Carrozzeria Bertone – Zwischen Eleganz und Extremen

Ein einfacher Buchstabe auf der Karosserie macht manchmal den Unterschied zwischen Stangenware und Designkunststück. Wie das B auf den Fahrzeugen, die aus der Carrozzeria Bertone stammen. Italien steht für vieles, was schön und elegant ist. Oft sind es schon die „gewöhnlichen“ Modelle von Alfa Romeo, Lancia, Ferrari oder FIAT; ganz sicher sind es aber im Besonderen auch die Fahrzeuge, die von italienischen Designbüros wie Bertone entwickelt wurden.

Die Geschichte der Carrozzeria Bertone

Die Carrozzeria Bertone wurde 1912 gegründet, zu einer Zeit als man wie Gründer Giovanni noch längst vergangenen Berufen wie dem des Stellmachers nachging. Ebenfalls unter- oder vielmehr später im Unternehmen FIAT aufgegangen, ist die Firma SPA, die Società Ligure Piemontese Automobili. Diese vergab an die Carrozzeria Bertone den ersten Auftrag, auf das Modell 23S eine Torpedo-Karosserie zu bauen. Wohlgemerkt trudelte dieser erste Auftrag erst 1921 ein, neun Jahre nach Firmengründung Bertones. Auch in den kommenden Jahren verlief die Entwicklung vom Handwerksbetrieb zu einer veritablen Karosseriefabrik langsam. Zumeist ging es um Karosserieaufbauten, wie bei seinem karossierten Lancia Lambda.

Carrozzeria Bertone Alfa Romeo 6C Carrozzeria Bertone Alfa Romeo Giulietta Sprint

Der Durchbruch der Carrozzeria Bertone

Der große Aufstieg Bertones begann unter der Ägide von Giuseppe „Nuccio“ Bertone, Giovannis Sohn. 1934 stieg dieser im Unternehmen ein, dass drei Jahre später mit dem Sieg bei einem Wettbewerb in Turin mit einem stromlinienförmigen Entwurf eines FIAT 1500.

1954 wird auf dem Turiner Autosalon mit der Alfa Romeo Giulietta Sprint ein Auto vorgestellt, dass zu seiner Zeit designtechnisch Maßstäbe setzte, in „Die Dinge des Lebens“ mit Michel Piccoli und Romy Schneider Filmkarriere machte und heute unverändert Enthusiasten in den Bann zieht. Das Design der Giulietta ist eine Koproduktion von Mario Felice Boano von der Carrozzeria Ghia und Franco Scaglione, Bertone-Chefdesigner. Da das Modell auch bei Bertone in Turin gebaut wurde, fällt in der allgemeinen Wahrnehmung der Anteil Ghias etwas ab. Mit Alfa Romeo war Bertone stets eng verbunden, man denke an die Giulia GT, den Montreal, den zugegeben recht unscheinbaren Alfa 90 aus den 80er-Jahren sowie die revolutionären Studien und Prototypen BAT 5, 7, 9 und 11. Aber auch zahlreiche anderen Hersteller sicherten sich die Design-Dienste von Bertone. So stammen Lamborghini Espada und Miura aus seiner Feder, aber auch ISO Grifo und Lele sowie der FIAT 850 Spider.

Der Carozzeria Bertone-Stil

Die ganze Kreativität eines Designbüros sieht man aber weniger in den Serienfahrzeugen, sondern vielmehr in den Studien und Prototypen, bei denen sich die Freigeister austoben können und auf einem weißen Blatt Papier eine Vision der Mobilität der Zukunft aufzeichnen können. Ein solcher Prototyp war der Alfa Romeo Carabo, der auf dem Autosalon in Paris 1968 die Blicke auf sich zog. Und nicht nur das, seine harte keilartige Formensprache setzte tatsächlich einen Trend, den nicht nur die darauffolgenden Bertone-Fahrzeuge aufgreifen sollten. Chefdesigner Marcello Gandini hatte auf Basis des Alfa Romeo 33 Stradale einen derart kompromisslosen Entwurf auf die Räder gestellt, dass das Fahrzeug auf jeden Fall Reaktionen hervorrufen würde. Zu seinem Glück waren die Reaktionen vieler Hersteller eher unterstützend, so dass dieser neue Bertone-Stil das Haus über Jahre prägen sollte. Beim Maserati Khamsin, dem Lamborghini Countach und in der Umsetzung vielleicht am konsequentesten beim Lancia Stratos war Keil Trumpf.

Maserati Khamsin

Dass das Leben nicht nur aus Leuchtturmprojekten besteht, musste Bertone aber spätestens mit der Ölkrise 1972 erfahren, als potente Sportwagen nicht mehr so gefragt waren. So widmete sich die Carrozzeria Bertone unter anderem einem Cabrio-Umbau des FIAT Ritmo und dem FIAT X1/9 oder dem ersten Volkswagen Polo Typ 86. Dass es um die Firma nicht sonderlich gut bestellt war, konnte man erahnen, als man sein Branding auf das Opel Astra Cabriolet oder einen Daihatsu Geländewagen setzte. Mitte der 2000er-Jahre wurde das Unternehmen zerschlagen, nur das Designbüro blieb noch übrig. 2011 musste in einer Auktion in der Villa d’Este aber auch das Tafelsilber verscherbelt werden, wie der Lamborghini Marzal, der für rund 1,5 Millionen Euro den Besitzer wechselte, und der Lancia Stratos Zero, der etwa 760.000 Euro einbrachte. Im Jahr 2014 war aber dennoch auch für das Designbüro Schluß. Erst 2016 kaufte die französische Firma AKKA Technologoies den Namen und hielt ihn somit am Leben.

Was aber in jedem Fall bleibt sind die zahlreichen stilbildenden Modelle. Man stand zwar in der öffentlichen Wahrnehmung was die Eleganz betrifft, immer etwas im Schatten des großen Wettbewerbers Pininfarina, als Schöpfer des Lancia Stratos oder des Lamborghini Countach hat man aber ohnehin ganz eindeutig klar gemacht, dass der zurückhaltend-elegante Auftritt nicht das primäre Ziel des Modells gewesen ist. Und so polarisieren und begeistern Bertone-Modelle bis heute.

Fotos Fiat Chrysler Automobiles N.V., DK Engineering, ChromeCars, Bastian Voigt Collectors Cars

Autor: Paolo Ollig

Paolo Ollig schreibt als Chefredakteur regelmäßig über alle Raritäten und Meilensteine der Automobil- und Motorrad-Geschichte. Traum-Klassiker: Lamborghini Countach und Mercedes-Benz 300 SL. Eigener Klassiker: Mercedes-Benz 230 CE (W123) von 1981.

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