1946 Ermini Fiat 1100 Sport – Ein Sportlerleben für drei

Ermini Fiat 1100 Sport (77)

Lassen Sie sich nichts einreden, die drei wichtigsten Dinge bei einem Auto seien Hubraum, Hubraum und nochmal Hubraum. In Wahrheit kann auch verhältnismäßig wenig davon ausreichen. Dazu noch die wirklich wichtigen Ingredienzen wie Historie, Fahrspaß und das Fokussieren auf einfache Technik ohne schweren Firlefanz, fertig ist der Ermini Fiat 1100 Sport.

Wenn man diesen putzigen, junggebliebenen Renner vor sich sieht, mag man nicht annehmen, dass dieses Automobil eine Lebensgeschichte vorweisen kann, die normalerweise für drei Autoleben ausreicht.

FIAT und Bertone als Geburtshelfer

Gebaut wurde der Roadster 1946. Als Grundlage diente das modifizierte Chassis eines FIAT 1100. Die Rahmenmodelle eigneten sich baubedingt hervorragend für Umbauten aller Art. Von FIAT selbst gab es allerlei Varianten, von Limousine, Coupé bis Kastenwagen. Aber auch die bekannten und unbekannten Stellmacher fertigten auf Wunsch Karossen als Einzelanfertigung oder in Kleinstserie an.

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Die Scuderia Automobilistica Milan der Brüder Arialdo und Emilio Ruggeri gab bei der Carrozzeria Bertone einen Auftrag ab, vier sportliche Aluminiumkarosserien auf den modifizierten FIAT-Rahmen zu bauen. Für den Antrieb entschied man sich für den Vierzylinder-Motor aus dem FIAT, der unter Mithilfe des Politecnico di Milano, der Polytechnischen Universität Mailand, etwas in der Leistung gesteigert wurde.

Allerdings werden dann doch nur zwei der vier Exemplare gebaut. Der eine geht an den Chef der Scuderia, in das Cockpit des zweiten setzt sich kein geringerer als Tazio Nuvolari. Der große „Nivola“ hatte bei seinen ersten drei Starts aber nur mäßig Glück im kleinen Renner, der noch als FIAT 1100 Sport Speciale unterwegs war. Am 23.6.1946 musst der mittlerweile schwer an Asthma leidende Vorkriegs-Held aus gesundheitlichen Gründen das Rennen in der vom Schweizer Kanton Tessin umschlossenen italienischen Exklave Campione d’Italia vorzeitig beenden. Auch am 8. September auf dem Circuito del Lido di Venezia und am 22. September auf dem Circuito di Asti musste er jeweils wegen eines Kupplungsschadens die Segel streichen.

Ermini Fiat 1100 Sport Pasquale Roma 1947
Pasquale Ermini mit seinem Ermini Fiat 1100 Sport auf der Circuito di Caracalla in Rom 1947.

Auf dem Weg zum Ermini Fiat 1100 Sport

Nach Ablauf der 1946er Rennsaison entschied die Scuderia Milan, sich auf das Grand Prix-Geschehen zu konzentrieren und den FIAT zu verkaufen. Passenderweise hatte gerade Pasquale Ermini sein eigenes Rennteam gegründet, die Scuderia T.E.S.S. (Testa Emisferica Super Sport). Ermini setzte nicht nur sein Logo auf die Motorhaube, wo es bis heute zu finden ist, sondern unterzog auch dem Motor eine Frischzellenkur. Der 1,1 Liter Vierzylinder-Motor bekam nun zwei Nockenwellen und zwei neue Weber Vergaser, was dem von Ermini umgebauten FIAT-Motor mehr Leistung verschaffte.

Ermini Fiat 1100 Sport Historie
Undatiertes Foto des frühen Ermini Fiat 1100 Sport noch mit der ursprünglichen Front.

Der Meister selbst, „Pasquino“ Ermini ließ es sich nicht nehmen, die ersten Rennen 1947 am Steuer zu bestreiten. Gleich im ersten Qualifying auf der Strecke in Piacenza erreichte er den zweiten Platz in der Klasse bis 1.100 ccm Liter Hubraum. Das Rennen konnte er aber nicht beenden. Im gleichen Jahr war Ermini auch beim Gran Premio di Roma auf dem Circuito delle Terme di Caracalla vertreten und erreichte mit dann schon Fiat Ermini 1100 Sport genannten Rennwagen einen respektablen siebten Platz. Erster war bei diesem Grand Prix von Rom Franco Cortese im Ferrari 125 S, der erste Sieg für die Scuderia mit dem „Cavallino rampante“ im Logo.

Ebenfalls 1947 ließ er auch seinen T.E.S.S.-Geschäftspartner und Rennfahrer Siro Sbraci ans Steuer. Unter anderem erreichte dieser einen ausgezeichneten zweiten Platz in der Gesamtwertung auf dem Circuito del Montenero in Livorno.

Zum Ende der Saison wurde der Rennwagen offiziell an Siro Sbraci verkauft, der mit großem Enthusiamus auf den Rennstrecken – vor allem in Norditalien – in der Saison 1948 unterwegs war. Ein irreparabler Schaden an Antrieb machte aber eine Motorwechsel notwendig. Was aber nicht zwangläufig zum Nachteil des Wagens gereichen sollte. Als neuer Motor wurde ein aktuelles Aggregat aus einem FIAT 1100 S gewählt, was die Leistung auf 68 kW/92 PS erhöhte.

Der Ermini Fiat 1100 Sport im Konzert der ganz Großen

Mit frischem Antrieb erstand Carlo Meoni aus Florenz den Wagen und nahm 1949 an diversen Rennen teil. 1951 wurde der Ermini Fiat an Bruno Maroccini aus Pescara verkauft. Dieser nahm 1952 beim Giro di Sicilia teil und war richtig gut im Rennen. Kurz vor dem Ziel lag er in seiner Klasse in Führung, selbst Luigi Piotti in seinem OSCA MT4 konnte ihm nicht folgen. Aber es kam, wie es kommen musste, Bruno Maroccini kam mit seinem Ermini Fiat 1100 Sport von der Strecke ab und musste den prestigeträchtigen Sieg Piotti überlassen.

Glücklicherweise verlief der Unfall eher glimpflich, nur die Front war deutlich beschädigt. Und ebenfalls zum Glück war Maroccini beruflich mit dem Karosseriebau betraut. Also verpasste er dem Ermini gleich eine neue Front, von der Optik angelehnt an den Ferrari 225S aus 1952.

Viel Zeit für die Reparatur blieb aber nicht, denn das nächste Highlight stand an, die Mille Miglia. Mit der Startnummer 409 geht Maroccini mit seinem Beifahrer Cardinali an den Start in Brescia. Leider kamen die beiden nicht wieder in Brescia an, ein Schaden an der Lenkung zwang den Ermini Fiat 1100 Sport zum Stop in Ravenna. So verpassten sie die die triumphale Ankunft des siegreichen Teams Giovanni Bracco und Alfonso Rolfo (beide Italien) im Ferrari 250 S mit Berlinetta-Karosserie von Vignale sowie der Rückkehr von Mercedes-Benz mit dem 300 SL in den Motorsport-Zirkus. Karl Kling und Hans Klenk wurden im „Flügeltürer“ Zweite, Rudolf Caracciola und Peter Kurrle (alle Deutschland) Vierte. Dazwischen kamen noch Luigi Fagioli und Vincenzo Borghi (beide Italien) in ihrem Lancia Aurelia B20 auf das Treppchen.

Im Jahr 1952 nahm Bruno Maroccini noch ein mehreren weiteren Rennen teil, ein Highlight waren die Finalläufe des „Volante d’Argento“ des Automobile Club d’Italia in Cantazaro, wo der Ermini Fiat 1100 Sport als Zweitplatzierter gewertet wurde. Die Plakette dieser Veranstaltung prangt bis heute stolz auf der linken Fahrzeugseite.

Ermini Fiat 1100 Sport Mille Miglia 1952 Bruno Maroccini
Bruno Maroccini mit seinem Ermini Fiat 1100 Sport bei der Mille Miglia 1952.

Das erfolgreiche zweite Leben des Ermini Fiat 1100 Sport

1954 wurde der Ermini schließlich in den Wohlverdienten Renn-Ruhestand versetzt. Keine Wettkämpfe mehr Rad an Rad, sondern nur noch zum einen sportliches Fahren zum Vergnügen des Eigentümers.

Das „zweite Leben“ als sportliches Fahrzeug zum privaten Vergnügen brachte aber auch eine beeindruckte Zahl an Erfolgen mit sich. Nicht mehr auf Rundstrecken unter Vollast, aber auch Siege bei renommierten touristischen Veranstaltungen und Gleichmäßigkeits-Rallyes schmecken süß. Gerade, wenn es sich um die bedeutendsten Oldtimer-Rallyes handelt. Sieg bei der Targa Florio und beim Giro di Sicilia 1999, Zweite Platz bei der Coppa d’oro Dolomiti 2002 und 2003 sowie Spitzenplatzierungen bei der Mille Miglia 1996 (vierter Platz), 1998 (fünfter Platz) und 1997 (achter Platz). Neben zahlreichen anderen gelungenen Auftritten.

Auf ein rundum bewegtes, abwechslungsreiches Leben kann der Ermini Fiat 1100 Sport schon zurückblicken. Wenn man sich gleichermaßen in Würde gealterten sowie junggebliebenen Roadster anzieht, kann man sich lebhaft vorstellen, dass noch viele erfolgreichen, freudvollen Jahre folgen werden. Hubraum und absolute Leistung sind wahrlich zweitrangig, wenn man diese Historie vorweisen kann. Zudem eine angemessenes Leistungsgewicht, eine reduzierte, nachvollziehbare Technik sowie Fahrspaß satt. Und als Sahnehäubchen ist der Ermini Fiat 1100 Sport auch noch die Eintrittskarte für all die exklusiven Klassiker-Veranstaltungen, bei dem man mit diesem super-exklusiven Modell auch noch hervorsticht.

Ermini Fiat 1100 Sport Mille Miglia


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Fotos Eigentümer

Autor: Paolo Ollig

Paolo Ollig schreibt als Chefredakteur regelmäßig über alle Raritäten und Meilensteine der Automobil- und Motorrad-Geschichte. Traum-Klassiker: Lamborghini Countach und Mercedes-Benz 300 SL. Eigener Klassiker: Mercedes-Benz 230 CE (W123) von 1981.

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