Der Marathon vom BMW 1602 Elektro bis zum BMW i4 eDrive40 Gran Coupé

BMW 1602 Elektro i4 eDrive40 Gran Coupé Retro Classics 2022 Hardy Mutschler (6)

Das Thema Elektro-Antrieb ist für manchen Oldtimer-Enthusiasten ein rotes Tuch. Dass E-Mobilität keine Erfindung der Neuzeit ist, sondern bereits um 1900 fahrtüchtige Modelle auf den Markt kamen und bei BMW schon 1972 mit dem BMW 1602 Elektro ein E-Auto präsentiert wurde, bewies BMW Classic bei ihrem Messe-Auftritt im Rahmen der Retro Classics 2022 in Stuttgart. Dort wurde die Brücke geschlagen von den Olympischen Spielen 1972 in München zur zukünftigen Ausrichtung der Marke.

Die meisten Autohersteller haben den Fokus der Entwicklung auf Elektromobilität gerichtet. Auf dem Weg zur CO2-Neutralität ist der E-Antrieb aktuell gegenüber anderen Konzepten in der Pole Position. Losgelöst von der aktuellen Debatte, ob E-Fuels, Wasserstoff oder andere Alternativen zum klassischen Verbrenner in Neuwagen in der Betrachtung zu kurz kommen, hat BMW Classic die Bühne der Retro Classics Stuttgart genutzt, um den Weg der E-Mobilität nachzuzeichnen.

Strenggenommen ist die Idee von Strom als Antrieb fast so alt wie das Automobil selbst. Schon Anfang des 20. Jahrhunderts gab es einige Hersteller, die mit Elektro-Autos ihr Glück versuchten. Der Verbrennermotor setzte sich bekanntlich durch. Die Elektro-Idee schlummerte aber nicht einhundert Jahre in der Schublade, sondern auch die großen Hersteller forschten nebenher am Elektroantrieb und vor allem an der Speichermöglichkeit des Stroms.

Der BMW 1602 Elektro von 1972 als Startschuss

Daher ist die Gegenüberstellung der beiden Generationen in Stuttgart auch so aufschlussreich. Auf der einen Seite ein BMW 1602 Elektro aus dem Jahr 1972. Pünktlich zu den Olympischen Spielen in der Bayrischen Landeshauptstadt soll nicht nur das bunte Dackel-Maskottchen Waldi die „heiteren Spiele“ repräsentieren, auch die Sponsoren wie BMW zeigen ihren innovativen Entwicklungen. Bereits ab 1969 baut BMW zwei Versuchsfahrzeuge auf Basis der BMW 02er-Reihe auf, um die Nutzbarkeit eines elektrischen Antriebs im praktischen Fahrbetrieb zu untersuchen. Anstelle des Schaltgetriebes findet ein von Bosch entwickelter Gleichstrom-Nebenschlussmotor mit 32 kW Spitzenleistung Platz, der seine Kraft über Zwischengetriebe und Kardanwelle auf die Hinterräder überträgt. Ein thermostatgesteuerter Radiallüfter mit 140 W Leistung übernimmt die Kühlung.

Der 85 Kilogramm schwere Elektromotor wird von zwölf handelsüblichen Zwölf-Volt-Bleibatterien der Marke Varta gespeist, die auf einer Palette im Motorraum untergebracht sind. Der Batteriesatz wiegt zwar etwa 350 Kilogramm, kann aber als Ganzes entnommen und durch ein frisch geladenes Paket ersetzt werden.

In der Theorie beschleunigt der BMW 1602 Elektro in acht Sekunden von null auf 50 km/h und erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h. Die Reichweite in der Stadt beträgt etwa 30 Kilometer, bei konstant 50 km/h etwa 60 Kilometer. Bei den Olympischen Spielen 1972 kommen die beiden Versuchsträger unter anderem als Begleitfahrzeug beim Marathonlauf zum Einsatz. Dafür reichen Leistung und Reichweite aus. Dass die Speicherkapazität eines der größten Herausforderungen in der Weiterentwicklung sein würde, wurde aber mehr als deutlich.

So findet in den Folgejahren die Forschung um den E-Antrieb weiter in München statt, aber unverändert etwas unter dem Radar. Bereits 1976 wird beispielsweise in einen ausrangierten BMW LS ein Elektromotor verbaut, Ende der 80er in einen 325iX (E30).

Anfang der 90er bricht die Elektro-Entwicklung aus dem Schema „E-Motor in konventionelles Auto einbauen“ heraus mit dem Studien E1 und E2. Wenn man so will, die Vorfahren des i3 aus 2013.

Der BMW i4 eDrive40 als aktueller Stand der Technik

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Um die Geschichte vom ersten Elektro-BMW 1972 komplett zu machen, präsentierte sich in Stuttgart das BMW i4 eDrive40 Gran Coupé ebenfalls in der Traditionsfarbe „inka“.

Aber außer Farbe und Markenlogo hat der aktuelle i4 mit dem Vorläufer nicht mehr allzu viel gemein. Der BMW i4 eDrive40 kombiniert einen 250 kW/340 PS starken Elektromotor mit klassischem Hinterradantrieb. Seine im Testzyklus WLTP ermittelte Reichweite beläuft sich auf bis zu 590 Kilometer.

Der aktuelle i4 basiert bereits auf der flexiblen Fahrzeugarchitektur, die erstmals von Beginn an für einen rein elektrischen Antrieb konzipiert wurde. Das führt dazu, dass die mit 110 Millimetern außergewöhnlich flache und tief im Fahrzeugboden angeordnete Hochvoltbatterie zu einer Absenkung des Fahrzeugschwerpunkts mit sich bringt, was sich positiv auf die Agilität des i4 auswirkt. Dennoch ist der i4 eDrive40 mindestens 2,1 Tonnen schwer und wiegt somit etwa das doppelte als der Vorfahre von 1972. Und auch mit 190 km/h ist die Höchstgeschwindigkeit 2022 etwa doppelt so hoch – zudem noch elektronisch abgeregelt.

Um die Gegenwart besser einordnen zu können, lohnt also wie so oft ein Blick in die Geschichte. Auf dem Stand auf der Retro Classics Stuttgart ist es BMW Classic gelungen, mit diesen beiden Exponaten den langen Weg vom Marathon-Begleitfahrzeug 1972 bis zum sportlichen Gran Coupé heute aufzuzeigen. Eine stattliche Entwicklung und ein langer Zeitraum. Den Marathonlauf 1972 gewann übrigens der US-Amerikaner Frank Shorter, einen Frauen-Marathon gab es zu der Zeit noch nicht, im Gegensatz zu Überlegungen von BMW, ihre Autos mit Strom antreiben zu wollen.


Fotos Hardy Mutschler, Fabian Kirchberger / BMW AG

Autor: Paolo Ollig

Paolo Ollig schreibt als Chefredakteur regelmäßig über alle Raritäten und Meilensteine der Automobil- und Motorrad-Geschichte. Traum-Klassiker: Lamborghini Countach und Mercedes-Benz 300 SL. Eigener Klassiker: Mercedes-Benz 230 CE (W123) von 1981.

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