Kolumne Zeitsprünge | BMW M 635 CSi – Ein wirklicher Grand Turismo

1984 BMW M 635 CSi E24 6er (1)

Technologie aus der Motorport-Abteilung für rund 90.000 Mark im BMW M 635 CSi (E24)

Wenn man sich die Fahrzeuge der Bayerischen Motorenwerke betrachtet, dann wird schnell klar, dass die Ingenieure am Petuel-Ring auf das „M“, auf die Motoren also, stets besonderen Wert gelegt haben. Die Triebwerke aus Bayern hatten – und haben – seit jeher den Ruf, besonders moderne und leistungsfreudige Exemplare ihrer Gattung zu sein.

Wenn nun aber das neueste – stärkste – Exemplar der 6er-Reihe, der M 635 CSi, ein zusätzliches „M“ in der Typenbezeichnung trägt, dann ist das kein besonderer Hinweis auf die Motorenwerke, sondern eine freundliche Erinnerung daran, dass der Motor dieses rund 90.000 Mark teuren Wagens der Motorsportabteilung entstammt.

Der M1 als technische Keimzelle des BMW M 635 CSi

Kennen Sie noch den „M1“? Jenes flache, 265 km/h schnelle zweisitzige Coupé, dem die BMW AG nach rund 450 Exemplaren die Produktions-Einstellung bescherte? Sehr zur Freude der M1-Besitzer übrigens, denen die Wagen mittlerweile zum doppelten Preis aus den Händen gerissen werden. Dieses Coupé hatte, zum Zwecke der Leistungssteigerung, einen Vierventil-Motor.

Diese Technik sorgen zwei Einlass- und zwei Auslass-Ventile pro Zylinder für einen besseren Durchfluss des Benzin-Luft-Gemischs – und die Leistung steigt, bei mäßigem Superbenzinverbrauch. Zwischen zwölf und 16 Litern fließen hier auf 100 km durch die Einspritzanlage, es könnte auch noch weniger sein – bloß würde die dafür nötige Fahrweise dem BMW M 635 CSi nicht ganz gerecht werden. Für den oben genannten Verbrauch liefert der „große“ 6er außergewöhnliche Fahrleistungen: Er erreicht nach 6,4 Sekunden die 100 km/h-Grenze und bietet mit 255 km/h Höchstgeschwindigkeit einen Wert, der nur von den wenigsten Konkurrenzmodellen erreicht wird. Außergewöhnliches bietet der 24-Ventiler aber nicht nur in punkto Leistung, er läuft auch ungewöhnlich komfortabel, nimmt bei niedrigen Drehzahlbereichen problemlos das Gas an und erfreut seinen Besitzer – daran ist aber auch das sauber abgestuften Fünfgang-Getriebe schuld – Leistung in allen Geschwindigkeitsbereichen.

Es sollte an dieser Stelle einmal wieder gesagt werden, dass Leistung alleine keineswegs verdammenswert ist: Im Gegenteil – wer Leistung sinnvoll (!) einsetzt, hat keine riskanten Überholmanöver nötig und kann stressfrei fahren. Problematisch wird es erst dann, wenn zu viel Leistung zu früh in unerfahrene Hände gerät – dieses Problem wird beim M 635 CSi aber kaum auftreten, dafür sorgt schon der stolze Preis.

Natürlich wurde das Fahrwerk der Leistung von 286 PS (210 kW) angepasst: Gasdruck-Stoßdämpfer an allen vier Rädern sorgen für ein erstaunlich komfortables Fahren, und für die überdurchschnittliche Bodenhaftung tragen die vier, auf dreiteilige Leichtmetallfelgen montierten, 220/55 VR 390-Pneus Sorge. Damit erreicht der von einer direkten Servolenkung unterstützte Wagen so hohe Kurvengeschwindigkeiten, dass im automobilen Alltagsleben keine Probleme mehr auftauchen dürften. Etwas problematischer dürfte es im Winter werden, wenn 286 PS und 340 Nm an den Hinterrädern für Vortrieb sorgen sollen. Bei BMW hat man diese Gefahr erkannt und ein 25prozentiges Sperrdifferenzial montiert, das auf Schnee und Eis allerdings ebenfalls überfordert sein dürfte. Wie aus dem Haus verlautet, soll man sich aber im vergangenen Herbst erste ernste Gedanken über den Sinn und Nutzen des Allradantriebs gemacht haben.

Doch abgesehen von den wenigen verschneiten Tage des Jahres – und bei der Klientel des BMW M 635 CSi sollte auch noch Geld für einen entsprechenden Zweitwagen vorhanden sein – bietet der Wagen ein wirklich überzeugendes Konzept: Eine elegante Karosserie mit Platz für zwei Erwachsene und zwei Kinder und deren Gepäck, verbunden mit hervorragenden Fahrleistungen, und das alles so komfortabel verpackt, dass auch Langstreckenfahrten zur Freude werden. Dafür sorgen auch die bequemen Schalensitze, die nicht nur den geforderten Seitenhalt bieten, sondern auch die Wirbelsäule korrekt entlasten. Dazu trägt aber auch die komplette Innenausstattung ihren Teil bei, bei der – bis auf die Klimaanlage – nichts vermisst wird. Und auch die ist gegen Aufpreis lieferbar.

Äußerlich dezent präsentiert sich der BMW M 635 CSi

Äußerlich ist das neue Spitzenmodell des Hauses BMW nur schwerlich erkennbar: Da sorgt ein neuer, größerer Frontspoiler (mit integrierten Nebelscheinwerfern) für einen höheren Anpressdruck, und schmale Kotflügel-Verbreiterungen bedecken die breiteren Reifen. Ein dezentes „M“-Schild an der Front- und eines an der Heck-Partie zeigt der Umwelt ebenfalls noch den Unterschied zu den 25.000 Mark billigeren 6er-Versionen. Wer sich dann noch die Mühe macht, durch die Seitenscheiben die Armaturen zu betrachten, der wird dann – aufgrund des bis 280 km/h erreichenden Tachometers – erkennen, dass er einen BMW M 635 CSi der Baureihe E24 vor sich hat.

In der Summe der Dinge zeigt dieser Wagen, dass man – sofern man bei den Zutaten großzügig sein kann – auch heute noch außergewöhnliche Automobile bauen kann: Schnell und dennoch sparsam, komfortabel und alltagstauglich, mit modernste Technologie; aber leider in Preisbereichen, die nur für wenige erschwinglich sind. Aber noch kann der Interessent beginnen zu sparen, die ersten Wagen werden erst im Frühjahr 1984 ausgeliefert werden.

1986 BMW M 635 CSi E24 6er

Dieser Text ist erstmals in der Zeitschrift Süddeutsche Zeitung Nr. 185 vom 13./14. August 1983 erschienen.


Fotos BMW AG, Classic Trader

Autor: Jürgen Lewandowski

Jürgen Lewandowski schreibt seit mehr als 40 Jahren über Menschen und Autos - und hat mehr als 100 Bücher veröffentlicht. Traumklassiker: Alfa Romeo 8C 2900 Touring Spider und Lancia Rally 037. Eigener Klassiker: Alfa Romeo R.Z. von 1993.

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