindruckende 694 Kilogramm. Er eignet sich also vorzüglich – wie selbst praktiziert – für den Transport von viel Hausrat inklusive eines zwei Meter langen Spiegels. Der Ford Explorer ist schlicht und einfach gesagt ein hervorragendes Handwerks-Gefährt, dass weder Wind noch Wetter noch viel Zuladung fürchtet. Und wer Boote, Pferde oder Motorräder mit auf die Reise nehmen möchte, darf sich über eine Anhängelast von 2.500 Kilogramm freuen.

Um dies alles zu bewerkstelligen bedarf es einer Länge von fünf Metern, einer Breite von 2,28 Metern (mit den mächtigen Außenspiegeln) und einer Höhe von 1,78 Metern – und damit das beachtliche Leergewicht 2.466 Kilogramm auch in Bewegung gesetzt werden kann, hat Ford den Explorer Plug-in-Hybrid mit einem 2.956 cm³ großen Sechszylinder mit Turbolader mit 350 PS (257 kW) Leistung und einem 100 PS (74 kW) leistenden Elektromotor zu mehr als ausreichender Kraft verholfen – wobei noch die 810 Nm Drehmoment erwähnt werden sollten, die den Explorer – auch gut beladen – heftig anschieben. Nach sechs Sekunden erreicht der Explorer Plug-in-Hybrid bereits Tempo 100 und die Höchstgeschwindigkeit von 230 km/h wird von den anderen Verkehrsteilnehmern auf deutschen Autobahnen eher fassungslos zur Kenntnis genommen. Wobei die von Chrom starrende Frontpartie auch bei deutlich geringeren Geschwindigkeiten für ein erstaunliches Überholprestige sorgt.

Ford Explorer – Der schwere Gleiter

Doch seien wir ehrlich – der Explorer reizt nicht dazu, permanent das Gaspedal zu treten und seinem (mit Insassen und deren Gepäck knapp drei Tonnen) bewegenden Chauffeur über die Straßen zu hetzen. Der Ford Explorer ist – wie alle seine amerikanischen Brüder und Schwestern – eher ein Gleiter, der dank des Drehmoments und der zur Verfügung stehenden Leistung, auch lange Distanzen wunderbar mit Tempo 140, 150 bewältigt. Gleiten und so oft wie möglich vom Gaspedal gehen und dahinrollen lautet die Devise – dann spielen sich auch die Verbrauchswerte bei zwölf Litern ein. Werte, die im Stadtverkehr illusorisch sind – natürlich bereitet es hier Freude und beschert der Umwelt Überraschungen, wenn man hier im E-Modus lautlos dahinrollen kann. Man merkt dann rasch, dass Fußgänger lautlos dahingleitende E-Fahrzeuge nicht schätzen und sich gerne empört geben. Die elektrische Reichweite beträgt übrigens 42 Kilometer, was für die Fahrt zum Baumarkt allemal reicht.

Es soll an dieser Stelle nicht weiter auf den offiziellen Benzinverbrauch eingegangen werden, den Ford mit 2,9 Liter Super auf 100 Kilometer angibt. Diese völlig unrealistischen Verbrauchswerte schaden den Plug-in-Hybrid-Modellen mehr, als dass sie zum Kauf einer solchen Technik anregen.

Natürlich hat der Ford Explorer auch im Gelände seine Stärken – mit dem riesigen Drehmoment erklimmt er, im Rahmen seiner Abmessungen natürlich, auch steile Pässe und watet durch beachtliche Bäche. Und wen die Größe und das Gewicht des Explorer in Extrem-Situationen beunruhigt, kann sich stets auf den serienmäßigen Berganfahr- und Bergabfahrassistenten verlassen.

Wie gesagt: Meiden wir mit dem Explorer also die Innenstädte – obwohl sich das Einparken dank eines Parkassistenten „Plus“ mit Ein- und Ausparkfunktion und teilautomatisierter Fahrzeugführung nicht so kompliziert gestaltet – und freuen uns an entspannten Langstreckenfahrten, die zu jeder Jahreszeit und bei jedem Wetter – dank einer perfekt abgestimmten Zehngang-Automatik und Allradantrieb – bemerkenswert relaxt ablaufen. Mit ihren Teil zu dieser relaxten Reisetätigkeit trägt das komfortable Interieur bei: Erstklassige Sitze, Leder-Ausstattung und dazu sorgt ein übersichtliches Armaturenbrett mit einer riesigen 12,3 Zoll großen Instrumententafel mit 31,2 cm Bildschirmdiagonale für perfekte Orientierung. Und natürlich arbeitet die Klimaanlage mit gewohnter US-Dimensionierung und kühlt und wärmt die Turnhalle auf Rädern zuverlässig. Ebenso selbstverständlich ist – zum Basispreis von 76.000 Euro – eine komplette Sicherheits-Ausstattung, die beispielsweise auch einen Pre-Collision-Assistent mit Fußgänger- und Fahrraderkennung, eine Roll Stability Control zum Umkippschutz sowie einen Ausweichassistenten umfasst. Und damit die Musik und die Nachrichten auch klanglich perfekt ankommen, ist ein maßgeschneidertes B&O Sound System by Bang & Olufsen ebenfalls verfügbar. Natürlich gibt es auch edlere Ausstattungen und eine nette Zubehörliste – doch bereits die Basisversion ist komplett und gut ausgestattet.

Der Ford Explorer Plug-in-Hybrid ist ein Exot auf deutschen Straßen – aber er bietet großartig viel Platz; er ist ein wunderbarer Gleiter, der viele Menschen und viel Gepäck souverän über lange Strecken transportiert und er stülpt einem rasch den american way of driving über, der einen rasch von der sonst üblichen Hektik auf unseren Straßen abnabelt. Und nicht vergessen: Vergleichbare deutsche Angebote – gibt es die überhaupt? – verlangen nach einem deutlich größer dimensionierten Geldbeutel.


Fotos Ford-Werke GmbH

Autor: Jürgen Lewandowski

Jürgen Lewandowski schreibt seit mehr als 40 Jahren über Menschen und Autos - und hat mehr als 100 Bücher veröffentlicht. Traumklassiker: Alfa Romeo 8C 2900 Touring Spider und Lancia Rally 037. Eigener Klassiker: Alfa Romeo R.Z. von 1993.

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