Die Zukunft der Klassiker – Eine Prognose

Zukunft der Klassiker Volkswagen VW Golf IV R32 (4)

Wohin geht die Reise? Wie sieht die Zukunft der Klassiker aus? Eine häufig gestellte Frage im Automobilsektor, gerade wenn es sich um Klassiker dreht. Vieles ist aktuell in Bewegung: Neue Antriebskonzepte ziehen in aktuelle Neuwagen ein, aber hat das auch Auswirkungen auf meinen Klassiker?

Wo steht der Klassikermarkt nach dem Boom von Old- und Youngtimern in den letzten Jahren? Soll man sich jetzt einen Klassiker mit Perspektive kaufen und was kann ein Anbieter tun, um mögliche Hinderungsgründe auszuräumen?

Viele Fragen rund um die Zukunft der Klassiker, einige nicht leicht zu beantworten, ohne aus dem Kaffeesatz lesen zu müssen. Dennoch sind aus der jüngeren Geschichte Entwicklungen abzulesen, die Rückschlüsse auf die Zukunft zulassen.

Torsten Claus und Christian Plagemann sind Gründer und Geschäftsführer von Classic Trader. Sie sind seit vielen Jahren sowohl aus beruflichem als auch aus privatem Interesse ganz nah am Klassikermarkt und können aus erster Hand über die Angebots- und Nachfragetrends berichten.

Was ist der aktuelle Stand auf dem Klassikermarkt? Was waren die Entwicklungen in den letzten 1-2 Jahren?

Christian Plagemann: Wir beobachten in jüngerer Vergangenheit eine Korrektur des Wertegefüges auf ein wieder realistisches Niveau. Teilweise war der Markt gerade bei einigen Marken und Modellen ungesund aufgeheizt.

Es findet also gerade eine Art Korrektur und Anpassung des Marktes auf die Bedürfnisse und Geschmäcker einer neuen Generation statt. Fahrzeuge der 80er und 90er, teilweise sogar der 2000er Jahre erfreuen sich großer Beliebtheit. Eine neue Generation steigt ein und orientiert sich an den Fahrzeugen der eigenen Jugend.

So verkauft sich ein Audi quattro heute schneller als ein Opel Olympia oder ein Mercedes-Benz 170 aus den 50er Jahren. Aber auch an der Spitze ist die Weiterentwicklung zu einer eigenen Realwert-Klasse erkennbar.

Torsten Claus: Was in diesem Zusammenhang entscheidend ist, ist das Thema Alltagstauglichkeit, sowie die vorhandene Service- und Wartungsinfrastruktur.

Gerade Erstkäufer, die nicht bereits den Werkstattbetrieb ihres Vertrauens kennen oder gar selbst Kleinigkeiten reparieren können, legen Wert auf diese Punkte und erwarten Zuverlässigkeit und Sicherheit.

Erstkäufer gieren nach dieser Art der Unterstützung und Sicherheit und wählen hierzulande mitunter auch aus diesem Grund Marken wie Porsche und Mercedes-Benz, die vor allem auch für Ihre Zuverlässigkeit, eine gute Teileverfügbarkeit und ein durchgängiges Servicenetzwerk bekannt sind.

Neben den Einstiegsklassikern zeigt sich aber auch ein Trend zu Super- und Hypercars. Es gibt im oberen Preissegment aber eben auch im unteren viel Bewegung. Momentan ist es gerade das mittlere Preissegment, das sich preislich konsolidiert hat und die Antwort auf eine baldige Rückbesinnung auf steigende Werte offen lässt.

Zukunft der Klassiker Mercedes-Benz SLKR 722 Stirling Moss (6)

Welche Herausforderungen gibt es?

Christian Plagemann: Neue Klassiker-Fahrer*innen müssen abgeholt werden. Es muss ein Emotionstransfer auf eine neue Generation auch über neue Medien stattfinden, damit die Zukunft der Klassiker gesichert ist.

Während man vor 30, 40 Jahren allein mit Print-Publikationen einen Großteil der Klientel erreichen konnte, sollte man heute die Medienlandschaft breiter bespielen und dahin gehen, wo sich neue Interessenten befinden.

Gewiss, die besten Hochglanz-Fotos bei Instagram und die dynamischsten Videos bei TikTok können nicht den Geruch und die Vibration, die Arbeit an und in einem alten Auto transportieren. Aber der erste Schritt kann nur so geschehen, um in der Folge die nächste Generation erstmal hinter das Lenkrad zu bringen.

Torsten Claus: Genau darum geht es, die Streuung auf mehrere Kanäle ersetzt ja nicht zwangsläufig die klassischen Medien und etablierten Veranstaltungen und Messen. Es geht vielmehr um den Erstkontakt.

Die wahren Emotionen und eine intensive Bindung kommen dann, wenn man tatsächlich im Auto sitzt und das erste Mal den Motor gestartet hat. Sobald der Schlüssel umgedreht und die ersten Meter gefahren sind, entscheidet sich schnell, ob man Benzin im Blut hat und sich schnell eine hohe Bindung zum Thema entwickeln kann.

Neben den üblichen Attributen einer erfolgreichen Vermarktung ist es aber aus unserer Sicht mit das Wichtigste bei der Vermarktung klassischer Fahrzeuge, das nötige Vertrauen herzustellen.

Klassische Fahrzeuge sind eben keine Neuwagen und damit ist die Kunst ihrer Vermarktung, einen hohen Grad an Transparenz und Sicherheit zu schaffen – Attribute, die den Verkauf eines marktgerecht eingepreisten Fahrzeuges massiv erleichtern.

Was sind die Lösungsansätze für die drängenden Fragen für die Zukunft der Klassiker?

Torsten Claus: Der internationale Oldtimermarkt muss sich genauso mit den Fragen der Zukunftsgestaltung auseinandersetzen wie die restliche Automobilindustrie.

Ein Aspekt ist beispielsweise die allgemeine Akzeptanz von Oldtimern im Straßenbild. Es gibt bereits in der Entwicklung befindliche Lösungen, die auch für Oldtimer nutzbar sind und das Potenzial haben einer fehlgeleiteten Umweltpolitik den Wind aus den Segeln nehmen zu können.

Hiermit ist nicht nur die nischige Elektrifizierung von Oldtimern gemeint, sondern insbesondere auch die Nutzung von synthetischen Kraftstoffen, die in den nächsten Jahren den Verbrennungsmotor und insbesondere den Oldtimer zu einem umweltfreundlichen Wegbegleiter machen kann.

Wie muss sich der Markt positionieren, um für die Zukunft der Klassiker gewappnet zu sein?

Christian Plagemann: Da möchte ich wieder das Wort vom Emotionstransfer bemühen. Klassiker verkaufen sich – wie vieles andere auch – nicht mehr von alleine. Egal ob Vorkrieg oder eleganter Sportwagen der 50er, man muss online wie offline als Anbieter präsent sein und potenziellen Kunden die Fahrzeuge multimedial anbieten und vorstellen.

Es gibt nicht wenige Stimmen, die das Ende zukünftiger Klassiker voraussehen mit dem Einzug von Elektronik im Automobilbau. Wie sehen Sie das?

Christian Plagemann: Da muss man unterscheiden zwischen Alltagsfahrzeugen und Klassikern: Alternative Antriebskonzepte sind sicherlich auf dem Vormarsch, genauso wie Mobilitätskonzepte, die nicht auf den Besitz eines eigenen Autos abzielen wie zum Beispiel Carsharing oder Auto-Abos. Weder das eine, noch das andere bedrängt aber zwangsläufig den Klassiker-Markt.

Beim Auto, das einen zur Arbeit oder in den Urlaub fährt, werden andere Maßstäbe angesetzt als beim Thema Freizeit-Mobilität. Dort spielen die Klassiker zunehmend eine relevante Rolle. Es gibt ja auch nichts daran auszusetzen, wenn man mit dem Tesla wochentags zur Kita fährt und am Wochenende mit dem BMW Z3 eine Landpartie macht.

Außerdem mag es natürlich richtig sein, dass bei Klassikern neue Herausforderungen auf die Werkstätten zukommen, aber auch da bewegt sich viel. Manches Steuergerät, dass heute nicht zu reparieren ist, wird man vermutlich in einigen Jahren problemlos instandsetzen oder durch neue Systeme ersetzen können

Welche Autos haben das Potential in ein paar Jahren als Klassiker gehandelt zu werden?

Torsten Claus: Der internationale Markt für „Sammlerfahrzeuge“ unterliegt zwar auch Trends. Sie rufen immer wieder neue Strömungen hervor und bringen Vergessenes wieder auf die Agenda der Enthusiasten und Sammler. Strenggenommen ist diese Frage aber ähnlich wie zum Beispiel auf dem Kunstmarkt zu beantworten. Der große Unterschied liegt wohl in der Nutzbarkeit von Fahrzeugen, um auch einen Alltagsnutzen – dem Transport von A nach B – erfüllen zu können.

Seltene Fahrzeuge mit bekannten Marken-Designer Kombinationen mit herausragenden Eigenschaften (in jeder Dimension) sind im Normalfall ein Garant für attraktive Wertsteigerungen.

Doch „What‘s next“? Die Suche nach den nächsten aufsteigenden Sternen für die ewige Hall of Fame scheint für Viele heutzutage schwieriger als jemals zuvor. Wird es keine neuen Klassiker mehr geben? Die Antwort lautet ganz klar: Nein! Die Voraussetzungen bleiben dieselben und auch wenn sich die Gesellschaft wandelt und mit Ihr Geschmack und Bedürfnisse, so sind wir noch lange nicht am Ende der Entwicklung angekommen.

So findet man auch heute noch Underdogs, bei den weniger bekannten Marken, Kleinserienherstellern und toten Marken. Wie zum Beispiel einen Maserati Shamal und einen Wiesmann Roadster, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Christian Plagemann: Man muss aber von Fall zu Fall entscheiden, auch innerhalb eines Modells. Ein Golf IV 1,6 Highline zum Beispiel wird sicherlich noch ein paar Jahrzehnte warten müssen, bis er so selten und damit besonders geworden ist, dass sich Liebhaber nach ihm umdrehen – anders ist dies beim R32.

Man hört ja immer wieder Stimmen, der Markt der weniger sportlichen Vorkriegsfahrzeuge sei tot. Hier sehen wir zum jetzigen Zeitpunkt jedoch eher eine Verschiebung zu Märkten und Sammlern aus Nah- und Fernost, bei denen sich die erste und zweite Generation an Sammlern gerade erst entwickelt.

Es wird spannend sein zu beobachten, wie sich die Märkte in nah und fern entwickeln, die Begeisterung der Enthusiasten für Old- und Youngtimer ist aber auf alle Fälle ungebrochen und neue Generationen stehen ebenfalls in den Startlöchern für eine gute Zukunft der Klassiker.

Zukunft der Klassiker Volkswagen VW Golf IV R32 (5)


Fotos Bastian Voigt Collectors Cars, Mechatronik, Volkswagen AG

Autor: Paolo Ollig

Paolo Ollig schreibt als Chefredakteur regelmäßig über alle Raritäten und Meilensteine der Automobil- und Motorrad-Geschichte. Traum-Klassiker: Lamborghini Countach und Mercedes-Benz 300 SL. Eigener Klassiker: Mercedes-Benz 230 CE (W123) von 1981.

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