Denken Sie an das Goodwood Revival, bevor es zu spät ist!

Goodwood Jacky Ickx

Einem echten Oldtimer-Enthusiasten muss man nichts mehr vom Goodwood Revival des berühmten Lord March (eigentlich: Charles Henry Gordon-Lennox, Earl of March and Kinrara) erzählen, wir wollen es trotzdem – vor allem im Frühjahr, wenn es allerhöchste Zeit wird, sich mit Tickets einzudecken.

Die Umgebung um Goodwood

Der echte Profi fährt schon am Wochenende vor dem Revival zum International Autojumble im benachbarten Beaulieu des Kollegen Lord Montague. Das liegt im New Forest, bezeichnenderweise dem ältesten Nationalpark Englands, in dem Wildpferde über die Straßen laufen und die Heide blüht. Unbedingt eine Reise wert, vor allem vor dem Brexit. Die Woche zwischen Autojumble und Revival kann man guten Gewissens im Oldtimer verbringen; denn was man hier erfahren kann, ist meist einmalig, zumal für Kontinentaleuropäer. Einige der schönsten Straßen fließen über die Hügel und durch die Wälder der South Downs und der weiteren Umgebung von Sussex – was übrigens nichts anderes als Sachsen heißt. Die A285 und die A286, die B2141 und die B2146 führen sternenförmig von Goodwood weg zu unterschiedlichsten Ortschaften, die wir auf dem Kontinent meist nicht kennen: Petworth mit dem bedeutenden Petworth House, das unter anderem die größte Sammlung antiker Skulpturen beherbergt, und mit der schönen Old Railway Station, einem Hotel, in dem die Gäste in Waggons des Orient Express übernachten können. Arlesford, ein entzückendes kleines Städtchen mit einem süßen Bahnhof an der Watercress Line, auf der historische Dampfloks glückselige Fahrgäste nach Ropley bringen, wo die Loks von pensionierten Ingenieuren gewartet und restauriert werden, die dem Interessierten kostenlos freundliche private Führungen anbieten. In Chawton findet man das Jane-Austen-Museum, Liphook mit dem Hollycombe Working Steam Museum ist von dort nicht weit. Nur wenig weiter westlich kommt irgendwann Stonehenge, sicher ein bemerkenswerter Ort, aber eigentlich nicht so schön gelegen, wie alles, was den Vorzug hat, sich in geringerer Entfernung zu Goodwood zu befinden.

Den Unentschlossenen wollen wir mit einer Serie von Revival-Fotos und ein wenig Historie zu Goodwood auf die Sprünge helfen.

Anfänge der Rennstrecke in Goodwood

Dass Frederick Charles Gordon-Lennox, 9. Duke of Richmond, 9. Duke of Lennox, 4. Duke of Gordon und Aubigny, Großvater des heutigen Lord March und als „Freddie“ March durchaus erfolgreicher Vorkriegs-Rennfahrer und Fahrzeughersteller, die Versorgungsstraße um den kleinen Flugplatz in Goodwood nach Ende des zweiten Weltkriegs in eine Rennstrecke umfunktionieren sollte, war keine Überraschung, außer wohl für ihn selbst. Als sich die meisten Engländer noch den Staub aus der Uniform klopften, suchten die vielen Motorsportclubs nach geeigneten Rennstrecken für die Nachkriegszeit. Frustrierende und vergebliche Versuche, berühmte Straßenkurse wie Donington Park zu reaktivieren, zwangen die Clubs, sich nach etwas ganz Neuem umzusehen. Donington Park beanspruchte immer noch das Militär für sich, wie viele andere Plätze, die vor dem Krieg für Autorennen genutzt worden waren. Der Gedanke, nicht mehr benötigte Flugplätze zu Rennstrecken umzufunktionieren, lag nahe. Dazu gehörte Silverstone ebenso wie Goodwood. Eine solche Umwidmung war keine Selbstverständlichkeit, weil sich die Royal Air Force nach dem zweiten Weltkrieg bemühte, ihre Bedeutung dadurch aufrecht zu erhalten, dass sie weiter rege Betriebsamkeit auf ihren Flugplätzen zeigte. Das ließ sich auch leicht begründen, weil es immer noch einen Feind gab, vor dem man sich schützen musste, nur dass der nun nicht mehr in Berlin saß, sondern in Moskau.

Es dauerte deshalb eine Weile, bis die ersten Autorennen wieder auf der englischen Hauptinsel stattfanden, während in St. Helier auf der Kanalinsel Jersey schon 1946 ein erstes internationales Rennen und wenig später auf der Isle of Man die bekannten Rennen früherer Zeiten ausgetragen wurden. In dieser Situation suchte der 9. Duke of Richmond alias Freddie March in seiner Funktion als Präsident des bedeutenden Junior Car Club (JCC) nach einer passenden Rennstrecke für sich und seine Freunde. Es ist kaum zu glauben, dass er nicht selbst sofort auf die Idee kam, dafür einen Platz auf den eigenen Latifundien zu nehmen. Dort hatte er nämlich auf Weisung von Churchill während des zweiten Weltkriegs einen Ausweichflugplatz für den benachbarten Flugplatz in Tangmere dulden müssen. Tangmere hatte die Regierung den Richmonds abgekauft, darauf konnte Freddie Richmond nicht mehr zugreifen, während sich der als RAF Westhampnett bekannte Ausweichflugplatz auf heimischem Grund in Goodwood befand.

Der hier stationierte australische Fliegerpilot Toni Gaze war ein Freund der Familie, der schon während des Krieges seine Roadster aus dem Hause MG über die Versorgungsstrecke um das Flugfeld gejagt hatte. Er musste Freddie Richmond darauf aufmerksam machen, dass er offenbar den Wald vor lauter Bäumen nicht sehe. Dass Freddie nicht selbst auf die Idee gekommen war, die kleine Straße zur Rennstrecke umzufunktionieren, erstaunt umso mehr, als seine erste Amtshandlung als 9. Duke of Richmond 1935 gewesen war, eine riesige Party für den Lancia Owner’s Club in Goodwood House zu schmeißen und damit zu beleben, dass er ein Hill-Climb-Rennen unmittelbar am Haus veranstaltete, das als Neuauflage knapp 60 Jahre später zum weltberühmten Festival of Speed avancieren sollte. Möglicherweise war die Entfernung von Goodwood House zum Flugfeld in Westhampnett einfach zu groß, als dass man ohne weiteres auf den Gedanken hätte verfallen müssen, dass da eine Rennstrecke auf ihre Entdeckung wartete.

Goodwood Rennen 7

Das erste Rennen in Goodwood

Bis zu den ersten Rennen auf dem Goodwood Circuit sollte es noch ein steiniger Weg werden. Denn, was würden die Nachbarn sagen, fragte sich der stets umsichtige Duke. Aber der Gedanke ließ ihn nicht mehr los, im eigenen Garten internationale Autorennen zu veranstalten. Nur wenige Proberunden in seiner Lancia Aprilia Limousine überzeugten ihn davon, dass der in ihm aufkeimende Enthusiasmus jede Anstrengung rechtfertigen würde. Mithilfe einer fröhlichen und dem Leben zugeneigten Clique konnte auch das Luftfahrtministerium erstaunlich schnell davon überzeugt werden, dass in so schöner Landschaft Autorennen einen wichtigeren Dienst am Vaterland leisten würden als gelangweilte Piloten, die dort ohnehin den Tag damit verbrachten, private Rennen auszutragen.

Der mit enormem Geschick und einnehmendem Charme ausgestattete Duke erwirkte in kürzester Frist die unzähligen Genehmigungen der involvierten Ministerien und Behörden, die notwendig waren, um auf dem Land einen Rundkurs von gut 3,8 km Länge zu betreiben. Dabei half ihm nicht zuletzt der jahrelange Betrieb der Pferderennstrecke auf dem hauseigenen Trundle Hill, auf dem die Königsfamilie regelmäßiger Gast war.

Und so war 1948 alles bereitet, damit es endlich losgehen konnte! Die erste Veranstaltung fand am 18. September statt und sollte das Datum liefern, an dem es genau 50 Jahre später mit dem Goodwood Revival weitergehen sollte. Das erste Rennen des Tages gewann Paul Pycroft in einem 2,6 Liter Jaguar-Special auf der Basis des legendären SS 100. Seinen ersten Sieg überhaupt errang im fünften Rennen der junge Stirling Moss in einem spartanischen Cooper-JAP mit 500 ccm Motorrad-Motor mit der Startnummer 7, die er für den Rest seiner Karriere favorisierte. 22 Siege in 60 Rennen sollten für Sir Stirling allein in Goodwood folgen; ein schwerer Un-fall hier war 1962 aber auch der Grund für die Beendigung seiner Karriere. Bis auf das Hauptrennen um die Goodwood Trophy über sieben Runden liefen die übrigen über nur drei, eine erstaunlich kleine Distanz, die Moss nicht davon abhielt, eine halbe Minute Vorsprung vor dem Zweiten herauszufahren. Preise und Trophäen hatte der Daily Graphic gesponsert. Das Hauptrennen brachte seinem Sieger, dem Fuhrunternehmer und Schweinezüchter Reg Parnell auf einem fabrikneuen Maserati 4CLT/48 ein Preisgeld von 50 Guineas ein, die übrigen Rennen waren mit 20 Guineas dotiert. Insgesamt investierte der Daily Graphic 500 Pfund. Keine nennenswerte Summe, wenn man bedenkt, dass in Brooklands 1907 5.000 Pfund an Preisgeldern gelockt hatten.

1949 folgten drei Termine in Goodwood, das erste internationale Rennen am Ostermontag, das BARC Member’s Meeting im August und ein weiteres internationales Rennen im September. 1950 waren es schon sechs Veranstaltungen. In jenen Tagen sah man durchaus den ein oder anderen Fahrer bewaffnet mit Gewehr und Schaufel, der seinem Team fürs Dinner einen Hasen mit heimischem Gemüse aus dem Infield besorgte. Dabei war, was Rang und Namen in England hatte, aber auch Fangio, Farina, Taruffi und viele andere. Ostermontag 1952 errang Mike Hawthorn aus dem nahegelegenen Farnham in Goodwood drei Siege, bevor er 1958 erster englischer Weltmeister wurde. In Goodwood fuhr 1950 ein BRM V16 sein erstes Rennen, und es explodierten die Motoren in den mittleren Fünfzigern, nachdem die Teams die Zugabe von Nitromethan von der empfohlenen Tasse pro Tank versuchshalber auf eine Gallone erhöht hatten. Alles ein Riesenspaß, auch auf den Partys in Goodwood House und den umliegenden Orten, die Goodwood wie kleine Juwelen umgeben.

1966 war dann Schluss mit offiziellen Rennen in Goodwood. Die Regularien sahen unter dem Motto: „The Return of Power“ Fahrzeuge mit bis zu 3 statt 1 1/2 Litern Hubraum vor, und Freddie Richmond musste erkennen, dass das zu viel war für seinen Kurs. Es blieb bei sechs Veranstaltungen 1966, die letzte am 2. Juli 1966. Das letzte Fünf-Runden-Rennen gewann Dickie Metcalfe (auf Lotus-Climax Mk 1), der schon 18 Jahre zuvor im allerersten Rennen in einem bescheidenen Fiat Balilla 508S teilgenommen hatte.

All dies erklärt die unglaubliche Vielfalt der knapp 500 Fahrzeuge, die seit 1998 zu jedem Goodwood Revival eingeladen werden, weil sie die Voraussetzung erfüllen, zwischen 1948 und 1966 gefahren zu sein. Ganz ruhig wurde es in Goodwood aber auch in den Jahren zwischen 1966 und 1998 nicht. Regelmäßig testeten Hersteller und viele andere hier ihre Rennwagen, u.a. Bruce McLaren, der während einer Testfahrt am 2. Juni 1970 in einem CanAm McLaren ums Leben kam.

Goodwood Rennen 2

In dieser Phase wurde es der 10. Duke of Richmond & Gordon, der Vater des heutigen Lord March, der die Geschäfte in Goodwood leitete und schließlich seinem Sohn die Möglichkeit eröffnete, an die alten Zeiten anzuknöpfen. Die erste Idee des sehr kreativen Charles March, der zuvor als Still-Life-Fotograf eine beachtliche Karriere gemacht hatte, war das Festival of Speed als Erinnerung an die frühen Hill-Climb-Rennen des Großvaters. Schon vom ersten Tag an war es ein größerer Erfolg als er je zu hoffen gewagt hatte. An den Kassenhäuschen waren die Behälter für das Bargeld so schnell überfüllt, dass mit den Handtaschen der Damen des Mitarbeiterstabs ausgeholfen werden musste.

Das schrie nach Vervielfältigung. Und es lag nahe, die Rennen auf dem Goodwood Circuit wiederzubeleben. Dabei muss dem stets auf Stil bedachten Lord March aufgefallen sein, dass sich seine Gäste des Festival of Speed angesichts ihrer schlichten und wohl eher praktischen Bedürfnissen dienenden Bekleidung vor dem eleganten Goodwood House ausnahmen wie eine amerikanische Reisegruppe vor dem Buckingham Palace. Jedenfalls war es ein glänzender Gedanke, die Besucher seines Goodwood Revival zu bitten sich zeitgemäß zu (ver-)kleiden. Das muss man einem Engländer nicht zweimal sagen! Und selbst deutsche Besucher, die am Nürburgring herumlaufen, als hätte ihnen die eigene Mutter die Dreiviertelhosen und T-Shirts morgens herausgelegt, werden beim Goodwood Revival in aufwendigen Anzügen und Kostümen gesichtet. Das ist ein Glück, denn interessanterweise führt eine Maskerade ja nicht nur zu großem Spaß, sondern es passt das Publikum zu den kostbaren Fahrzeugen und den über das Gelände verstreuten Preziosen des Lord March, der ganz offensichtlich immer noch große Freude an Stillleben hat. An allen Ecken und auf allen Plätzen lässt er kleinere und größere Installationen auf-stellen, wie man sie auf den Rennstrecken dieser Welt bedauerlicherweise nicht mehr sieht. Originale Emaille-Schilder und Plakate zieren Holzhütten, die früher Werkstätten beherbergten, schicke Tankstellen und historische Showrooms bieten Herstellern die Möglichkeit, ihre antiquarischen Exponate in lebensgroßen Dioramen zu präsentieren, die man sonst nur in Museen oder hochwertigen Sammlungen findet. Und überall wird getanzt und gefeiert, im Infield oft mit Champagner, am Parkplatz mit Bier neben hunderten von Oldtimern, für die man allein schon durch ganz Deutschland reisen würde.

Nehmen Sie sich also ein wenig Zeit für die schönsten Tage im Jahr und erleben Sie etwas, das Sie nicht vergessen werden. England at its best in Goodwood!

 


Fotos Christian Koch

Autor: Christian Koch

Motorsport-Fotograf Christian Koch ist spezialisiert auf historische Autorennen, wie sie heute noch auf den klassischen Rennstrecken, wie dem Nürburgring, Le Mans, Monaco, Goodwood und vielen anderen ausgetragen werden. Christian Koch gelingt es, an die alten Fotografien von Autorennen anzuknüpfen und seine Bilder mit neuster Technik in die größtmöglichen Formate zu übertragen.

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