Der PS-Speicher wird 2!

PS-Speicher

Der PS-Speicher wird 2 und feiert das gebührend, wie es sich gehört, mit einer PS-lastigen Rallye durch die nähere Region. Freundlicherweise wurde mir und meiner Beifahrerin, einer Rallye Novizin mit dem angeblich schlechtesten Orientierungssinn der Welt, ein Fiat 600 Viotti von 1956 als Rallyefahrzeug angeboten.

Dazu muss man sagen, dass dieser Viotti wirklich klein ist und sowohl ich als auch meine Beifahrerin eher zu den Großen zählen. Das Auto ging uns bis zur Hüfte und auch in der Länge war er kaum grösser als wir, hätten wir uns neben das Schätzchen gelegt. Entzückend! Doch er war exakt das, was wir für die Premiere benötigten, klein, schnuckelig und vor allem: Auf gar keinen Fall zu schnell!


PS- Speicher PS- Speicher PS.SPEICHER


PS-Speicher – Tag 1

Wir kommen am ersten Tag am PS-Speicher an und werden im Organisationsbüro wärmstens empfangen. Die Unterlagen plus diverser praktischer Utensilien für die Rallye am folgenden Tage werden ausgehändigt und wir wandern durch die kleine historische Kirmes zu Füßen des PS-Speichers zum Parkplatz an dem schon die diversen „Leihfahrzeuge“ auf die Fahrer Teams warten. Wir finden unseren kleinen Viotti direkt neben einem zeitgenössischen Hippiebus. Welch ein Kontrast. Die hilfsbereiten Geister weisen uns in das Fahrzeug, ein überreichen uns den Schlüssel und schicken uns auf die Probefahrt. Wir falten uns in die Fahrerkabine und stellen verblüfft fest: Wir haben entspannt Platz, die Beine bequem ausgestreckt, Kopffreiheit ist auch ausreichend vorhanden. Ein breites Grinsen breitet sich über unseren Gesichtern aus – die perfekte Zuteilung – das wird ein riesen Spaß!

Der Kleine startet problemlos und wir drehen eine ausgedehnte Runde rund um Einbeck. Schöne hügelige Landschaft und wir genießen die ersten Kilometer in unserem Viotti. Zurück auf dem Parkplatz kommt der Cheftechniker auf uns zu und fragt, ob wir den Wagen morgen während der Rallye nicht kurz tauschen könnten – das sei so eine Geschichte.

Just dieser Wagen wurde 1956 von einem Herren in Italien erworben und auch abgeholt, der sich etwas Schönes leisten wollte. Die Bedingung war damals, dass er auf keinen Fall einen größeren und schnelleren Wagen fahren durfte als sein Chef – also entschied er sich für den Viotti, den er dann noch mit ein paar Abarth Teilen tunte, so dass er nun atemberaubende 100 km/h fahren konnte! An sich noch nicht bemerkenswert. Die Geschichte bekommt allerdings einen schönen Dreh, denn als der Viotti beim TÜV vorgefahren wurde um die Tageszulassung für die Rallye zu bekommen, meinte der TÜV Prüfer sich zu erinnern, dass ebensolch ein Fahrzeug in seiner Familie gewesen wäre. Nach einem Telefonat mit dem Cousin, ein paar per Mail versendeten Bildern stellte sich heraus, dass unser Fahrzeug dem Großvater gehörte, der nun mit etwas über 90 Jahren in Hannover lebt. Und eben dieser Cousin würde so gerne eine Spritztour mit dem Viotti machen. Unter solchen Umständen: Wer ist man, dass man das liebgewonnene Gefährt nicht hergeben würde… Also würden wir den Wagen am nächsten Tag für ein Stück gegen einen grünen VW 1600 tauschen – bereitwillig aber doch mit etwas schwerem Herzen – aber wir teilen ja dieselbe Leidenschaft und sind solchen Geschichten immer erlegen.

Nach einem geführten Rundgang durch den PS-Speicher und die außergewöhnliche Sammlung bereiten wir uns auf die erste Abendveranstaltung vor. Sehr freundlicher Empfang. Man trifft hier und da alte Bekannte, lernt in der ungezwungenen Atmosphäre neue kennen und verabschiedet sich dann nach guter Bewirtung und guten Gesprächen zur Nachtruhe ins FREIgeist – das Hotel am Speicher – absolut empfehlenswert. Und wir wollen ja noch einen Blick auf das Roadbook werfen. Es stellt sich heraus, dass es perfekt für den geneigten und interessierten Anfänger ist. Keine Wertungsprüfungen sondern eine scheinbar gut ausgearbeitete Wegbeschreibung mit Chinesenzeichen. Meine Beifahrerin schwitzt ein bisschen aber morgen wird das schon klappen: Learning by doing!


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PS-Speicher – Tag 2

Der nächste Morgen bricht an und wir begeben uns in den Parc Fermé zu unserem Fahrzeug. In einer etwas undurchsichtigen Reihenfolge wird gestartet, dem ambitionierten Ziel vier Strecken an einem Tag abzuwickeln wohl geschuldet. Das sorgt für etwas Unruhe am Start ist aber im Grunde genommen nicht der Rede wert.

Und dann geht es ab auf die Strecke, Zuschauer säumen die Strecke winken und freuen sich über die wunderbaren Fahrzeuge, die vor malerischer Kulisse bewegt werden. Wir hängen uns an den Hippiebus in der Hoffnung, dass wir es so etwas leichter mit der Orientierung haben werden, aber schon nach kurzer Zeit gewinnt die Selbstsicherheit die Oberhand und wir überholen auf einer langen Geraden mit viel Anlauf den Bus – so ist die Sicht auf die Strecke dann doch viel schöner. Vorher waren wir auf Stoßstangen Höhe und konnten die bunten Blumen zählen, die darauf gemalt waren. So durchfahren und erleben wir die sanften Hügelkuppen des Harzes auf unsere gemächliche Art und Weise – aus heutiger Sicht. Im Viotti sind 80 – 90 km/h durchaus akustische und physische Arbeit.

Wir durchqueren beschauliche Orte, von Fachwerk geprägt und erfreuen uns an der Landschaft. Sanfte Wiesen und Felder säumen die Straße. Hin und wieder stoßen wir auf Lämmer, die auf der Wiese tollen und sehen die lokale Tierwelt aufgereiht an der Straße stehend und unseren Gefährten nachschauend über den seltsamen Zeitvertreib der heutigen Menschen den Kopf schüttelnd. Nach ca. 130 km erreichen wir Duderstadt – Zeit für ein kleines Mittagessen. Wir fahren durch ein Spalier von Toyotas, scheinbar ebenfalls auf einer Rallye und parken vor dem Rathaus zwischen unseren großen Brüdern und Schwestern – in diesem Fall dem Bulli und einem Horch. Ein seltenes und anheimelndes Bild. Nach dem Mittagessen geht es weiter Richtung Hannoversch Münden – kleine nette Fachwerkhäuschen, idyllische Kopfstein gepflasterte Straße. Es fehlen nur die Pferdekutschen, und wir sind zurück im Mittelalter. Aber auch so: In unserem kleinen Viotti fühlen wir uns ein bisschen wie in den 50er Jahren.

Die Streckenführung ist zwar idyllisch, und führt durch wunderschöne Gegenden, könnte aber an der einen oder anderen Stelle auch die ganz kleinen Nebenstraßen nutzen. So ist es manchmal etwas langgezogen, wenn man mit den 80 km/h über die B27 rauscht und von überholenden Motorrädern durchgeschüttelt wird. Gut, dass keine Lastwagen weit und breit sind, welch ein Schrecken hätte das sein können. Zumal der Wagen dann doch eher laut ist und man die anderen erst sieht, wenn sie neben einem sind und die Druckwelle des überholenden uns in sanftes Schaukeln versetzt.

Nach 240 km kommen wir wieder am PS-Speicher an, treffen alle Mitfahrer. Nun müssen wir etwas eilen, um uns für das Abschiedsessen fertig zu machen. Die meisten Teilnehmer sind etwas eleganter gekleidet, ohne übertrieben aufgesetzt zu sein. Wir knüpfen an die vorabendlichen Gespräche an, berichten uns gegenseitig von unseren Erfahrungen mit den Fahrzeugen und freuen uns über eine bis dahin sehr gelungene Veranstaltung. Morgen dann noch der gemeinsame Korso durch Einbeck mit Polizeieskorte und dann war es das auch schon.

Der Korso durch Einbeck: welch ein Erlebnis. Gut 130 Fahrzeuge aller Klassen winden sich in einer schier endlosen Schlange durch Einbeck. Passanten säumen die Strecke winken, haben ihre Campingtische und Stühle rausgestellt, trinken Bier, lachen, freuen sich, beeindrucken sich gegenseitig durch lässig dahingeworfene Typenbezeichnungen. Kurzum alle freuen sich – wir uns auch, denn durch ein nahezu endloses Spalier zu fahren ist sehr beeindruckend und gibt einem ein ganz besonderes Gefühl willkommen zu sein.


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PS-Speicher – FAZIT

Fazit: Für das erste Mal eine tolle Veranstaltung, mit Luft nach Oben. Tolle Menschen und Fahrer, die fröhlich über alle Klassen der Fahrzeuge hinweg kommuniziert haben und genau so soll das ja auch sein.

Was auffiel: Für mich die erste Rallye an der KEIN 911 jedwedes Alters und kein Mustang teilgenommen hat, dafür viele Fahrzeuge, die man sonst bei solchen Veranstaltungen nicht sieht (wie unser Viotti) aber auch Ente, Dyane, Admiral, B-Kadett, Manta, Capri, Lincoln, Peugeot 204 und viele, viele mehr. Nächstes Jahr sehr gerne wieder. Bis dahin weiterhin gute und kreative Ideen und DANKE.

PS: Meine Beifahrerin hat sich dann zum Ende wirklich als großes Orientierungs Talent herausgestellt. Für das nächste Mal erwarten wir dann ein paar Wertungsprüfungen…


Text Jan Engel // Fotos Classic Trader, Stephan Lindloff, PS.SPEICHER


Autor: Classic Trader

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