Jeep Wagoneer – Der Pionier der Prärie
Heute gehen Allradantrieb und Luxus Hand in Hand. Einen Großteil der Neuzulassungen machen mehr oder minder luxuriöse und geländegängige Fahrzeuge aus. Vor 60 Jahren musste man sich noch zwischen Offroad und Clubhaus-Interieur entscheiden, bis 1963 der Jeep Wagoneer auf den Markt kam.
Unter der Ägide von Kaiser-Jeep wurde Anfang der 60er-Jahre die Entwicklung einer neuen Jeep-Baureihe vorangetrieben. Der Willys Jeep Station Wagon, der seit 1946 produziert wurde, war mittlerweile etwas in die Jahre gekommen.
Designer Brooks Adams, der unter anderem den Studebaker Gran Turismo Hawk, einige Modelle für Excalibur, aber auch das PR-Fahrzeug Oscar Mayer Wienermobile entwarf, wurde mit der Gestaltung des Wagoneers betraut. Auch wenn der Jeep Wagoneer wie sein Vorgänger auf einem Chassis eines Pickup Trucks basiert — in diesem Fall eines Jeep Gladiator — bemühte sich Adams, die Karosserie truck-untypisch zu gestalten. Es sollte aber eben auch kein aufgebockter PKW mit Heckklappe werden.
Für einen Geländewagen kam der Wagoneer recht elegant daher. Nur am ersten Kühlergrill schieden sich die Geister. Mit Beginn des Super Wagoneer ab 1966 wurde die neue Front mit den gefälligeren und geläufigeren breiten Lufteinlässen eingeführt.
Ausstattung ist alles beim Jeep Wagoneer
Viel entscheidender als die äußere Form waren aber die Ausstattungsmöglichkeiten. Und da brachte der Wagoneer vielfältige, im Allrad-Segment bisher unbekannte, Möglichkeiten mit. Das Fahrwerk punktete mit der vorderen Einzelradaufhängung. Mit an Bord waren Servolenkung, Automatik, Radio und eine optionale Klimaanlage. Unter der Haube arbeitet der Jeep-Sechszylindermotor „Tornado“ mit obenliegender Nockenwelle. Aus anfangs 3.769 cm³ Hubraum erzeugte er 105 kW/142 PS. Schon vor der kompletten Übernahme von Kaiser-Jeep durch AMC steuerte die American Motors Corporation einen neuen, leicht vergrößerten und verbesserten Reihen-Sechszylinder ab dem Modelljahr 1966 bei. Im gleichen Jahr wurde auch erstmals ein V8-Motor angeboten.
Aus 5,4 Litern Hubraum brachte er 184 kW/253 PS auf die Straße. Noch in der Ära von Kaiser-Jeep erschien zwischen 1966 bis 1969 der so genannte „Super Wagoneer“. Erst mit einem AMC-Motor mit 5.369 cm³, später einem 5.735 cm³ Motor von Buick. Wenn man schon den Ur-Wagoneer als Startpunkt der modernen SUVs betrachtet, kann man den Super Wagoneer getrost als veritablen Urahn der luxuriösen SUVs ansehen. Zahlreiche Ausstattungs-und Komfortdetails waren serienmäßig oder als Option an Bord. So gab es zum Beispiel Servolenkung, Automatikgetriebe, Innenbeleuchtung, Drucktastenradio, verstellbare Lenksäule und eine elektrische Heckklappe.
Die Konstante in wechselhaften Zeiten
In den Folgejahren unter dem Dach der Konzerne AMC und Chrysler änderten sich die Motorisierungen und die Details in der Ausstattung, aber das Grundziel blieb immer gleich: Mehr Ausstattung, mehr Komfort und mehr Souveränität auf uns abseits der Straßen.
So verbannte AMC alle markenfremden Motoren aus dem Wagoneer und verbaute nur noch eigene, meist hubraumstarke Aggregate. Kurioserweise blieben nach der Übernahme von Chrysler im Jahr 1987 die AMC-V8 unter der Haube, obwohl Chrysler modernere Achtzylinder mit Benzineinspritzung im Sortiment hatte. Die Änderungen blieben eher kosmetischer Natur.
Aber auch wenn die Anpassungen stets moderat waren, ging es immer nur in eine Richtung, nach oben im Hinblick auf Ausstattung. Die Krone dabei bildete der 1978 vorgestellte Jeep Wagoneer Limited. Eine Klimaanlage war verbaut, ebenso elektrisch verstellbare Sitze und Fensterheber, Tempomat, Lederausstattung und Holzfurnierverzierungen. Auch wenn der Limited die Schallmauer von 10.000 US-Dollar deutlich durchbrach, verkaufte sich das Modell sehr gut.
Ohnehin sind die Absatzzahlen des Wagoneers durch die Jahre hindurch stets ausgesprochen gut gewesen, lediglich in den 80ern gingen die Verkäufe aufgrund des hohen Kraftstoffverbrauchs und steigender Benzinpreise etwas zurück.
Ende und Epilog
Das Ende des Wagoneers kam 1991, als die letzten knapp 1.500 Exemplare mit der Plakette „Final Edition“ gefertigten wurden. Jeep legte fortan die Hoffnung auf den Cherokee und den Grand Cherokee, der jedoch trotz des Namens deutlich kleiner war als der Wagoneer.
Die Geschichte des Wagoneers hatte allerdings noch einen kleinen Epilog parat. Die Popularität des Wagoneers war ungebrochen. Pläne, doch ein komplett neues Modell auf die Straße zu bringen, kamen aber nicht auf, da eine Umsetzung viel zu teuer geworden wäre. Also griff Chrysler in die Trickkiste und versuchte, den Namen mit einem gut ausgestatteten Grand Cherokee mit V8, allerlei Sonderausstattungen und der typischen Holzimitat-Beplankung zu verbinden. Auf diesen Etikettenschwindel fiel man am Verkaufstresen nicht herein und so blieb der Grand Wagoneer auf ZJ-Basis hinter den Erwartungen zurück und nur kurz im Sortiment. Dass er eigentlich kein ganz so schlechtes Auto war, sieht man an den reinen Leistungszahlen.
Wie ist die Wirkung des Jeep Wagoneer einzuordnen
Ein Geländewagen mit ein paar Annehmlichkeiten, was ist daran schon besonders? Möglichweise kann man sich das aus heutiger Sicht fragen. 1963 war das noch anders, Fahrzeuge wie Kombis oder Geländewagen sollten einfach ihren Zweck erfüllen, alles andere war zweitrangig. Der Wagoneer war in der Ta so etwa wie ein Pionier. Der Land Rover „Classic“ kam erst einige Jahre später auf den Markt. Die direkten Zeitgenossen von International Harvester oder eben Land Rover waren raue Gesellen ohne Komfort.
Everybody‘s Darling war der Wagoneer aber auch nicht, und wollte es auch nie sein. Und das liegt nicht nur an der Holzimitat-Vertäfelung an den Flanken, die an die frühen echten Woodies erinnern. Man muss ein solches stattliches Fahrzeug schon wollen. Aber diejenigen, die sich für den Wagoneer entschieden haben, um mit Kind und Kegel über den Highway zu cruisen — mit dem Wissen im Hinterkopf, dass man auch das Steuer herumreißen könnte und querfeldein durch die Prärie fahren könnte.
Entsprechend sind heute gut erhaltene oder gut restaurierte Exemplare selten und teuer. Die Preise können also durchaus im mittleren fünfstelligen Bereich liegen. Wenn die Autos aber gut restauriert sind, erhält man aber auch einen zuverlässigen Begleiter für alle Herausforderungen auf und neben der Straße, der zudem auch ein kleines Stück Automobilgeschichte geschrieben hat.
Fotos Maximilián Balázs
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