Kolumne Zeitsprünge | Aston Martin DBX – Der Liebling von Q – und James B.
Es gibt nur wenige Marken, die – ähnlich wie Aston Martin – derart mit Mythen behaftet sind: Rolls-Royce repariert angeblich alle Fahrzeuge weltweit, wo auch immer sie gestrandet sein mögen. Ferruccio Lamborghini hat seine Fahrzeuge nur aus Trotz gebaut, weil ihn Enzo Ferrari beleidigt hat und Ettore Bugatti weigerte sich, Kunden Fahrzeuge zu verkaufen, weil sie es wagten, an seinen Konstruktionen Verbesserungen vorzuschlagen.
Aston Martin hat James Bond. Und Prinz Charles. Und den DB 4 GT Zagato.
Und nun hat Aston Martin auch einen Geländewagen – oder einen SUV mit Gelände-Genen? Auf jeden Fall einen Sportwagen für die Familie und deren Gepäck – und wenn im Familienbesitz auch ein Chalet (vulgo: Berghütte) in den Bergen ist, zu dem keine ausgebaute Straße führt, dann kann die Familie nun auch im Aston Martin zur Berghütte reisen. Und falls der Besitzer Jäger ist, kann er im DBX auch zur Jagd fahren – und falls er bei der Anreise im Zeitdruck ist, kann er – zumindest auf deutschen Autobahnen – mit Tempo 290 anreisen…
Aston Martin DBX nennt sich das Gefährt – DB steht wie stets für den Firmenpatriarchen David Brown, der das bankrotte Unternehmen 1947 für 20.000 £ erwarb – und das „X“ steht für Allrad. Es gibt Gerüchte, dass es sich bei dem „X“ um eine römische 10 handelt – es wäre dann als ein DB10. Aber den gibt es bereits – wenn auch nur im Geheimen und in zwei Exemplaren. Aber das ist eine andere Geschichte.
Ist der Aston Martin DBX eine eierlegende Wollmilch-Sau? Mit Steinbock-Genen?
Nach ein paar Tagen mit dem DBX könnte man diese Frage schon mit einem JA beantworten – der Aston Martin kann wirklich viele Aufgaben ziemlich souverän erledigen: Eine große Familie befördern, denn der Innenraum ist ein Wunder an Platzausnutzung, in dem vier Erwachsene sehr gut sitzen können. Und deren Gepäck in dem großen Kofferraum (620 Liter) ausreichend Platz findet.
Der Aston Martin DBX marschiert dazu phantastisch – was bei einem (von AMG angelieferten) Achtzylinder mit vier Liter Hubraum und 550 PS (405 kW) auch nicht weiter wundert: Tempo 291 ist möglich, Tempo 100 wird nach 4,5 Sekunden erreicht – das heißt, außerhalb von Deutschland sind die stolzen Besitzer nach etwa fünf Sekunden ihren Führerschein los, in manchen Ländern sitzen sie ein paar Sekunden später im Gefängnis.
Das interessante daran ist jedoch die Tatsache, dass der DBX das alles mit der Attitude einer exzellent motorisierten Limousine macht – das ist kein hochbockiger Geländewagen, der auf höheren Geschwindigkeiten gequält wurde und Verunsicherung aufkommen lässt, sondern ein brillant liegender Sportwagen mit viel Innenraum, der auch im Gelände überzeugt – doch dazu später.
Länge läuft beim Aston Martin DBX
Diese Souveränität verdankt der DBX mehreren Faktoren: Erstens gibt es hier einen sehr langen Radstand, der die alte Techniker-Weisheit „Länge läuft“ bestätigt. Zweitens hat der DBX eine vernünftige Achslastverteilung mit 54 Prozent Gewicht auf der Vorder- und 46 Prozent Gewicht auf der Hinterachse. Drittens verfügt der Aston Martin DBX über eine wohlabgestimmte Luftfederung samt Wankstabilisierung, beängstigende Schräglagen gibt es also nur im Kriechgang im steilen Gelände. Und dazu kommt eine samtweich schaltende Neungang-Automatik, die mit ihren Teil dazu beiträgt, dass der Wagen bei 180 km/h gerade einmal 1.600/min dreht – was übrigens auch zu vergleichsweise akzeptablen Benzin-Verbrauchswerten beiträgt. Wobei akzeptabel natürlich ein dehnbarer Begriff ist: Der DBX lässt sich zügig, aber ohne Vollgas-Orgien auf der Autobahn mit 12 bis 13 Litern fahren – wandert aber auch bei höheren Tempi und im Stadtverkehr gerne in den 17-Liter-Bereich. Was in diesem Umfeld als günstig gelten kann – da gibt es schlimmere Finger.
Wenn Autofirmen neue Geschäftsfelder betreten, stellt sich stets die Frage, ob man der Leader sein will, oder erst einmal betrachtet, wie sich die Konkurrenz so schlägt. Aston Martin ist den zweiten Weg gegangen: Man hat sich einmal angesehen, wie beispielsweise Lamborghini, Bentley oder Rolls-Royce ihre geländetauglichen SUVs angelegt haben – und dann beim DBX mit einem eigenen Chassis und eigenen Ideen (and a little help from AMG und Mercedes-Benz) ein eigenes Produkt abgeliefert. Was natürlich den Vorteil hat, dass man manche Irrwege vermeiden und ein durchdachtes Gefährt abliefern konnte.
Vielleicht ist das der Grund dafür, warum der Aston Martin DBX so selbstverständlich daher kommt, so lässig. James Bond hätte mit ihm jedenfalls manche automobile Jagd deutlich entspannter angehen können – ganz zu schweigen von dem zusätzlichen Waffenarsenal, dass Q hinter der Heckklappe installiert hätte. Doch ich komme ins Plaudern…
Natürlich hat ein DBX auch Schwächen – ich erwähne hier nicht den Basispreis von 178.300 Euro, der sich natürlich mit Extras und Individualisierungsprogramm faszinierend nach oben treiben lässt. Hier handelt es sich – ebenso wie die Unterhaltskosten – um Marginalien, die die Käufer und Interessenten eher rudimentär interessieren. So könnten ein paar Bedienungsfelder ergonomisch besser liegen und es gibt derzeit moderne Infotainment-Systeme, wahrscheinlich muss die letzte Ausbaustufe immer zuerst in Stuttgart zum Einsatz kommen, bevor sie an Aston Martin weitergereicht wird. Und die Start-Stop-Automatik könnte beim Anfahren etwas weniger zum Ruckeln neigen.
Das ändert aber nichts daran, dass der Aston Martin DBX auf Anhieb ein erstaunlich ausgereifter Wagen ist, der sich wunderbar artgerecht bewegen lässt – mit reichlich Temperament und adäquaten Bremsen; mit viel Innenraum und dennoch cozy Atmosphäre. Genauso faszinierend ist die moderne Technik, die dem Wagen auf Knopfdruck ein Fahrwerk für die Rennstrecke, eine komfortbetonte Langstreckentauglichkeit und im Gelände die Kletterfähigkeit einer Bergziege anerzieht. Und wer glaubt, dass er die Fähigkeiten eines Rennfahrers besitzt, kann sich seine Fahrwerksabstimmung auch noch selbst konfigurieren. Bei derart viel Technik freut man sich dann doch, dass man noch selbstständig Gasgeben, Bremsen und Lenken darf.
Mit Aston Martin scheint es weiter bergauf zu gehen – die Fahrzeuge verkaufen sich nicht schlecht, der DBX hat neue Kunden zu den Händlern getrieben und die 20 Meistertitel, die die Rennwagen in diesem Jahr errungen haben, wirken sich positiv auf die Wahrnehmung des Labels aus. Und der Aktienkurs steigt auch…
Man darf gespannt sein, wie sich der Formel 1-Einsatz mit Sebastian Vettel und Lance Stroll im nächsten Jahr auf das Image von Aston Martin entwickeln wird – ob nun James Bond Lewis Hamilton im Aston Martin jagen würde? Auf jeden Fall würde er mit einem DBX zur Rennstrecke fahren – und es wäre eine gute Wahl.
Fotos Aston Martin Lagonda Ltd.
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