Buchtipp | Käfer Love – Dem Käfer verfallen
Das Thema VW Käfer wurde Richard Hausmann quasi auf den Teller gelegt. Schon von seinem Kindergeschirr lachte ihm bei jedem Essen das Abbild des kleinen Wagens entgegen, sobald Erbsen und Möhrchen verputzt waren. Das sollte sich auf sein späteres Leben auswirken.
Ein Jahr war Richard Hausmann auf Entzug. Zwölf Monate hatte er es ohne einen VW Käfer ausgehalten. Dann wurde das Verlangen einfach zu groß. Seit dem Jahr 2001 ist der heute 57-Jährige mehr denn je dem Käfer verfallen. Vor allem dann, wenn der Blick in den Rückspiegel ein Brezelfenster zeigt, kann er sich der Anziehungskraft nicht entziehen.
Noch euphorischer aber wird Hausmanns Stimmung, wenn er ein KdF-Modell aufgespürt hat und es endlich auch in seiner Garage steht. Nur etwa 60 der zwischen 1941 und 1944 gebauten Kraft-durch-Freude-Fahrzeuge, teilweise mit einer wie beim Kübelwagen etwas höher gelegten Käfer-Karosserie, haben bis heute überlebt, vielleicht 30 davon sind fahrbereit. Vier dieser äußerst seltenen Exemplare sind mittlerweile im Besitz des erfolgreichen Managers aus Erlangen.
Käfer Love – Geschichten über Geschichten
Natürlich hat jedes dieser Autos eine eigene Geschichte. Und auch alle anderen Modelle der Sammlung wecken besondere Erinnerungen bei Hausmann. Doch bei der Frage nach seinem Lieblingsauto muss er nicht eine Sekunde überlegen. „Der Export aus dem Jahr 1948, der ist schon sehr besonders. Mit dem bin ich nach wie vor am liebsten unterwegs“, sagt er. Augenblicke später hat er die Dokumentation dieses Käfers in der Hand. Und die hat es tatsächlich in sich.
Produziert wurde das Auto am 23. September 1948 und noch am selben Tag an die Firma Raffay & Co. in Hamburg ausgeliefert. Nach der Erstzulassung am 18. Oktober wurde der Wagen auf den Tag genau drei Jahre später abgemeldet und stillgelegt. „Der Käfer war jahrzehntelang geschützt in einem Holzschuppen untergestellt. Bei der Bergung mussten mächtige Büsche aus- und wieder eingepflanzt werden. Zum Glück hatte der damalige Besitzer die Sitze ausgebaut, ehe das Fahrzeug abgestellt wurde. Deshalb steht der Käfer jetzt komplett mit Originalteilen auf den Rädern. Das gilt für Motor, Getriebe, Achsen, Bremsen – und eben auch für die herrlich konservierten Sitze. Zudem wurde das Auto nicht einmal geschweißt.“
Gekauft hat Hausmann den 48er Export, der zwar keine Zierleisten als Sonderausstattung hat, dafür aber verchromte Stoßfänger, im Jahr 2005. Zwei Jahre später konnte der Wagen nach behutsamen Restaurierungsarbeiten endlich wieder zugelassen werden. Da zeigte der Tacho 16.000 gefahrene Kilometer an. Inzwischen hat es der Käfer ohne Probleme auf knapp 42.000 Kilometer gebracht – am Steuer fast immer Richard Hausmann.
Käfer Love – Ein Leben lang
Schon dessen erstes Auto war ein Käfer, ein 1300er, Baujahr 1966 in Bahamablau, den er als 18-Jähriger fuhr. Es folgte ein 1303, Baujahr 1973. Vermutlich aber war es der 1957er Rechteckkäfer mit Stoffschiebedach, der dann die eigentliche Sehnsucht nach alten Käfern auslöste. Der mittelblaue Wagen war nämlich das Hochzeitsauto von Richard und Anna. Viele Tausend Kilometer war das Paar damit auf Reisen, ehe der Käfer Ende 1999 verkauft wurde. „Die Käfer-losen Monate sind mir schon damals schwergefallen. Doch es sollte wohl so sein. Denn letztlich bin ich dadurch zu meinem ersten Brezelkäfer gekommen“, erinnert sich Hausmann noch gut. Am Flughafen Berlin hatte er sich eine Oldtimerzeitschrift gekauft. In der fand er die Verkaufsanzeige für einen „liebevoll restaurierten Brezelkäfer, Erstzulassung 12/51, grün, Faltdach, 25.000 Euro“. Der Wagen stand in den Verkaufsräumen eines VW-Händlers in Hof.
„Schon der erste Eindruck im März 2001 war klasse. Ein paar Gebrauchsspuren, aber ansonsten alles original. Nur die Teppiche am Fußboden waren nachgemacht und der Batteriedeckel nachgefertigt.“ Den Grund für den ziemlich perfekten Zustand lieferte der Verkäufer. Der Käfer hatte in den vergangenen 30 Jahren restauriert in den Ausstellungsräumen gestanden, war lediglich ab und zu im Sommer mal ausgefahren worden. Es dauerte nicht lange bis zum Entschluss, den Wagen zu kaufen. Im Preis enthalten war zudem ein wunderbar erhaltener dreiteiliger Originalkoffersatz für den Raum hinter der klappbaren Rückbank.
Dieser Brezelkäfer steht natürlich noch heute in der erst kürzlich fertiggestellten Hausmann- Garage. Da der 57-Jährige keine passenden Räumlichkeiten für seine Sammlung finden konnte, ließ er ein neues Gebäude exakt nach alten VW-Vorgaben für Werkstätten errichten. Darin stehen jetzt elf Käfer. Einer interessanter als der andere. Sei es der Hebmüller aus dem Jahr 1950 oder die beiden Militär-Käfer aus den Jahren 1946 (Französische Armee) und 1948 (Britische Rheinarmee).
Käfer Love – Die ersten ihrer Art
Doch sind es inzwischen die noch älteren sogenannten KdF-Käfer, die auf Hausmann einen besonderen Reiz ausüben. 2009 schlug er bei dem Angebot eines Typ 60 – so die werksinterne Bezeichnung – erstmals zu. „Wie sich beim Restaurieren herausstellte, ein außerordentlich originales Exemplar der wenigen überlebenden KdFs“, freut sich der Sammler noch heute über den Kauf. „Der Wagen war eines von neun baugleichen Fahrzeugen, die am 29. Mai 1943 nach Berlin geliefert wurden. Es ist nicht mehr nachvollziehbar, wo genau das Auto mit der Aufbaunummer 519 eingesetzt war. Klar ist nur, dass es Ende der 50er-Jahre in Pforzheim bei einem Händler landete, oberflächlich restauriert wurde und dann etwa 50 Jahre in der Ausstellung stand.“
Hausmann ließ den Wagen komplett restaurieren, was Licht und Schatten zutage förderte: Hauben und Türen erwiesen sich als original, aber irgendwann war wohl ein neuer Motor eingebaut worden. Doch dann der schier unglaubliche Glücksfall. „Ich war beruflich in den USA. Dort wurde mir ein alter Käfer-Motor angeboten. Es war eine Maschine aus einem der acht anderen KdF-Wagen für die Berliner Lieferung!“ Hausmann kaufte den Motor sofort, zerlegte ihn, packte die Teile ins Handgepäck und brachte den wertvollen Fund so nach Deutschland, wo er seither den herrlich originalen Käfer ohne zu mucken antreibt.
2009 war für den heute 57-Jährigen ohnehin ein überaus besonderes Jahr. Nicht nur, dass er mit einigen anderen Enthusiasten eine unglaublich ereignisreiche Tour mit Brezelkäfern von Erlangen nach Peking absolvierte. Auf dem Weg in die chinesische Hauptstadt, in der er damals als CEO von Siemens China stationiert war, hörte er in Moskau auch von einem weiteren Uralt-Käfer, der im Besitz eines Journalisten sei und zum Verkauf stehen sollte. Es dauerte zwei Jahre, in denen Hausmann eine Menge über die russische Mentalität lernte und er auch zu so etwas wie dem Russland-Experten für KdF-Käfer wurde, ehe der einstmals in St. Petersburg entdeckte Wagen tatsächlich in seinen Besitz überging.
Hausmanns Interesse an den seltenen Käfer-Exemplaren hatte sich da schon bis Litauen herumgesprochen. Dort diente ein im Zweiten Weltkrieg gebautes Modell jahrelang auf dem Dach einer Werkstatt als eine von innen beleuchtete Werbefigur. Auch dieser Wagen steht nun in der Garage in der Nähe von Erlangen. Dass weitere KdF-Käfer folgen, ist anzunehmen. Für Richard Hausmann sind sie weniger Zeitzeugen einer dunklen Epoche als vielmehr Sammlerstücke in einer Welt von Fans, die überall diese eine – mehr noch diese einende – Sprache sprechen: Volkswagen Käfer.
„Dem Käfer verfallen“ ist im Buch „Käfer Love“ von Thorsten Elbrigmann bei Delius Klasing erschienen. Zahlreiche weitere spannende, abwechslungsreiche und nicht zuletzt emotionale Geschichte aus aller Welt finden sich in diesem Bilder- und Geschichtenbuch zum Lesen, Lachen und Träumen für jeden Käfer-Fan.
Thorsten Elbrigmann: Käfer Love, Delius Klasing, Bielefeld 2018
1. Auflage 2018
ISBN 978-3-667-11402-0
Käfer Love ist im Buchhandel Ihres Vertrauens oder direkt bei Delius Klasing verfügbar.
Text Wolfgang Schäffer Fotos Thorsten Doerk
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