Kolumne Zeitsprünge | BMW M3 Competition – Mehr als genug

2022 BMW M3 Competition (16)

In diesen Monaten, in denen sich BMW anschickt, den 50. Geburtstag der BMW M GmbH weltweit und ausführlich zu feiern, lohnt es sich, sich einmal die vielen Höhepunkte der Modellprogramms der vergangenen 50 Jahre vor Augen zu führen – und man sollte sich einmal das letzte Modell BMW M3 Competition genauer betrachten und dabei etwas über die Vergangenheit zu reflektieren.

Nach zwei Wochen hinter dem Steuerrad eines neuen M3 Competition M xDrive stellt sich zwangsläufig die Frage, wo kommen die M Fahrzeuge her, wo stehen sie heute und wohin soll das alles führen? Und es tauchen natürlich auch Erinnerungen auf – so die ersten Fahrten mit dem heute legendären und unbezahlbaren M1, einer Reise quer durch Europa mit einem M 635 CSi, das erste M3 Cabriolet oder eine vergnügliche Umzugstour mit einem M5 Touring, auch so etwas gab es einmal.

Wie faszinierend sich der automobile Fortschritt in seiner Hardware darstellt, machten jedoch die Kilometer im neuen BMW M3 Competition M xDrive klar – ein Gefährt, mit dem man vor 20, 30 Jahren auf der Rennstrecke alle damals als Technologieträger dienenden Rennwagen in Grund und Boden fahren könnte. Das beweisen schon die reinen technischen Daten – Höchstgeschwindigkeit: 290 km/h, Null auf 100 km/h in 3,9 Sekunden, Leistung: 375 kW oder 510 PS und ein maximales Drehmoment von 650 Nm bei 2.650/min. Wobei die reinen technischen Daten nichts von der real erlebbaren und abrufbaren Dynamik vermitteln, die die viertürige Limousine tatsächlich auf der Straße vermittelt.

Vom M1 bis zum BMW M3 Competition

Doch zuerst noch einmal ein Rückblick – 1979 schrieb ich über den M1: „Nachdem man mich dann noch, nicht frei von Sorge, darauf hingewiesen hatte, dass bei voller Ausnutzung der Leistung doch etwas Vorsicht angebracht sei, bekam ich Schlüssel und Papiere in die Hand gedrückt. Beeindruckend der Kraftfahrzeugschein: Leistung 204 kW (277 PS) – Höchstgeschwindigkeit 262 km/h“ – und weiter: „Die Fahrleistungen zu beschreiben heißt, entweder in Superlative zu verfallen und damit als Raser verschrien zu werden oder mit leichtem Understatement von den 80 Minuten zu plaudern, in denen man von München nach Stuttgart gelangen kann – ohne dabei mit Lichthupe und Blinker andere Verkehrsteilnehmer zu belästigen“.

Das waren damals nahezu unvorstellbare Fahrleistungen – mit den ein Porsche 911 turbo und ein paar italienische Exoten mithalten konnten. Heute hat ein Golf R 320 PS und erreicht 250 km/h…

Sich in diesem Umfeld zu positionieren verlangt schon nach anderen Mitteln – beim BMW M3 Competition ist dies ein 3-Liter-Reihensechszylinder mit zwei Turboladern, der seine 510 PS sowohl sanft und entspannt wie auch brachial und laut abgeben kann, wobei der Klang des Sechszylinders bei vernünftiger Fahrweise durchaus sonor, sanft brabbelnd bleibt. Ein beherzter Tritt auf das Gaspedal verändert die Situation indes – erfordert aber auch einen Blick weit nach vorne, an den Horizont, denn der M3 beschleunigt mit einer derartigen Vehemenz, dass man seinem Fahrer – Fahrerinnen dürfte es nicht so viele geben – viel Erfahrung mit Automobilen dieses Kalibers und eine gewisse sittliche Reife wünscht.

Man merkt sofort, dass Jochen Neerpasch die M GmbH dereinst gründete, um den damals nicht wirklich kompetitiven BMW-Rennwagen zu einem neuen Spirit zu verhelfen – das begann mit der Homologation des 3.0 CSL samt dem legendären Spoilerwerk und führte dann direkt zum M1, einem reinrassigen Rennwagen für die Straße. „Competition“ ist also das Wort, dass die M GmbH bis heute antreibt. Basierend auf einer Vergangenheit, die jahrelang die Formel 2 dominierte, dann 1983 mit Nelson Piquet den Formel 1-Titel errang und seit Jahrzehnten bei den Tourenwagen Titel um Titel gewann, hat sich die M GmbH stets den Hunger nach Competition und Siegen erhalten.

Nicht nur Motorsport- sondern auch Rennstreckengene im BMW M3 Competition

So muss sich das sportlichste Gefährt im Programm natürlich nah an den Spirit von Rennwagen anlehnen. Und tatsächlich beschleunigt und verzögert der M3 Competition wie ein Rennwagen – auch jenseits der 200 km/h-Grenze legt er noch zu, als gelten weder Luft- noch Rollwiderstände für ihn. Dass dafür natürlich leere Autobahnen und ein Blick bis an den Horizont notwendig ist, erschließt sich von selbst – und man gönnt sich das Erlebnis auch nur selten, was auch den Benzinpreisen geschuldet ist. Es ist aber nicht nur die immer vorhandene Leistung, die der M3 zur Verfügung stellt – es ist auch das der Leistung adäquate Fahrwerk, dessen Grenzen im normalen Straßenverkehr nur erahnt werden. Jochen Neerpasch, der auch heute noch gerne rasch fährt – einmal Racer, immer Racer – empfiehlt die Fahrt zum Nürburgring oder zu einem Track Day, um einen M3 Competition artgerecht bewegen zu können: „Auf normalen Straßen ist er toll und souverän – aber erst auf der Rennstrecke kann der Competition zeigen, was er von seinen Schöpfern mit auf den Weg bekommen hat“.

Zu diesem beeindruckenden Fahrwerk trägt natürlich das Competition-Paket seinen Teil bei, das nicht nur dank dem reichlichen Einsatz von Carbon zu einer Gewichtsreduzierung sorgt, sondern auch über das der gesteigerten Leistung und Dynamik angepasste Adaptive M Fahrwerk verfügt. Neben neuen Federn, Dämpfern und Stabilisatoren wurden hier auch die Kennlinien der drei Fahrmodi Comfort, Sport und Sport+ modifiziert. Man sollte jedoch erwähnen, dass der M3 Competition in seiner Allradvariante xDrive kein leichtes Auto ist: 1.855 Kilogramm gibt das Werk für den fahrfertigen Wagen mit 75 Kilogramm Beladung, zu 90 Prozent betankt und ohne Sonderausstattungen an – wer Leichtbau schätzt, sollte also noch warten, bis sich die M GmbH dazu durchgerungen hat, hier ein entsprechendes Sondermodell zu lancieren, auf das sicherlich genügend Kunden mit Sehnsucht warten.

Ein hohes Gewicht verlangt ein gutes Fahrwerk

Umso erstaunlicher ist es, wie der dieser M3 das beachtliche Gewicht wegsteckt und seine 510 PS mit seiner hervorragend abgestimmten Achtgang-Automatik auf die Straße bringt. Dazu trägt natürlich, neben dem Fahrwerk und den großzügig dimensionierten Scheibenbremsen, vor allem der Sechszylinder seinen Teil bei, der einmal mehr beweist, woher die Bayerischen Motorenwerke ihre Stärke beziehen: Von faszinierenden Motoren. Und klar, dass ein Großteil dieser Motoren bei der M GmbH zu finden sind – blicken wir kurz auf den hier verbauten Motor: Eine gesenkgeschmiedete Kurbelwelle bietet hier bei relativ geringem Gewicht eine besonders hohe Festigkeit, dazu wurde ebenfalls an einer Gewichtsreduzierung der rotierenden Massen gearbeitet – was die Drehfreude des mit zwei Turboladern ausgerüsteten Sechszylinders weiter erhöht. Ebenfalls an Bord sind die stufenlose Nockenwellenverstellung (Doppel-Vanos) und die variable Ventilhubsteuerung (Valvetronic).

Erstmalig gibt es für den M3 neben dem altbewährten Hinterradantrieb auch einen optionalen Allradantrieb (M xDrive), der die Kraft über ein Achtstufen-Automatikgetriebe empfängt und variabel zwischen Vorder- und Hinterrädern sowie zwischen den Hinterrädern selbst verteilt. In normalen Fahrsituation fährt der BMW M3 mit M xDrive als reiner Hecktriebler, erst bei höherem Anspruch und geringerer Traktion schalten sich die Vorderräder hinzu. Was den Klang des normalerweise satt brabbelnden Triebwerks betrifft, sorgt eine modellspezifische Abgasanlage mit elektrisch gesteuerten Klappen dafür, dass der M3 Competition auch lauter werden kann – ob derartige Klappensysteme tatsächlich sein müssen, bleibt eher dem persönlichen Geschmack überlassen. Sagen wir es so: Ich würde mehr das Understatement bevorzugen.

Wobei der BMW M3 Competition mit seinen – immer wieder diskutablen – großen Nieren in der Frontpartie und den großen Kotflügelverbreiterungen, die die beachtlich breiten geschmiedeten Felgen (vorne 9,5J x 19 / hinten 10,5J x 20) mit Reifen der Größe 275/35 R19 (vorne) und 285/30 R20 (hinten) aufzunehmen haben, auch in gedeckten Farben für genügend Aufmerksamkeit sorgt. Er wird rasch erkannt und oft als M3 gewürdigt – wobei nur ein kleines Competition-Schild auf die schärfere Version hinweist.

Im Interieur sorgen bequeme, gut gepolsterte Schalensitze für den Komfort, mit dem man auch lange Strecken gut bewältigen kann – man sollte sich aber darüber im Klaren sein, dass ein BMW M3 Competition auch im Comfort-Modus keine Sänfte sein kann. Bereits bei dieser Einstellung machen sich Bodenwellen, Fahrbahnwechsel und Kanaldeckel nachdrücklich bemerkbar, während bei Sport und vor allem Sport+ alle Unebenheiten direkt über die breiten Reifen und das ungefiltert an die Insassen weitergereicht werden. Dazu kommt, dass die breiten Pneus die Tendenz haben, jeder Bodenwelle und Fahrbahnneigung nachzulaufen – es ist also angesagt, das Lenkrad fest in der Hand zu halten und den Geradeauslauf energisch zu verfolgen. Eine Eigenschaft, die besonders bei sehr hohen Geschwindigkeiten Konzentration verlangt.

Natürlich verlangt der Erwerb eines BMW M3 Competition M xDrive nach einer gewissen finanziellen Grundausstattung: 100.000 Euro sind immer drin – mit etwas Sonderausstattung können es auch 110.000 Euro werden. Dazu kommen beachtliche Versicherungsbeträge und der Unterhalt will auch finanziert werden, denn die vom Werk angegebenen DIN-Verbrauchswerte von 9,6 bis 9,8 Liter auf 100 Kilometer sind nur bei verhaltenster Fahrweise erreichbar – in der Realität liegen sie zwischen zwölf und 16 Litern, das allerdings nur bei voller Ausnutzung eines offenbar nie versiegenden Vorwärtsdrangs. Salopp gesagt ist der BMW M3 Competition M xDrive die wahrscheinlich beste Limousine für leistungshungrige und eilige Familienväter, die derzeit auf dem Markt ist – ein würdiger Vertreter des Hauses, das vor 50 Jahren beschlossen hat, der bereits damals sportlichen Marke BMW das eine oder andere Sahnehäubchen aufzusetzen.


Fotos BMW AG

Autor: Jürgen Lewandowski

Jürgen Lewandowski schreibt seit mehr als 40 Jahren über Menschen und Autos - und hat mehr als 100 Bücher veröffentlicht. Traumklassiker: Alfa Romeo 8C 2900 Touring Spider und Lancia Rally 037. Eigener Klassiker: Alfa Romeo R.Z. von 1993.

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